Zehn Jahre nach ihrem legendären Satz „Wir schaffen das“ zur Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge ist Deutschland nach Überzeugung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Integration von Migranten deutlich vorangekommen. „Das ist ein Prozess. Aber bis jetzt haben wir viel geschafft. Und was noch zu tun ist, muss weiter getan werden“, sagte die CDU-Politikerin in einem Interview mit dem Journalisten Ingo Zamperoni, das für eine ARD-Dokumentation geführt wurde.
Am 31. August 2015 hatte Merkel jene drei Worte gewählt, nachdem gerade bekanntgeworden war, dass für das laufende Jahr 800.000 Flüchtlinge in Deutschland erwartet wurden und Tausende Geflüchtete von Ungarn kommend in Richtung Deutschland unterwegs waren.
Merkel sagte, sie habe „keine Zweifel“ daran, dass sie wieder so entscheiden würde wie vor zehn Jahren. Sie räumte in der vom NDR produzierten Fernsehdokumentation ein, dass ihre Entscheidung polarisiert habe, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge im Sommer 2015 in Deutschland aufzunehmen. „Und dadurch ist die AfD sicherlich auch stärker geworden. Aber ist das ein Grund für mich, eine Entscheidung, die ich für wichtig halte, für richtig halte, für vernünftig, für menschenwürdig gehalten habe, das nicht zu tun?“, fragte sie.
Die ehemalige Kanzlerin bestritt zugleich, Deutschland überfordert zu haben: „Das glaube ich nicht. Deutschland ist ein starkes Land.“
Ihr Satz wurde Merkel „um die Ohren gehauen“
Merkel sagt heute: „Dass das etwas wirklich Herausforderndes wird, das war mir klar.“ Zugleich habe es sie auch immer wieder verwundert, „wie sehr mir diese drei Worte ‘Wir schaffen das’ auch um die Ohren gehauen wurden“. Sie habe bloß ausdrücken wollen, dass Deutschland vor einer großen Aufgabe stehe. Dabei habe sie auf die Menschen im Land gehofft.
Eine Überforderung Deutschlands durch ihre Entscheidung sieht Merkel nicht. „Das glaube ich nicht. Deutschland ist ein starkes Land“, sagte sie. „Insgesamt war ich der Überzeugung, dass Deutschland das stemmen kann.“
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Die frühere Kanzlerin verwies darauf, dass die Alternative gewesen wäre, die geflüchteten Menschen mit Gewalt davon abzuhalten, nach Deutschland zu kommen. „Dazu hätte ich mich nie bereiterklärt“, stellte Merkel klar. Im Rückblick habe sie sich manchmal aber auch Vorwürfe gemacht, dass man nicht schon 2012/13 - als der Bürgerkrieg in Syrien bereits im Gange war – nicht mehr für die Menschen vor Ort getan habe.
CDU-Generalsekretär findet Integration „nicht zufriedenstellend“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zog eine kritische Bilanz zehn Jahre nach dem Merkel-Satz. „Seit 2015 sind 6,5 Millionen Menschen zu uns gekommen und weniger als die Hälfte ist heute in Arbeit. Ich finde das, gelinde gesagt, nicht zufriedenstellend“, sagte Linnemann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Heute gehe es darum, illegale Migration in die Sozialsysteme zu stoppen und reguläre Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu fördern. „Das muss die Politik dieser Regierung 2025 sein - und das ist sie auch.“
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte am Montag dem Radiosender Bayern2, heute spüre man in ganz Europa die mehrheitliche Stimmung, dass es 2015 „zu viele Flüchtlinge in der Summe waren und dass nahezu alle europäischen Länder eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen wollen“.
Zugleich lobte er die Hilfsbereitschaft der Menschen in Bayern als „phänomenal“, als unter anderem am Münchner Hauptbahnhof täglich Hunderte Geflüchtete über die Balkanroute nach Deutschland kamen. „Wir haben vieles geschafft“, sagte Herrmann. Es sei aber unterschätzt worden, was es bedeute, die vielen Menschen zu integrieren. (dpa)