Wiesbaden: 41 von 66 Grundschulen schicken Überlastungsanzeigen

vor 4 Stunden 1

Der Frust ist enorm: Katja Giesler, Personalrätin und Lehrerin an der Geschwister-Scholl-Grundschule in Wiesbaden, beschreibt ihre Arbeitssituation ziemlich schnörkellos. »Wir können nicht mehr«, sagt die Personalrätin im Interview mit der »Hessenschau «, »wir sind komplett überlastet.« Und das habe nicht etwa mit ihrer persönlichen Situation zu tun, sondern sei ein grundsätzliches Problem, betont die Lehrerin.

Die Mehrzahl von Gieslers Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen im Schulamtsbezirk Wiesbaden und Rheingau-Taunus-Kreis sieht das genauso: 41 von 66 Grundschulen haben kurz vor dem Pfingstwochenende eine Überlastungsanzeige unterschrieben. Das ist für Beamtinnen und Beamte der Weg, um ihren Vorgesetzten – in diesem Fall: Schulamt und hessisches Kultusministerium – zu zeigen: Es geht nicht mehr.

»Wir wollen damit klarmachen: Es gibt ein riesiges strukturelles Problem«, sagt Chris Hahn, Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), im Gespräch mit dem SPIEGEL: »Wir erleben eine grundsätzliche, nicht mehr zu bewältigende Überlastung.«

»Es ist ein Desaster«

Dafür gebe es zahlreiche Einzelursachen, sagt der Gewerkschafter: den grundsätzlichen Lehrkräftemangel und die zunehmende Bürokratie, zu wenige Integrationshelfer und zu viele problematische Kinder, fehlende Schulleitungen und Aushilfs-Lehrkräfte, die ohne pädagogisches Studium eingearbeitet werden müssen, dann aber wegen befristeter Verträge nach zwei Jahren wieder gehen. »Es ist ein Desaster«, sagt Hahn.

Denn für die Lehrerinnen und Lehrer bedeute das alles: Zeit für pädagogisches Arbeiten und individuelle Betreuung der Kinder gibt es viel zu wenig. »Wer den Beruf ernst nimmt, kommt mit 40 Stunden pro Woche bei Weitem nicht aus«, sagt der GEW-Mann. Die Überlastungsanzeigen der 41 Grundschulen seien deshalb ein verzweifelter Hilferuf an die Politik.

Das hessische Kultusministerium war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Gegenüber der »Hessenschau« hatte Minister Armin Schwarz (CDU) ein Interview abgelehnt und stattdessen ein kurzes schriftliches Statement verschickt.

Viel Unterstützung für den Hilferuf

»Überlastungsanzeigen werden von uns sehr ernst genommen und von den jeweiligen staatlichen Schulämtern vor Ort genau geprüft, um den jeweils genauen Sachverhalt zu ermitteln«, heißt es darin. Und weiter: »Diese Prüfung wird jetzt durch das staatliche Schulamt stattfinden.«

Lehrerin Katja Giesler hat indes nur wenig Hoffnung, dass wirklich schnelle Hilfe auf den Weg gebracht wird. Die Überlastungsanzeigen einzelner Kolleginnen und Kollegen hätten in der Vergangenheit jedenfalls nicht dazu geführt, dass sich etwas verändert habe. Immerhin, es sei ein starkes Zeichen, dass jetzt an den 41 Grundschulen jeweils die gesamten Kollegien unterschrieben hätten.

Denn die Situation sei eben überall dramatisch: »Es ist einfach nur Frustration.«

Gesamten Artikel lesen