Der Eklat um den „ACAB“-Pullover von Jette Nietzard ist gerade einmal zehn Tage alt – da löst die Ko-Chefin der Grünen Jugend schon wieder neue Aufregung aus. In einem Video, das am Donnerstag auf dem Instagram-Kanal der Nachwuchsorganisation der Grünen veröffentlicht wurde, sprach die 26-Jährige davon, dass seit dem 7. Oktober 2023 „über 50.000 PalästinenserInnen und 1200 Israelis bei militärischen Operationen umgekommen“ seien.
Damit verharmloste sie die Terrorattacke der radikal-islamischen Hamas als „Militäroperation“. Zudem unterschlug sie, dass die palästinensischen Terroristen vor allem Massaker an Zivilpersonen verübten, von einer Attacke auf militärische Ziele also keine Rede sein kann.
Screenshots der jüngsten Aussagen teilte der Grünen-Politiker Volker Beck auf seinem X-Account – und wandte sich direkt an seine Partei: „Liebe @Die_Gruenen Israel verteufeln und Hamas verharmlosen. Das kann doch nicht ohne Folgen bleiben“, schrieb er.
Inzwischen ist das Video gelöscht und ein neues veröffentlicht worden. Darin findet sich die Aussage zu den „Militäroperationen“ nicht mehr. Dafür ist nun ein Transparenzhinweis unter dem Video zu finden. „In einer vorherigen Version des Videos ist nicht deutlich genug geworden, dass der 7. Oktober ein antisemitischer Terroranschlag war. Wir haben die neue Version entsprechend angepasst“, heißt es.
Beck, der auch Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist, teilte auf X mit, er habe nach der Veröffentlichung des ersten Videos interveniert. Gleichzeitig bemängelt er: „Eine Bitte um Entschuldigung für Verhöhnung der Opfer des 7.10.23 habe ich nicht gefunden.“
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Gegenüber dem „Spiegel“ erklärte der Pressesprecher der Grünen Jugend, Djego Finkenstedt, wie es dazu kam, dass das Video gelöscht wurde. „Nach dem Upload des Videos wurden wir darauf aufmerksam, dass das Massaker vom 7. Oktober nicht deutlich genug als der antisemitische Terroranschlag gekennzeichnet wurde, der er ist. Wir haben die Stelle angepasst und das Video erneut mit einem Transparenzhinweis hochgeladen“, teilte er demnach mit.
In dem neuen Video kritisiert Nietzard Kanzler Friedrich Merz. Bei Podiumsdiskussionen habe sie ganz oft gehört, der CDU-Politiker sei der beste Kanzler für Israel. „Das Ding ist nur, vielleicht brauchen wir gerade keinen besten Kanzler für Israel, sondern einen Kanzler, der tatsächlich Menschenrechte ernst nimmt“, sagt die Grüne-Jugend-Ko-Chefin in die Kamera. Und Menschenrechte würden gerade im Gazastreifen massiv missachtet.
Sie erwähnt die 1,9 Millionen Menschen, die dort auf der Flucht seien und kein sicheres Zuhause mehr fänden. „Israel setzt Hunger und die Restriktion humanitärer Hilfe als Waffe gegen die Menschen im Gazastreifen ein, auch wenn die nichts damit zu tun haben“, kritisiert sie.
Sie räumt ein, dass die Hamas eine Terrororganisation ist und Menschen als Schutzschilde ausnutze. „Aber das kann doch keine Begründung dafür sein, Krankenhäuser zu bombardieren“, so Nietzard. Und die Hamas halte auch immer noch Geiseln fest, aber auch das könne doch keine Begründung dafür sein, wie gerade mit Menschen im Gazastreifen umgegangen werde.
Nietzard sorgt immer wieder für Empörung
Sie fordert eine Reaktion der Bundesregierung gegen Israel – beispielsweise Sanktionen gegen illegale Siedler im Westjordanland. Ob in Gaza ein Genozid passiere, das müssten am Ende Gerichte entscheiden, sagt sie. Merz müsse deshalb aber internationale Gerichte anerkennen. Und das bedeute auch, Israels Premierminister Benjamin Netanjahu festzunehmen, sobald er einen Fuß auf deutschen Boden setzt.
Die jüngste umstrittene Äußerung von Nietzard reiht sich in eine ganze Riege an Eklats ein. Ende Mai hatte sie auf ihrem Instagram-Profil ein Foto hochgeladen, auf dem sie mit einem Pullover zu sehen war, auf dem die polizeifeindliche Losung „ACAB“ (All cops are bastards) zu lesen war. Dazu trug sie ein Basecap, auf dem „Eat the rich“ stand. An Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gewandt fragte sie, was diese schlimmer finden würde.
Damit hatte sie in ihrer Partei einmal mehr großen Unmut auf sich gezogen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann etwa sagte, er verstehe überhaupt nicht, „was die bei uns will“. Der frühere grüne Agrarminister Cem Özdemir betonte, dass bei den Grünen falsch sei, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte vertrete.
Nietzard war nach ihrem Post und der massiven Kritik vage zurückgerudert. Sie glaube nicht, „dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, erklärt sie in einem „Stern“-Podcast mit Blick auf die Polizei. Den Pulli besitze sie „als Privatperson“, fügte sie hinzu. Einen Grund, sich zu entschuldigen, sah sie allerdings nicht, wie sie später hinterher schob.
Bereits im Januar war sie mit einer umstrittenen Äußerung aufgefallen. Nach mehreren Unfällen in der Silvesternacht schrieb sie auf X: „Männer die ihre Hand beim Böllern verlieren können zumindest keine Frauen mehr schlagen.“ Später löschte sie den Post und bat um Entschuldigung. Nietzard ist erst seit Oktober 2024 Ko-Sprecherin der Grünen Jugend – gemeinsam mit Joakob Blasel.