Krieg in Nahost: Heusgen: Bundesregierung sollte Staat Palästina anerkennen

vor 2 Tage 5

Wie reagieren auf Israels Vorgehen im Gazastreifen? Darüber gehen die Meinungen auch in Deutschland auseinander. Der frühere Merkel-Berater Heusgen macht einen Vorschlag, der polarisieren dürfte.

Viele Angaben stammen von Konfliktparteien und lassen sich teilweise nicht unabhängig überprüfen. Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.

Wichtige Updates

Internationale Initiative erklärt Hungersnot in einem Gebiet des Gazastreifens

Netanjahu bestätigt Pläne zur Einnahme von Gaza-Stadt - neue Verhandlungen geplant  

Siedlungspläne: Britisches Außenministerium bestellt israelische Botschafterin ein

Gaza-Behörden: Mindestens 70 Menschen binnen 24 Stunden getötet

UN-Generalsekretär Guterres fordert Waffenstillstand in Gaza

Patrick Wehner

Heusgen: Bundesregierung sollte Staat Palästina anerkennen 

Der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert die Bundesregierung angesichts des Leids im Gazastreifen zur Anerkennung eines palästinensischen Staates auf. "Es würde weltweit als besonders starke Geste wahrgenommen, weil Deutschland zu Recht als treuer Freund Israels gilt", schreibt Heusgen in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

"Es wird die Situation kurzfristig nicht verändern, aber ein starkes Signal der Solidarität mit dem palästinensischen Volk senden, wenn wir uns der Staatenmehrheit anschlössen", so der frühere Top-Diplomat und langjährige Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Mehrere Staaten, darunter Frankreich, Kanada und Australien, wollen im September einen palästinensischen Staat anerkennen. Die Bundesregierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass dies für Deutschland vorerst keine Option ist. Man sehe die Anerkennung "als einen der abschließenden Schritte" auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius Ende Juli.

Aus Sicht von Heusgen ist zu befürchten, dass Israel sich zum "Apartheidstaat" entwickelt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehne einen Palästinenserstaat ab und unterstütze die Siedlergewalt im Westjordanland. "Alle diplomatischen Versuche, die israelische Regierung zum Einlenken zu bringen, haben nichts bewirkt." Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson. "Aber zur israelischen Sicherheit gehört auch, dass sich das Land nicht durch den exzessiven Einsatz militärischer Gewalt und den Bruch des Völkerrechts weltweit Feinde macht und isoliert."
Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab - ebenso wie die islamistische Hamas im Gazastreifen. Eine Reihe von EU-Ländern, vor allem in Ost- und Südosteuropa, haben schon vor Jahren einen Staat Palästina anerkannt. Vor rund einem Monat kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als erste westliche Großmacht einen solchen Vorstoß an. 

Patrick Wehner

Netanjahu: "Hungerkampagne" der Hamas hält uns nicht auf 

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hält auch nach der Erklärung einer Hungersnot im Raum der Stadt Gaza durch internationale Experten an seinen Kriegszielen unbeirrt fest. Die von der islamistischen Terrororganisation Hamas "inszenierte Hungerkampagne wird uns nicht davon abhalten, unsere Geiseln zu befreien und die Hamas zu beseitigen", sagte er in Reaktion auf einen aufsehenerregenden Bericht der weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit anerkannten IPC-Initiative.

Netanjahu hatte zuvor Pläne für die Einnahme der Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Gazastreifens gebilligt. Israels Militär bereitet sich darauf vor, die Schätzungen zufolge rund eine Million Bewohner in Zeltlager im Süden umzuquartieren. Laut der IPC-Initiative ist das Leben von 132 000 Kindern unter fünf Jahren wegen Unterernährung bedroht. 41000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet, doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai. Es geht um den Bezirk Gaza, in dem auch die Stadt liegt.

