Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.
Wichtige Updates
Linnemann schreibt Brief an CDU-Mitglieder: "Stimmung nicht so gut"
Pakistan nimmt etwa 280 Afghanen aus deutschen Aufnahmeprogrammen fest
Stegner warnt: „Neuauflage der Agenda 2010 wäre furchtbar“
Weimer: Keine Kürzung öffentlicher Zuschüsse wegen Genderns
Özdemir fordert Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche unter 16
Umfrage: 68 Prozent rechnen 2026 mit AfD-Ministerpräsident
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung erwartet laut einer Umfrage, dass die AfD nach den Landtagswahlen im kommenden Jahr mindestens in einem Land erstmals einen Ministerpräsidenten stellt. Das geht aus einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa für die Bild am Sonntag hervor. 2026 sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern geplant.
43 Prozent der Befragten rechnen der Umfrage zufolge damit, dass die AfD in mindestens einem Bundesland den Ministerpräsidenten stellen wird. 25 Prozent gaben an, dass sie erwarten, dass die AfD in mehreren Bundesländern den Ministerpräsidenten stellen wird. 19 Prozent glauben nicht an einen Regierungschef von der AfD, 13 Prozent wissen es nicht oder äußerten sich nicht. Mit Blick auf eine mögliche Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und AfD gaben 47 Prozent der Befragten an, die Union solle diese weiterhin konsequent ausschließen. 40 Prozent sprechen sich demnach gegen die sogenannte Brandmauer zur AfD aus. Die CDU lehnt laut einem Unvereinbarkeitsbeschluss aus dem Jahr 2018 Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch der Linken ab.
Die AfD-Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg gelten als gesichert rechtsextrem. In Brandenburg klagt die Partei gegen diese Einstufung. Der Verfassungsschutz hat die AfD auf Bundesebene offiziell als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Bis ein Gericht diese Einstufung bestätigt, ist sie rechtlich noch nicht wirksam – die AfD bleibt formal weiterhin ein Verdachtsfall.
Linnemann schreibt Brief an CDU-Mitglieder: "Stimmung nicht so gut"
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat in einem Brief an alle Parteimitglieder eine gemischte Bilanz der ersten Monate in der schwarz-roten Koalition gezogen. "In diesem Sommer habe ich viel über die aktuelle Stimmungslage in unserem Land nachgedacht. Wir müssen ehrlich sein: Die Stimmung ist derzeit nicht so gut, wie wir uns das gewünscht haben", schreibt Linnemann in dem Brief, über den zuerst Bild berichtete und der auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
"Ob etwa bei der Stromsteuer oder bei der Wahl der Bundesverfassungsrichter, die Abstimmungen zwischen Partei, Fraktion und Regierung waren nicht gut." Linnemann mahnte, der Frust darüber, dass Fehler passiert sind, sei verständlich. "Aber er darf uns nicht lähmen. Weder ist Deutschland in eine Staatskrise gerutscht, noch hat unsere Partei ihren Kompass verloren."
Linnemann forderte mehr Schnelligkeit. "Wir müssen jetzt weiter ins Machen kommen. Der Motor läuft, aber jetzt muss der Turbo eingeschaltet werden." So brauche Deutschland "eine Abschaffungsoffensive für überflüssige Gesetze". Als positives Beispiel nannte der CDU-Generalsekretär, dass das erste Finanzamt in Hessen jetzt die Steuererklärung für die Bürger übernehme. "Diese Einfach-mal-Machen-Mentalität brauchen wir in ganz Deutschland."
FDP-Chef Dürr macht Migrationspolitik zu Schwerpunkt
FDP-Chef Christian Dürr will mit dem Fokus auf die Migrationspolitik verloren gegangenes Wählervertrauen zurückgewinnen. Dem Tagesspiegel sagte Dürr: „Ich habe entschieden, dass die FDP in der Migrationspolitik einen Schwerpunkt setzen wird." Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar mit 4,3 Prozent den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. Dürr - im alten Bundestag noch Fraktionschef - führt die Liberalen seit dem 16. Mai.
„Ich verbinde Einwanderungspolitik mit der Bereitschaft zu Leistung", betonte der Parteivorsitzende. Er fügte hinzu: „Wer bei uns etwas leisten will, ist herzlich willkommen. Wer das nicht will, dem muss klar sein, dass er in Deutschland keine Zukunft haben wird. Es muss leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten."
