AfD: Verfassungsschutz stuft gesamte Partei als »gesichert rechtsextremistisch« ein

vor 13 Stunden 3

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als »gesichert rechtsextremistisch« ein. Das teilte die Behörde mit. Damit gilt die gesamte Partei als verfassungsfeindlich. Bisher waren nur die Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt von den Behörden entsprechend bewertet worden. Bundesweit galt die AfD nur als rechtsextremer »Verdachtsfall«.

Die Einstufung als »gesichert« rechtsextrem senkt die Hürden für eine Beobachtung der Partei mit sogenannten nachrichtendienstlichen Mitteln. Möglich wird damit die Observation von Treffen, das Abhören von Telefonen und das Anwerben von Informanten.

Gleichzeitig dürfte die politische Debatte über ein mögliches Verbot der AfD an Fahrt aufnehmen. Einen Verbotsantrag können der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung an das Verfassungsgericht in Karlsruhe stellen. Für viele Parlamentarier galt eine Einstufung als »gesichert« rechtsextrem als wichtige Voraussetzung, um einen solchen Schritt in Betracht zu ziehen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) arbeitete seit vielen Monaten an einem Gutachten zur AfD. Nach SPIEGEL-Informationen hat die Behörde die Neubewertung der von Alice Weidel und Tino Chrupalla geführten Partei in dieser Woche fertiggestellt und dem Bundesinnenministerium vorgelegt. Das Gutachten soll mehr als 1100 Seiten umfassen und zahlreiche Belege enthalten, die den verfassungsfeindlichen Charakter der Partei untermauern.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist »das ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis«, das in der Partei vorherrsche, »nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar«. Die AfD betrachte etwa Deutsche »mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern« nicht als gleichwertige Angehörige des deutschen Volkes, teilte die Behörde mit. Politiker der Partei agitierten zudem »fortlaufend« gegen Geflüchtete und Migranten.

AfD-Chefin Weidel im Wahlkampf

AfD-Chefin Weidel im Wahlkampf

Foto:

R7172 / Wolfgang Maria Weber / picture alliance

Ursprünglich wollte das BfV bereits Ende vergangenen Jahres mitteilen, ob sich der Verdacht gegen die Partei erhärtet hat und sie als »gesichert« rechtsextrem eingestuft wird. Doch das Ampel-Aus und die vorgezogene Bundestagswahl durchkreuzten den Zeitplan. Vor dem Urnengang im Februar 2025 wäre eine Hochstufung juristisch zu heikel gewesen, hieß es. Aus Gründen der Chancengleichheit zwischen den Parteien musste sich die Behörde mit Sitz in Köln vorerst zurückhalten.

Jahrelanger Rechtsstreit

Nach jahrelangem Rechtsstreit hatte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht im Mai 2024 entschieden, dass der Verfassungsschutz die Partei als rechtsextremen »Verdachtsfall« beobachten darf. Es gebe hinreichende Hinweise darauf, dass die AfD die Menschenwürde von Ausländern und Muslimen missachte, hieß es in dem Urteil. Ein maßgeblicher Teil der Partei sehe Deutsche mit Migrationshintergrund nicht als vollwertige Staatsbürger an. Zudem gebe es Hinweise, dass die AfD demokratiefeindliche Ziele verfolge.

Seitdem hat sich die AfD mit ihren gut 51.000 Mitgliedern weiter nach Rechtsaußen bewegt. Seit dem Abgang des früheren Parteichefs Jörg Meuthen 2022 verließen andere vergleichsweise gemäßigte Politiker die AfD. Das völkische Lager hat sich durchgesetzt.

In den ostdeutschen Landtagswahlkämpfen im vergangenen Jahr in Brandenburg, Thüringen und Sachsen versuchte die AfD nicht, ihre Gesinnung zu verbergen. Der Brandenburger Landesverband veröffentlichte völkische Werbespots, in denen das Leben blonder Weißer von grimmig blickenden Dunkelhäutigen zerstört wird. Die würden Marktplätze zu Drogenmärkten und Bahnhöfe zu Tatorten verwandeln, so suggerierten die mithilfe künstlicher Intelligenz erstellten Bilder.

Im Bundestagswahlkampf ging die Partei noch weiter. AfD-Chefin Weidel benutzte den rechtsextremen Kampfbegriff »Remigration« und behauptete, Adolf Hitler sei Kommunist gewesen. Andere hochrangige Funktionäre verkleideten sich als Abschiebepiloten oder verteilten Gummibärchen in Flugzeugform an Kinder. Die AfD-Geschäftsstelle ließ blaue Herzen mit dem Spruch »Alice für Deutschland« drucken, angelehnt an die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland«. Und das, obwohl der Thüringer Landeschef Björn Höcke verurteilt worden war, weil er den Slogan benutzt hatte.

AfD-Fraktion im Bundestag

AfD-Fraktion im Bundestag

Foto: John Macdougall / AFP

Den Erfolg der Partei schmälerte all das nicht. Im Bund wurde die AfD mit 20,8 Prozent erstmals zweitstärkste Kraft . 152 Abgeordnete sitzen nun im Parlament, fast doppelt so viele wie zuvor. Am Wahlabend sagte Weidel, man wolle die anderen Parteien »tatsächlich jagen«, man werde dabei sogar noch »zwei Gänge hochschalten«.

Die neue AfD-Bundestagsfraktion ist so radikal wie nie. Selbst skandalträchtige Politiker wurden ohne größere Debatte aufgenommen. Etwa Matthias Helferich, der sich mal als »freundliches Gesicht des NS« bezeichnet hatte, angeblich ironisch, behauptete er später. Oder Maximilian Krah, der wegen Verharmlosung der SS und seiner Nähe zu Russland und China zeitweise in die zweite Reihe verbannt worden war.

Verbindungen zum Rechtsterror

Ermittlungen haben sogar Verbindungen der Partei in den gewaltbereiten Rechtsextremismus zutage gefördert. Im November ließ der Generalbundesanwalt acht Männer verhaften, weil sie die mutmaßliche Terrorgruppe »Sächsische Separatisten « gebildet haben sollen. Drei von ihnen waren AfD-Mitglieder. Eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete sitzt seit mehr als zwei Jahren in Untersuchungshaft. Sie soll mit einer »Reichsbürger«-Gruppe einen Staatsstreich geplant haben.

Der Zeitpunkt der Einstufung der AfD als »gesichert« rechtsextrem kommt dennoch überraschend. Die alte Bundesregierung ist nur noch wenige Tage geschäftsführend im Amt. Im Innenministerium, das den Verfassungsschutz beaufsichtigt, soll am kommenden Dienstag Alexander Dobrindt (CSU) das Amt von Nancy Faeser (SPD) übernehmen.

Beobachter hatten damit gerechnet, dass erst unter einem neuen Ressortchef eine Entscheidung über den Umgang mit der AfD fallen würde. Zumal das BfV derzeit keinen Präsidenten hat. Der langjährige Behördenchef Thomas Haldenwang hatte Ende 2024 sein Amt aufgegeben und bei der Bundestagswahl für die CDU kandidiert. Seitdem leiten die Vizechefs Sinan Selen und Silke Willems die Behörde.

Nach SPIEGEL-Informationen soll Faeser jedoch entschieden haben, keinerlei politischen Einfluss zu nehmen und der Einschätzung des Verfassungsschutzes zu vertrauen.

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