"An manchen Tagen kann ich nur ein kleines Brot und eine Tomate finden, um sie zwischen drei Kindern zu teilen", klagt Mariam al-Scheikh. Ihren Kindern etwas zu essen zu beschaffen, sei ein täglicher Kampf, berichtet die 34-Jährige aus der Stadt Gaza der Deutschen Presse-Agentur. Sie sei oft stundenlang auf der Suche nach Brot oder Lebensmittelkonserven. Nachts hört sie das jüngste ihrer Kinder vor Hunger weinen. "Mehr als eine halbe Million Menschen im Gazastreifen sind mit katastrophalen Bedingungen konfrontiert, charakterisiert durch Hunger, Armut und Tod", heißt es in dem Bericht der IPC-Initiative. 

Juri Auel

Streit um Sanktionen gegen Israel: Niederländischer Außenminister Veldkamp tritt zurück

Nach einem Streit um Sanktionen gegen Israel ist der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp zurückgetreten. Er sehe keinen Spielraum, um den Druck auf Israel zu erhöhen, sagte der Minister der Zentrumspartei NSC. Auch die übrigen Minister seiner Partei verließen daraufhin die Koalition. Unklar ist, wer nun die Ministerämter übernehmen wird.

Zuvor hatten die Oppositionsparteien im Parlament einen Misstrauensantrag gegen den Minister eingereicht. Sie forderten strengere Sanktionen gegen Israel wegen der humanitären Notlage im Gazastreifen. Veldkamp wollte sich hierfür im Kabinett einsetzen, bekam dafür aber nach eigenen Angaben keine Rückendeckung. Der Rücktritt hat zunächst keine innenpolitischen Konsequenzen. Denn die rechte Koalition war bereits nur geschäftsführend im Amt nach dem Bruch mit der extrem rechten Partei des Populisten Geert Wilders im Juli. Eine Neuwahl ist für Ende Oktober angesetzt. 

Carina Seeburg

27 Staaten fordern Israel auf, Journalisten den Zugang zum Gazastreifen zu ermöglichen

In einem gemeinsamen Statement fordern die Unterzeichner der Media Freedom Coalition Israel nachdrücklich dazu auf, unabhängigen ausländischen Medien Zugang zu gewähren und Journalisten, die in Gaza tätig sind, zu schützen. Medienmitarbeiter würden eine wesentliche Rolle dabei spielen, die verheerende Realität des Krieges ins Rampenlicht zu rücken. Auch Deutschland beteiligt sich an dem Aufruf. Das Auswärtige Amt veröffentlichte das Statement auf seinem Konto auf der Plattform X: 

Die gezielte Bekämpfung von Journalisten sei inakzeptabel. Das humanitäre Völkerrecht biete zivilen Journalisten während bewaffneter Konflikte Schutz. Weiter schreiben die Unterzeichner, die extrem hohe Zahl von Todesfällen, Verhaftungen und Inhaftierungen müsse aufgeklärt werden. „Wir fordern, dass alle Angriffe auf Medienmitarbeiter untersucht und die Verantwortlichen in Übereinstimmung mit nationalem und internationalem Recht strafrechtlich verfolgt werden“. 

Seit Beginn des Krieges kontrolliert Israel den Zugang zum Gazastreifen und gestattet Medienschaffenden nur begrenzten Zugang zu den Kriegsgebieten.

Internationale Initiative erklärt Hungersnot in einem Gebiet des Gazastreifens

Im Regierungsbezirk Gaza im nördlichen Gazastreifen ist eine Hungersnot erklärt worden. Die dafür notwendigen Kriterien seien erfüllt, teilte die zuständige IPC-Initiative (Integrated Food Security Phase Classification) mit. Etwa 514 000 Menschen bekämen nicht genug zu essen. Das Leben von 132 000 Kindern unter fünf Jahren sei wegen Unterernährung bedroht. 41 000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet, doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai. 

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es das erste Mal, dass in einem Land des Nahen Ostens eine Hungersnot ausgerufen wird. Ehe eine Hungersnot erklärt wird, müssen drei Kriterien erfüllt sein:

  • mindestens 20 Prozent der Haushalte sind von einem extremen Lebensmittelmangel betroffen
  • mindestens 30 Prozent der Kinder leiden unter akuter Mangelernährung
  • täglich sterben mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10 000 Einwohner an Hunger oder aufgrund des Zusammenspiels von Unterernährung und Krankheit.