Der Union warf Dürr einen falschen Ansatz in der Migrationspolitik vor. „Die Union will einfach nur ein bisschen weniger Migration, aber das ist der falsche Blick auf die Dinge. Es braucht die richtige Migration." In anderen Ländern, beispielsweise in Schweden, kämen drei von vier Menschen, die einwandern, in den Arbeitsmarkt. „Das müssen wir auch schaffen. Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme ist gefährlich, Einwanderung in den Arbeitsmarkt dagegen unumgänglich, um die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren", unterstrich Dürr.
Pakistan hat in den vergangenen Tagen etwa 280 Afghanen festgenommen, die auf ihre Ausreise nach Deutschland gewartet haben. Von ihnen wurden nach dpa-Informationen bereits 35 Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu: "Die Bundesregierung steht sowohl über die Deutsche Botschaft Islamabad als auch in Berlin in hochrangigem Kontakt mit der pakistanischen Regierung, um die Lage schnellstmöglich zu klären." Derzeit warten mehr als 2000 Afghanen im Rahmen der verschiedenen Aufnahmeprogramme in Pakistan auf eine Ausreise nach Deutschland. Sie sind ehemalige Ortskräfte oder gelten als besonders gefährdet. Erstes Ziel sei es, den Schutz und die Sicherheit der besonders gefährdeten Personen zu gewährleisten, heißt es aus dem Auswärtigen Amt weiter.
Nach der Machtübernahme der Taliban wurden in Deutschland verschiedene Aufnahmeverfahren für Afghanen eingerichtet. Die neue Bundesregierung von Union und SPD stoppte die Programme Anfang Mai. Unter den Afghanen in den Aufnahmeprogrammen sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 350 ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen mit ihren Angehörigen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik, dass sich die Aufnahmeverfahren zu lange hinzögen.
Pakistan hatte Ende 2023 mit der Massenabschiebung unregistrierter afghanischer Flüchtlinge begonnen. Seit April weist das Land auch registrierte Menschen aus. Langfristig plant Islamabad die Ausweisung von drei Millionen Afghaninnen und Afghanen. Beobachtern zufolge will Pakistan mit den Massenabschiebungen den Druck auf die islamistischen Taliban in Afghanistan erhöhen.
Seit einem Jahr sitzt Naqibullah Shahoo mit seiner Familie in einem Zimmer in Pakistan fest. Er gehört zu den Afghanen, deren Aufnahmezusage für Deutschland von der Merz-Regierung blockiert wird (SZ Plus):
Grünen-Innenpolitiker: Dobrindts Asyl-Fokus ist gefährlich
In seinen ersten 100 Tagen im Amt hat sich Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) aus Sicht der Grünen zu sehr auf irreguläre Migration konzentriert und dabei andere Aufgaben wie die Spionageabwehr vernachlässigt. „Der ständige Fokus auf Migration und Asyl spielt vor allem der AfD in die Karten und die wahren Gefahren für die Sicherheit im Land sind ein blinder Fleck in Dobrindts Politik“, kritisiert der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich.
Angesichts der zahlreichen ernsthaften Herausforderungen wie Rechtsextremismus, Islamismus, Spionage und Attacken auf die kritische Infrastruktur sei „Dobrindts eindimensionales Verständnis von Innenpolitik verantwortungslos für die Sicherheit im Land“.
Auch gegen Angriffe auf Frauen und queere Menschen sowie gegen rechtsextremistische, antisemitische und rassistische Gewalt habe der Minister bislang nichts unternommen, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Damit sich alle Menschen sicher fühlen könnten und die Demokratie wehrhafter werde, müsse Dobrindt seine Schwerpunkte so bald wie möglich neu setzen.
Stegner warnt: „Neuauflage der Agenda 2010 wäre furchtbar“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner warnt seine Partei eindringlich davor, bei den anstehenden Sozialreformen die Fehler der Agenda 2010 des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zu wiederholen. „Eine Neuauflage der Agenda 2010 wäre furchtbar“, sagte Stegner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Durch die Agenda 2010 habe die SPD in ihrer Stammwählerschaft massiv verloren. Stegner gehört dem linken Flügel seiner Partei an. „Sie war nicht komplett falsch. Aber das Problem war, dass suggeriert wurde, dass alle Leistungsempfänger selbst schuld sind an ihrer Lage. Das war respektlos, genauso wie der Umgang mit den Kritikern in den eigenen Reihen. Der Applaus, den es gab, kam von der falschen Seite“, betonte Stegner. Es müsse bei Reformen auf Gerechtigkeit geachtet werden. „Wenn die Leute den Eindruck haben, es geht ungerecht zu, wenn Abstiegsängste geweckt werden, ist das lebensgefährlich für die SPD“, sagte der SPD-Linke.
