Der befürchtete Eklat bleibt aus: Trump macht es Merz mit seinen Monologen leichter als erwartet

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Washington, Weißes Haus, Oval Office, Donnerstagmittag: Erst ein paar Momente lang sitzen Donald Trump und Friedrich Merz zusammen, schon kommt Trump auf Angela Merkel zu sprechen. Trump wird nach dem neuen Einreise-Stopp für Bürger diverse Länder gefragt, als er sogleich den Bogen zu Merz’ Vor-Vorgängerin findet.

„Tausende Mörder“ seien in die USA gekommen, sagt Trump und verweist auf eine ähnliche Lage in Deutschland, indirekt bezieht er sich damit auf Angela Merkels Flüchtlingspolitik. „Ihr habt Eure Schwierigkeiten“, sagt Trump, „aber das ist nicht Deine Schuld“. Er habe das „ihr“ gesagt, sagt Trump. Mit „ihr“ meint Trump Angela Merkel, mit der ihn ein zerrüttetes Verhältnis verband. Später wird Trump noch einmal auf Merkel zu sprechen kommen.

Rund 40 Minuten sitzen Trump und Merz vor dem ikonischen Kamin im Oval Office, auf dem Sofa daneben Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio. Merz war am frühen Donnerstagmorgen zu seinem Antrittsbesuch in Washington eingetroffen. Nach etlichen Telefonaten trafen Trump und Merz am Donnerstag erstmals persönlich zusammen.

Trump hat einen Redeanteil von wohl 90 Prozent

Während Trump seit einigen Wochen auf reguläre Pressekonferenzen mit seinen Staatsgästen verzichtet, bevorzugt er das Format vor dem Kamin, bei dem er selbst die Fragesteller aufruft. Sollte Merz damit gerechnet haben, dass Trump einen Redeanteil von 80 Prozent einnehmen sollte, hat er den Darstellungsdrang seines Gastgebers unterschätzt. Trump hat einen Redeanteil von wohl 90 Prozent, vielleicht gar noch mehr.

Trump setzt immer wieder zu ausgiebigen Ausführungen an, etwa über die Unfähigkeit seines Vorgängers Joe Biden, dessen Vorliebe für Signier-Automaten oder die von ihm „gestohlene“ Präsidentschaftswahl 2020. Merz verfolgt derlei Darlegungen regungslos, richtet zuweilen seine Brille oder stützt das Kinn auf seinen linken Arm. Er zeigt Geduld, geradezu stoisch, nicht immer eine Stärke des Kanzlers.

Nur wenige Stunden vor dem Termin hatte das Weiße Haus den Ablauf noch einmal umgekrempelt. Anfangs war zunächst ein Mittagessen geplant gewesen, erst danach der presse-öffentliche Auftritt im Oval Office. Am Donnerstagmorgen drehte das Weiße Haus diese Abfolge um. Noch während des 6900-Kilometer-Fluges in der Nacht auf Donnerstag wusste Merz’ Delegation nicht, ob Vizepräsident Vance an dem Treffen teilnehmen würde.

Trump hatte Merz, wie zuvor andere Staatsgäste, dazu eingeladen, im traditionsreichen Blair House unweit des Weißen Hauses zu übernachten. Um 11.38 Uhr fährt Merz vor dem West Wing des Weißen Hauses ein, wird dort von Trump freundlich in Empfang genommen.

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Zehn Minuten später sitzen beide im Oval Office. Merz überreichte Trump die Geburtsurkunde seines Großvaters Friedrich Trumpf, geboren 1869. Friedrich Trump wuchs in Kallstadt auf, bevor er 1885 in die USA auswanderte. Dort nannte er sich fortan Frederick; diese Namens-Assimilation war üblich unter Einwanderern.

Das Protokoll des Auswärtigen Amtes hatte die Urkunde im Archiv des Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer aufgetan, ließ das Dokument auf Englisch übersetzen und – wie könnte es anders sein für Trump? – in Gold rahmen. An einem „Ehrenplatz“ werde er das Geschenk aufhängen, sagte Trump. Zu Merz’ Wahl zum Kanzler sagt er: „Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen gratulieren.“

Friedrich Merz und Donald Trump im Oval Office.