Die IPC-Initiative ist für die Einschätzung von Hungerlagen in aller Welt zuständig. Mitglieder sind knapp zwei Dutzend Organisationen der Vereinten Nationen sowie Hilfsorganisationen. In der IPC-Skala gibt es fünf Stufen der Ernährungslage in einem Land oder einer Region. "Katastrophe/Hungersnot" ist die höchste. Das israelische Außenministerium teilte nach der IPC-Veröffentlichung mit: "Es gibt keine Hungersnot in Gaza." 

UN-Generalsekretär António Guterres kommt zu einem anderen Schluss. Er sieht die Verantwortung für die Hungersnot in Teilen des Gazastreifens bei Israel. „Als Besatzungsmacht hat Israel eindeutige Verpflichtungen nach internationalem Recht – einschließlich der Pflicht, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten sicherzustellen“, sagte Guterres. Was nun passiere, sei der „vorsätzliche Zusammenbruch der Systeme, die für das menschliche Überleben notwendig sind“. 

Juri Auel

UN-Experten kritisieren US-Sanktionen gegen Strafgerichtshof 

Nach einer neuen Runde von US-Sanktionen gegen Richter und Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag haben sich mehrere Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen alarmiert geäußert. Die USA zeigten auf beunruhigende Weise eine „konstante Feindseligkeit“ gegenüber einem Tribunal der internationalen Gemeinschaft, erklärten sieben UN-Experten am Freitag in Genf.

Am Mittwoch hatte das Außenministerium der Vereinigten Staaten die Richter Kimberly Prost und Nicolas Yann Guillou sowie die Stellvertretenden Ankläger Nazhat Shameem Khan und Mame Mandiaye Niang mit Strafmaßnahmen belegt, hauptsächlich dem Einfrieren aller Vermögenswerte in den USA oder unter US-Kontrolle. Als Grund nannte die Regierung „böswillige Aktivitäten“ des Strafgerichtshofs, der für die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig ist.

Die betreffenden Richter und Anwälte waren an der Genehmigung von Haftbefehlen gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie an Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz von US-Truppen beteiligt. Kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump hatten die USA im Februar IStGH-Chefankläger Karim Khan und im Juni vier Richter unter Sanktionen gestellt.

Die UN-Experten warnten vor einer Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit. „Die Sanktionierung von IStGH-Richtern und -Staatsanwälten sabotiert den Kampf gegen die Straflosigkeit und zeigt der Welt, dass angesichts von Gräueltaten nicht die Gerechtigkeit, sondern die Macht regiert“, schrieben sie. Die Sonderberichterstatter riefen die EU auf, die sogenannte Blocking-Verordnung in Kraft zu setzen. Diese erklärt konkrete Rechtsakte eines Drittlandes in der EU für unwirksam. EU-Behörden dürfen dann die betreffenden Entscheidungen, beispielsweise Beschlagnahme-Anordnungen, nicht ausführen.

Patrick Wehner

Nouripour: Stopp von Waffenexporten an Israel "kurzsichtig"

Der Grünen-Politiker und Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour kritisiert den von Kanzler Friedrich Merz (CDU) verkündeten Teilstopp von Rüstungsexporten an Israel. "Die Entscheidung, Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, klingt bei der verheerenden Lage in Gaza nachvollziehbar, auch in meiner Partei finden sie viele richtig. Sie ist aber kurzsichtig", sagte Nouripour den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Deutsche Waffen spielten im Gaza-Krieg keine Rolle, so Nouripour. "Das ist Symbolik für das eigene Publikum. Das heißt, diese Entscheidung hilft keinem Kind in Gaza und befreit keine Geisel." Gleichzeitig sei Deutschland aber sowohl bei der Rüstungstechnologie als auch in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit sehr auf Israel angewiesen. "In den Belangen brauchen wir die Israelis mehr als sie uns. Das ist die brutale Realität", betonte der frühere Grünen-Chef. "In einer Zeit, in der wir nicht wissen, wie es in der Ukraine und mit der europäischen Friedensordnung weitergeht, sollte man nicht so tun, als würde man ohne Partnerschaften auskommen."  

