Für Friedrich Merz beginnt das Wochenende in aller Frühe. Weil der Bundeskanzler 7300 Kilometer von Anchorage entfernt in Berlin weilt, wird er über die Ergebnisse des Gesprächs zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin erst im Morgengrauen informiert. Immerhin ist es der US-Präsident persönlich, der die europäischen Partner in Kenntnis setzt. Trotzdem ist Merz beim Alaska-Gipfel nur weit entfernter Zaungast.
Dabei hatte Merz in den vergangenen Tagen viel investiert, um die Rolle Europas und der Ukraine vor dem Treffen von Trump und Putin zu stärken. Er ist es gewesen, der ein digitales Vorbereitungstreffen der wichtigsten westlichen Staats- und Regierungschefs organisiert hatte, bei dem die Verbündeten Trump ihre Bedingungen klargemacht hatten. Für die Schaltkonferenz war eigens der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, nach Berlin eingeflogen worden. Ein entschlossenes Bild der Geschlossenheit.
Ein bisschen weniger wäre auch genug gewesen.
Bundeskanzler Friedrich Merz über die Bilder aus Alaska
Doch es sind die Bilder aus Anchorage drei Tage später, die wohl in die Geschichte eingehen dürften. Trump, der Putin den roten Teppich ausrollt, dem russischen Präsidenten applaudiert und mit ihm zusammen im gepanzerten Präsidentenwagen davonfährt. Dass Putin, gegen den noch immer ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof vorliegt, mit allen Ehren in den USA empfangen wird, irritiert Kiew, Paris, Berlin und London.
„Ein bisschen weniger wäre auch genug gewesen“, sagte Merz am Samstagabend in der ARD. Und doch hätte es schlimmer kommen können, so die Einschätzung im Kanzleramt. „Das Gute ist: Es gibt eben keine Zugeständnisse von Donald Trump im Hinblick auf das Territorium“, sagte Merz.
Ähnlich hatte bereits ein gemeinsames Statement der Europäer geklungen, das am Samstagmorgen nach einem weiteren digitalen Treffen, das offenbar aus dem Kanzleramt organisiert wurde, zügig geeint worden war. Man begrüße die Bemühungen Trumps, das Töten in der Ukraine zu beenden, heißt es in einer Erklärung, die von den Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Finnland, Großbritannien, Polen sowie dem Präsidenten des Europäischen Rates und der EU-Kommissionspräsidentin unterzeichnet wird.
Darin erneuern sie ihre Forderung, dass die Ukraine bei den Friedensverhandlungen beteiligt wird. Man arbeite auf einen trilateralen Gipfel mit Selenskjy mit „europäischer Unterstützung“ hin, heißt es in der Erklärung. Es ist erneut der Versuch der Europäer, eine Rolle in der Weltpolitik zu bekommen.
Hat Trump der Ukraine Nato-ähnliche Garantien angeboten?
Noch zentraler ist jedoch die Forderung nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine. „Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Ukraine unumstößliche Sicherheitsgarantien benötigt, um ihre Souveränität und territoriale Integrität wirksam zu verteidigen“, heißt es in der Erklärung. Man begrüße Trumps Erklärung, dass die USA dazu bereit seien.
Wo Trump diese Erklärung abgegeben hat, ist zunächst unklar. Tatsächlich hatten die Amerikaner in den vergangenen Monaten mögliche Sicherheitsgarantien abgelehnt. Das sei Aufgabe der Europäer, hieß es dazu aus Washington. Nun also die Kehrtwende?
Manches deutet darauf hin. Die Nachrichtenagentur AFP meldet am Samstag unter Berufung auf ukrainische Kreise, dass die USA gegenüber Kiew Nato-ähnliche Sicherheitsgarantien angeboten habe, ohne dass das Land dem Militärbündnis beitreten würde. Für Selenskyj und auch für Friedrich Merz wäre das ein wichtiger Erfolg.
© IMAGO/Political-Moments/imago
„Die Sicherheitsgarantien müssen nach der gemeinsamen europäischen Vorstellung ein ganz zentrales Element einer Verständigung sein“, heißt es aus Regierungskreisen. „Schöne Worte“, etwa ein Gesetz der russischen Duma, würden nicht reichen. Es brauche materielle und greifbare Zusagen.
Die Skepsis gegenüber Putin bleibt groß. Es sei weiter denkbar, dass Russland nur auf Zeit spiele. Daher will man in Europa den Druck gegenüber dem Kreml aufrechterhalten. „Wir werden die Sanktionen und weitere wirtschaftliche Maßnahmen weiter verschärfen, um Druck auf Russlands Kriegswirtschaft auszuüben, bis ein gerechter und dauerhafter Frieden erreicht ist“, heißt es in der Erklärung.
Es ist Zeit für einen Churchill-Moment der Europäer.
Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter fordert mehr Unterstützung für die Ukraine.
Was konkret damit gemeint ist, bleibt unklar. 18 Sanktionspakete hat die EU bereits gegen Russland verabschiedet, zu einem spürbaren Kurswechsel konnten sie Putin jedoch nicht bewegen.
Und so gibt es am Tag nach dem Gipfel von Alaska auch Stimmen, die noch mehr Härte gegen Russland fordern. „Es ist Zeit für einen Churchill-Moment der Europäer. Wenn die Amerikaner die Seiten gewechselt haben, müssen wir uns deutlich stärker für die Ukraine einsetzen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Er forderte, die Rüstungsindustrie aufzustocken, die russische Schattenflotte zu stoppen, russische Vermögen der Ukraine zur Verfügung zu stellen und ukrainische Soldaten am Taurus auszubilden.
Auch der frühere SPD-Chef und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel warnte davor, die Ukraine dürfte nicht auf der „Speisekarte der beiden Großmächte USA und Russland“ landen. Das heiße aber, Deutschland müsse sich darauf einstellen, „dass zumindest vorerst die finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine eher zunehmen muss, als geringer zu werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Ob Friedrich Merz dazu bereit ist, bleibt auch nach dem Alaska-Treffen zunächst unklar.