Im März 2003 hatte der damalige Kanzler Schröder als Antwort auf die wirtschaftliche Schwäche des Landes als Agenda 2010 bezeichnete umfassende Arbeitsmarkt- und Sozialreformen angekündigt. Damals regierten SPD und Grüne zusammen. Viele SPD-Wähler nahmen der Partei die harten Einschnitte viele Jahre lang übel. Die Union nimmt bis heute bei ihren Forderungen zu Reformen immer wieder Bezug auf die Agenda 2010. Von Herbst an sollen nach dem Willen der schwarz-roten Koalition Kommissionen Vorschläge zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme machen.
Auch die Gewerkschaften warnen die Koalition. „Wer wahllos die Axt an die sozialen Sicherungssysteme legt, gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Stefan Körzell, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er warf der Union vor, sich einseitig auf das Bürgergeld zu fokussieren. Stattdessen müsse man endlich eine Debatte über die gewachsene „ökonomische Ungleichheit“ führen, etwa wie „Reiche und Superreiche einen höheren Beitrag zur sozialen Ausgewogenheit unseres Landes leisten können“. Körzell fügte hinzu: „Es wäre vor allem Aufgabe der Sozialdemokratie, das mehr in den Fokus zu rücken.“
Warum Menschen, die beruflich schlechter dastehen als ihre Eltern, signifikant häufiger rechtspopulistische Parteien wählen, lesen Sie hier mit SZ Plus:
Weimer: AfD und Linke "gleichermaßen schlecht für Deutschland"
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer plädiert für eine Brandmauer sowohl zur AfD als auch zur Linken. "Wir sollten schauen, dass wir Linkspartei und AfD tunlichst aus der Macht und dem politischen Entscheidungszentrum der Republik fernhalten - mit allen demokratischen Mitteln, die wir haben", sagte der Parteilose den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Beide Parteien seien "gleichermaßen schlecht für Deutschland".
Die Linkspartei sei "nicht irgendeine linke Gruppierung, sondern die direkte Rechtsnachfolgerin der SED - der Partei der Mauerbauer und Folterknechte in der DDR". Sie sei "natürlich eine andere Kategorie als die AfD, aber sie will auch eine andere Republik", sagte Weimer. "Wir sollten im Parlament Entscheidungen suchen, für die wir die Zustimmung von AfD oder Linkspartei gar nicht brauchen."
Weimer: Keine Kürzung öffentlicher Zuschüsse wegen Genderns
Museen, Stiftungen oder Rundfunkhäuser müssen nach den Worten von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer nicht um ihre öffentliche Förderung fürchten, wenn sie weiter Gendersprache verwenden. "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun", sagte der 60-jährige parteilose Politiker der Funke Mediengruppe.
Doch bekräftigte Weimer: "Ich empfehle halbstaatlichen oder öffentlichen Institutionen, die Regelsprache zu verwenden anstatt ideologischer Kunstsprachen." 60 bis 80 Prozent der Menschen in Deutschland seien gegen Gender-Sprechformen. "Das sollte man respektieren, wenn man im öffentlichen Auftrag oder mit öffentlichen Geldern kommuniziert", sagte Weimer. Allerdings sei das nur "eine Empfehlung, keine Anweisung".
Auf die Frage, was passiere, wenn Museen oder Stiftungen seiner Empfehlung nicht folgten, entgegnete er: "Dann folgen sie meiner Empfehlung eben nicht - und entfremden sich von ihrem Publikum."
Krise in der Koalition: Merz trifft sich mit Vertrauten im Kanzleramt
Nach dem Wirbel um die misslungene Richterwahl und die umstrittene Entscheidung zu einem Teilexportstopp für Rüstungsgüter an Israel hat Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz die CDU-Spitze zu einem Gespräch ins Kanzleramt geladen. Nach 100 Tagen im Amt gehe es um die Lage und Zusammenarbeit in der Koalition mit der SPD sowie die Stimmung in der Bevölkerung, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur. Zuerst hatte die Bild-Zeitung über das Treffen berichtet.
An dem für 21 Uhr angesetzten Treffen im Kanzleramt nahmen demnach CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sowie die stellvertretenden Parteivorsitzenden Karin Prien, die auch Bundesbildungsministerin ist, sowie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Agrarstaatssekretärin Silvia Breher und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann teil.
Aus dem Umfeld von Merz hieß es, der Kanzler treffe sich regelmäßig mit seinen stellvertretenden Parteivorsitzenden. Natürlich werde dabei über die aktuelle Lage diskutiert. Ein Regierungssprecher sagte der dpa, der Kanzler sei zur Vorbereitung der am Mittwoch geplanten Videoschalten zur Ukraine, unter anderem mit US-Präsident Donald Trump, im Kanzleramt und auf Abruf für entsprechende Vorgespräche. Bei dieser Gelegenheit habe er sich mit einigen Personen aus seinem Führungsumfeld ausgetauscht.