Katja Guttmann

Entwaffnung im Libanon: Erste Aktion in palästinensischem Lager 

Im Zuge der Entwaffnungskampagne im Libanon hat die Armee erstmals in einem palästinensischen Flüchtlingslager leichte Waffen eingesammelt. Ein Lastwagen habe Burdsch al-Baradschne nahe der Hauptstadt Beirut am frühen Abend mit Waffen verlassen, meldete die libanesische Staatsagentur NNA. Zwischenfälle habe es nicht gegeben, hieß es weiter.

Libanons Ministerpräsident Nauaf Salam begrüßte den "Beginn des palästinensischen Waffenübergabeprozesses". Die erste Ladung sei in die Obhut der libanesischen Armee gegeben worden, schrieb er auf X. In den kommenden Wochen würden weitere Übergaben folgen. Zu leichten Waffen zählen unter anderem auch schwere Maschinengewehre, tragbare Panzer- und Luftabwehrwaffen oder auch tragbare Raketenwerfer. 

Die libanesische Regierung steht unter Druck, die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz durchzusetzen. Dazu gehört auch die Monopolisierung aller Waffen im Land unter staatlicher Kontrolle. Palästinensische Flüchtlingslager im Land werden von verschiedenen Gruppen kontrolliert. In der Vergangenheit wurden von dort aus immer wieder Angriffe geplant.

Katja Guttmann

Netanjahu bestätigt Pläne zur Einnahme von Gaza-Stadt - neue Verhandlungen geplant  

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Billigung eines Plans zur Einnahme der Stadt Gaza angekündigt, gleichzeitig aber neue Verhandlungen über eine Waffenruhe mit der Hamas in Aussicht gestellt. Bei einem Besuch von Soldaten, die im Gazastreifen stationiert sind, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros: "Ich bin gekommen, um die Pläne der Armee zur Einnahme der Stadt Gaza und zum Sieg über die Hamas zu bestätigen." Gleichzeitig habe er die Anweisung erteilt, "unverzüglich Verhandlungen über die Freilassung aller unserer Geiseln und die Beendigung des Krieges zu Bedingungen aufzunehmen, die für Israel akzeptabel sind". Beides gehe Hand in Hand.

Indirekte Verhandlungen Israels und der Hamas über eine neue Waffenruhe blieben bislang erfolglos und wurden zuletzt unterbrochen. Die internationalen Vermittler USA, Katar und Ägypten bemühen sich jedoch um eine Wiederaufnahme der Kontakte.

Netanjahu wollte nach Medienberichten bei einer Sicherheitsberatung mit Verteidigungsminister Israel Katz und mit Militärs die Einsatzpläne zur Einnahme der Stadt Gaza billigen. Das Sicherheitskabinett hatte Anfang des Monats die Einnahme der größten Stadt des Küstenstreifens sowie die Evakuierung der Bevölkerung in den Süden genehmigt. 

Katja Guttmann

Siedlungspläne: Britisches Außenministerium bestellt israelische Botschafterin ein

Wegen der umstrittenen israelischen Siedlungspläne im besetzten Westjordanland hat das britische Außenministerium die israelische Botschafterin Tzipi Hotovely einberufen. Der Schritt sei auf die Entscheidung Israels gefolgt, den Bau einer großen Siedlung in dem sensiblen Gebiet zu genehmigen, gab das Außenministerium in einer Mitteilung bekannt.

Mit dem geplanten Bauvorhaben würde das Gebiet faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilt werden. Ein zusammenhängendes Territorium für einen künftigen palästinensischen Staat würde damit erschwert - wenn nicht gar unmöglich gemacht.

Gemeinsam mit 21 anderen internationalen Partnern und der EU-Außenbeauftragten fordert das Vereinigte Königreich Israel laut Mitteilung dazu auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. Die Siedlungspläne stellten "einen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht" dar und die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung würde damit untergraben werden, heißt es.