© imago/UPI Photo/IMAGO/Chris Kleponis

Der Kanzler sei ein „sehr respektierter Mann“ und habe „eine tolle Wahl“ gewonnen, sagt Trump. Er freue sich, den Kanzler zu treffen. Merz sei „schwierig“, aber ein großartiger Vertreter Deutschlands. Und das mit dem „schwierigen Mann“, das sei positiv gemeint. Merz würde kaum „wollen, dass ich sage, dass er einfach ist, oder?“  

Merz verweist auf seinen ersten Besuch im Weißen Haus 1982, zur Zeit Ronald Reagans. Wiewohl Merz nie in den USA studiert hat, war der Transatlantiker, einstige Blackrock-Mitarbeiter und frühere Vorsitzende der Atlantik-Brücke rund 150 Mal zu Besuch in den USA „Wir haben in unserer Geschichte so viel gemeinsam. Wir verdanken den Amerikanern viel. Das werden wir nie vergessen“, sagt Merz. „Ja“, kommentiert Trump zustimmend.

Während Merz sich kürzlich auf dem WDR-Europaforum darüber mokierte, wie oft Trump das Wort „great“ verwende, charakterisiert er selbst das Gästehaus, in dem er übernachtet hatte, als „great“. Trump nennt es, für seine Verhältnisse fast bescheiden, „wunderbar“ und „schön“.

Trump spricht auch über Musk

Die Fragen der amerikanischen Journalisten bezogen sich weniger auf die Ukraine oder gar Deutschland, geschweige denn Merz. Ihnen geht es um den jüngsten US-Einreisestopp, das jüngste Telefonat Trumps mit Xi Jinping oder dessen Verhältnis mit Elon Musk.

Wiederwohl verbreitet Trump gleich zweimal die Unwahrheit, er habe die deutsch-russische Gas-Pipeline Nordstream 2 gestoppt. An Merz gewandt, spricht er von einem Handels-Deal, verwies auf die reichen US-Öl- und Gasvorkommen. Er habe das Nordstream-Projekt nie verstanden, sagt Trump, und nennt in diesem Zusammenhang den Namen Angela Merkel. Unter Merkel war das Projekt vorangetrieben worden. Merz nannte es einen Fehler, und Trump sagt, ihm gefalle diese Aussage.

„Ja“, antwortet Trump auf die Frage eines Journalisten, ob die in Deutschland stationierten US-Truppen dort blieben. Von 45.000 Soldaten spricht Trump, „eine Menge“.

Merz spricht fast durchgängig Englisch, und lässt sich von Trump für seine Sprachbegabung loben. Der Kanzler erinnert an den D-Day am 6. Juni 1944, um auf diese Art und Weise die Wichtigkeit amerikanischen Engagements in Europa zu betonen. „Das war kein angenehmer Tag für Euch“, sagt Trump. Merz indes erinnert daran, dass dieser Tage zur Befreiung von der Nazi-Herrschaft geführt habe, was Trump wiederum bestätigt.

Der Kanzler umgarnt Trump

Dem Kanzler gelingt es einerseits Trump zu umgarnen und auf der anderen Seite, vor allem beim Thema Ukraine, auf eine entschiedene Antwort auf Putin zu drängen.

„Wir alle suchen nach Instrumenten, um diesen Krieg zu beenden. Amerika ist in einer sehr starken Position, etwas zu tun. Lassen Sie uns darüber reden, was wir gemeinsam tun können“, sagt Merz: „Wir sind bereit, das zu tun, was wir können. Wie Sie wissen, suchen wir (die EU) nach mehr Druck auf Russland“.

Trump sei, sagt Merz, „die Schlüsselperson in der Welt“, die diesen Krieg beenden könne, „indem sie Druck auf Russland ausübt“. Während Trump sehr allgemein über die Schrecken des Krieges, einem „Blutbad“ und erschütternden Satellitenaufnahmen vom Schlachtfeld spricht, mahnt Merz, nicht Russland und die Ukraine gleichzusetzen. Er verweist beispielsweise auf die Entführung ukrainischer Kinder durch Russland, auf eine völlig andere Strategie der Ukrainer. „Die Ukraine zielt nur auf militärische Ziele und nicht auf Zivilisten“.

Am Ende der rund 40 Minuten ist er in Berlin befürchtete Eklat ausgeblieben. Nicht einmal die Meinungsfreiheit in Deutschland stellte Trump infrage. Merz’ Leute hatten sich auf alle Eventualitäten eingestellt. Doch am Donnerstag macht es der Präsident mit seinen Monologen seinem Gast leichter als erwartet und befürchtet.

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