Lesen Sie mit SZ Plus: 100 Tage Merz - ein Drama in sieben Akten.
Umfrage: Zwei Drittel unzufrieden mit Arbeit des Kanzlers
Rund 100 Tage nach Start der Koalition ist einer neuen Umfrage zufolge nicht einmal jeder Dritte mit der Arbeit von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zufrieden. Laut einer Forsa-Umfrage für RTL/ntv äußerten sich nur 29 Prozent der Befragten entsprechend. 67 Prozent sind demnach unzufrieden mit der Arbeit des Kanzlers.
Auch die Union hat demnach Zustimmung eingebüßt: Sie verliert laut der Befragung im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt und liegt aktuell bei 24 Prozent - und damit hinter der AfD mit 26 Prozent (+1). Koalitionspartner SPD stagniert bei 13 Prozent. Die Grünen gewinnen einen Punkt dazu und landen bei ebenfalls 13 Prozent. Die Linke verliert leicht (-1) und kommt auf 11 Prozent.
Einer weiteren Befragung des Instituts Ipsos zufolge ist auch der Blick in die Zukunft unter Merz insgesamt pessimistisch. Nur knapp ein Viertel (23 Prozent) der Deutschen sind demnach auf Basis der ersten Amtszeit zuversichtlich, dass der Bundeskanzler die richtigen Weichen für die Zukunft stellt. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) äußerte sich den Angaben zufolge pessimistisch, 21 Prozent waren unentschieden.
Özdemir fordert Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche unter 16
Social-Media-Plattformen wie Tiktok oder Instagram sollten nach Ansicht des Grünen-Politikers Cem Özdemir für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren verboten werden. „Wir lassen Jugendliche auch nicht einfach ohne Führerschein hinters Steuer. Es gibt Fahrstunden und ein schrittweises Ranführen. So müssen wir es auch mit den sozialen Medien halten“, sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. „Darum halte ich eine Altersgrenze für Tiktok und andere soziale Medien für richtig. Diese sollte bei 16 Jahren liegen.“
Özdemir plädiert vor allem für ein Verbot der unbegleiteten Nutzung. Kinder und Jugendliche müssten einen verantwortungsvollen Umgang mit Smartphones und Medien lernen. „Aber das muss eben eng begleitet werden.“ Schon im frühen Alter sei Medienbildung sehr wichtig.
„Wenn die Betreiber von diesen Programmen ihren eigenen Kindern den Umgang damit verbieten, sollten bei uns allen die Alarmglocken läuten“
Grünen-Politiker Cem ÖzdemirEr habe sich kürzlich mit Jugendlichen getroffen, die ihm gesagt hätten, dass ihnen klare Regeln helfen würden und sie mit dem, was da in den Netzwerken auf sie einprassele, oft überfordert seien. Das Argument, dass man Altersgrenzen nicht wirksam kontrollieren könne, will der ehemalige Bundesagrar- und Bundesbildungsminister nicht gelten lassen. Das sei eine Frage des politischen Willens. „Dann müsste man auch Alkohol für alle freigeben. Es fordert doch auch kein normaler Mensch, dass wir erlauben, dass Kleinkinder Alkohol trinken.“
Die Forderung nach einem Social-Media-Verbot ist nicht neu. Anfang Juni hatte sich auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für ein Verbot von Tiktok, Instagram und Facebook für unter 16-Jährige ausgesprochen.
Wiesheu: „Merz hat absolut Recht“
Der langjährige bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) hat die Entscheidung von Bundeskanzler Friedrich Merz, die Lieferung bestimmter Waffen an Israel auszusetzen, begrüßt und an die Union appelliert, die Realität in Gaza und im Westjordanland zur Kenntnis zu nehmen. „Friedrich Merz hat absolut Recht“, für seine Entscheidung sei es „höchste Zeit“ gewesen, sagte Wiesheu der SZ. Wiesheu ist seit 2007 Präsident der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft (nicht zu verwechseln mit der älteren Deutsch-Arabischen Gesellschaft, die aber seit Jahren an Bedeutung verloren hat) und gehört damit zu den besten Kennern des Nahen Ostens in der Union.