Auch Deutschland lehnt die israelischen Baupläne entschieden ab. Der Weg zu einer Zweistaatenlösung dürfe nicht verbaut werden, auch nicht durch völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungsbau im Westjordanland, schrieb das Auswärtige Amt auf X. "Vor einer Ausweitung des Siedlungsbaus warnen wir ausdrücklich."

Welche Auswirkungen das Siedlungsprojekt „E1“ am Stadtrand von Jerusalem hätte, berichtet Reymer Klüver (SZ Plus):

Gaza-Behörden: Mindestens 70 Menschen binnen 24 Stunden getötet

Im Gazastreifen sind nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden in den vergangenen 24 Stunden mindestens 70 Menschen getötet worden. In einem Haus in Sabra, einem Vorort von Gaza-Stadt, sollen allein acht Menschen ums Leben gekommen sein. Die Palästinenserorganisation Fatah erklärte, bei den Todesopfern in Sabra habe es sich um ein führendes Fatah-Mitglied sowie sieben Familienmitglieder gehandelt. Vom israelischen Militär gab es bisher keine Stellungnahme.

Die Fatah gilt im Vergleich zu der im Gazastreifen herrschenden Hamas als gemäßigter. Beide Gruppen rivalisieren miteinander.

Nadja Lissok

Berichte: Datenbank der israelischen Armee erfasst getötete Palästinenser - fünf von sechs Toten sind Zivilisten

Wie viele Menschen im Krieg im Gazastreifen schon ums Leben gekommen sind, ist aus mehreren Gründen schwer zu erfassen. Seit Beginn der Offensive der israelischen Armee in Folge des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 gibt es kaum unabhängige Organisationen dort. Die öffentliche Ordnung ist längst zusammengebrochen. Und das Gesundheitsministerium, das seit Kriegsbeginn Todeszahlen veröffentlicht, steht unter Verdacht Hamas-Propaganda zu betreiben. Besonders die israelische Regierung bezweifelt immer wieder öffentlich, dass wirklich schon so viele Menschen im Gazastreifen gestorben sind, wie das Gesundheitsministerium regelmäßig meldet.

Eine Recherche des britischen Guardian, des israelisch-palästensischen +972 Magazine und des hebräischsprachigen Mediums Local Call legt nun nahe, dass die israelische Armee fast auf die gleichen Zahlen kommt. Laut Guardian-Bericht führt der Militärgeheimdienst eine Datenbank, die außerdem zeigen soll, dass 83 Prozent der Getöteten Zivilisten waren. Im Mai 2025 sollen 8900 Kämpfer der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad dort als tot oder "wahrscheinlich tot" gelistet worden sein. Zu diesem Zeitpunkt zählte das Gesundheitsministerium in Gaza-Stadt bereits fast 53 000 Todesopfer. Die Zeitung bezeichnet diesen Prozentsatz als "ungewöhnlich hoch" für einen modernen Krieg. Das israelische Militär habe die Existenz der Daten nicht geleugnet, die Schlüsse der Journalisten aber als falsch bezeichnet. 

UN-Generalsekretär Guterres fordert Waffenstillstand in Gaza

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, fordert einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza. Zuvor hatte Israel die ersten Schritte einer Operation zur Einnahme von Gaza-Stadt angekündigt. „Es ist von entscheidender Bedeutung, unverzüglich einen Waffenstillstand in Gaza zu erreichen", sagte Guterres am Rande einer Konferenz in Japan. Dies sei nötig, um den Tod und die Zerstörung zu verhindern, die eine Militäroperation gegen Gaza-Stadt verursachen würde. Er forderte Israel zudem auf, eine Entscheidung zum Ausbau des „illegalen" Siedlungsbaus im Westjordanland rückgängig zu machen.

Juri Auel

Israelisches Militär: Erste Phase der Offensive auf Gaza-Stadt gestartet

Die israelische Armee hat nach Angaben ihres Sprechers Effie Defrin mit „vorbereitenden Maßnahmen" zur Einnahme der Stadt Gaza begonnen. Schon jetzt hielten Truppen die Außenbezirke der größten Stadt des Gazastreifens besetzt, sagte er vor Journalisten. Die Armee habe die „nächste Phase des Kriegs" begonnen.

Zuvor hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Angaben seines Büros angeordnet, die Stadt Gaza schneller einzunehmen als bislang geplant. Der „Zeitplan für die Eroberung der letzten Terrorhochburgen und die Niederlage der Hamas" solle verkürzt werden, teilte sein Büro mit, ohne Details zu nennen. Bislang ist unklar, wann die Bodenoffensive in vollem Umfang beginnen soll. Medien berichteten davon, dass die Gaza-Bewohner bis Anfang Oktober in Flüchtlingslager im Zentrum des abgeriegelten Gazastreifens gebracht werden sollten.

Es wird befürchtet, dass die Offensive die ohnehin katastrophale Lage der Zivilbevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen, wo insgesamt rund zwei Millionen Palästinenser leben, noch verschlimmern wird. Die Zivilisten in der Stadt Gaza – nach Schätzungen rund eine Million Menschen – sollen sich dem Plan des israelischen Militärs zufolge in Zeltquartiere weiter im Süden des Küstenstreifens begeben. Defrin sagte nun, das Militär werde die Zivilbevölkerung warnen und die Evakuierung ermöglichen, um die Gefahr für die Menschen so gering wie möglich zu halten. Dabei sollten sich Zivilisten von den aktiven Kampfgebieten fernhalten. Im Rahmen der Vorbereitungen für die nächste Phase habe der Generalstabschef angewiesen, für Anfang September etwa 60 000 Reservebefehle zu erteilen.

Defrin sagte, die Hamas sei heute nicht mehr dieselbe wie vor dem israelischen Militäreinsatz. „Von einer militärischen Terrororganisation hat sie sich zu einer angeschlagenen und geschwächten Guerillaorganisation entwickelt", so der Armeesprecher. Das israelische Militär werde den Schaden für die Hamas in Gaza, „einer Hochburg des staatlichen und militärischen Terrors der Terrororganisation, noch weiter verschärfen" und die Abhängigkeit der Bevölkerung von der Hamas beenden.

Juri Auel

US-Sanktionen gegen Richter von Strafgerichtshof verhängt

Die US-Regierung verhängt erneut Sanktionen gegen Richter und nun auch gegen Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Diese erfolgten „als Reaktion auf die anhaltende Bedrohung von Amerikanern und Israelis“, teilte US-Außenminister Marco Rubio mit. Die vier Personen beteiligten sich daran, Amerikaner und Israelis „ohne Zustimmung eines der beiden Länder zu untersuchen, zu verhaften, festzunehmen oder strafrechtlich zu verfolgen“, lautete der Vorwurf Rubios.

Konkret wurden Kimberly Prost aus Kanada, Nicolas Guillou aus Frankreich, Nazhat Shameem Khan aus Fidschi und Mame Mandiaye Niang aus Senegal auf die Sanktionsliste gesetzt. Rubio warf dem Weltstrafgericht unter anderem Politisierung und die Missachtung der Souveränität der Vereinigten Staaten vor. Aufgrund der Sanktionen wird etwaiger Besitz der vier Personen in den USA eingefroren. Zudem dürfen US-Firmen und US-Bürger keine Geschäfte mehr mit ihnen machen. Von einem Einreiseverbot war nicht die Rede.

Bereits im Juni hatten die USA vier Richterinnen des Weltstrafgerichts mit Sanktionen verhängt. Präsident Donald Trump hatte im Februar mit einem Dekret den Weg für solche Strafen geebnet. Er wirft dem Gericht mit Sitz in Den Haag Machtmissbrauch vor. Das Gericht verfolgt seit 2002 schwerste Verbrechen, wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Alle EU-Staaten gehören ihm an; die USA, Israel und auch Russland hingegen sind keine Vertragsstaaten. 

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