Wiesheu sagte, viele arabische Länder hätten Verständnis für das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel auf Grund der deutschen Geschichte. „Aber man kann die Augen nicht davor verschließen, was in Gaza und im Westjordanland passiert“, sagte Wiesheu. „Das ist völkerrechtswidrig“, für Hungersnot und Gewalt gebe es „keine Rechtfertigung“. Wiesheu warnte vor ein Ansehensverlust Deutschlands in der arabischen Welt. „Weil sich Deutschland so einseitig verhält, verliert es an Respekt und Glaubwürdigkeit“.
Spahn: Merz' Entscheidung ist "vertretbar"
Fast auf die Minute genau 72 Stunden nach der Entscheidung des Kanzlers, die Lieferung von Waffen an Israel auszusetzen, die auch im Gazastreifen eingesetzt werden können, hat sich nun erstmals Jens Spahn öffentlich dazu geäußert, der Chef der Unionsfraktion im Bundestag. Er stimmt nicht in den Chor der parteiinternen Kritiker ein, verteidigt den Beschluss aber auch nur recht unleidenschaftlich als "vertretbar". Wörtlich sagt er in einem Statement auf Instagram, dass die humanitäre Lage im Gazstreifen Friedrich Merz in einer schwierigen Abwägung "zu der vertretbaren Entscheidung bewogen" habe, die Lieferung "bis auf Weiteres" auszusetzen. Zugleich macht er deutlich, dass das eine Entscheidung des Bundeskanzlers und der Regierung gewesen sei, nicht der die Koalition tragenden Fraktionen.
Spahn war nach allem, was bekannt ist, nicht in die Entscheidung eingebunden, genauso wie weite Teile der Führug von CDU und CSU. Dort ist nun der Unmut groß. Nach Boris Rhein (Hessen) hat sich in Gestalt von Dennis Thering (Hamburg) inzwischen auch ein zweiter CDU-Landeschef gegen Merz positioniert: Dessen Entscheidung sei falsch, und deren Kommunikation lasse "zu wünschen übrig".
Spahn sagt, es sei gut, dass Merz klar gemacht habe, dass es keinen grundlegenden Wandel in der deutschen Israel-Politik gebe. Er hoffe, dass Deutschland die Lieferungen "so bald wie möglich wieder aufnehmen" könne.
„Die Unionsfraktion ist und bleibt ein enger Freund Israels und des jüdischen Volkes.“
Jens Spahn, Vorsitzender der CDU/CSU-BundestagsfraktionHessischer CDU-Ministerpräsident Rhein für militärische Unterstützung Israels
In der Debatte über den Teilstopp von Rüstungsexporten nach Israel plädiert der hessische CDU-Chef Boris Rhein für eine weitere militärische Unterstützung des Landes. „Die Terrororganisation Hamas stellt man nur im Kampf, nicht am Konferenztisch“, schreibt der hessische Ministerpräsident auf der Plattform X. „Wir müssen Israel deshalb weiter ausrüsten, um diesen Kampf zu führen, die Hamas zu besiegen und den Terror zu beenden.“ Der Schutz der Zivilbevölkerung und die humanitären Hilfen für die Menschen in Gaza müssten dabei gewahrt werden.
Die CDU Hessen stehe uneingeschränkt an der Seite Israels, erklärte Rhein, und unterstütze das Recht auf Selbstverteidigung des Landes.“ Dazu gehöre auch „sehr klar, Israel militärisch zu unterstützen“.
Damit positioniert sich Rhein indirekt gegen Kanzler Friedrich Merz – in der Öffentlichkeit als erster Ministerpräsident und Landesparteichef der CDU. Allerdings stellt er dies anders dar und verweist darauf, dass Merz‘ seinen eigenen Beschluss inzwischen als gar nicht so folgenreich darstellt: „Ich begrüße ausdrücklich, dass der Kanzler klargestellt hat, dass es keinen Wechsel in der deutschen Israel-Politik gibt, und ich unterstütze das Engagement der Bundesregierung für humanitäre Hilfe in Gaza“, schreibt Rhein. Das israelische Außenministerium teilte seinen Post.
Merz erläutert Gründe für Rüstungsentscheidung
Der von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verkündete teilweise Stopp von Rüstungsexporten an Israel hat in der Praxis möglicherweise nur geringe Auswirkungen. In einem Sechs-Punkte-Papier für den CDU-Bundesvorstand weist Merz darauf hin, dass schon bisher Waffen und Munition, die im Gazastreifen genutzt werden, nicht an Israel geliefert würden. „Die Entscheidung über weitere Rüstungsgüter ist ausdrücklich auf einen möglichen Einsatz in Gaza beschränkt; sie stellt auf die derzeitigen, dort herrschenden Umstände ab“, heißt es weiter. Das Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor. Zuerst hatte die Bild darüber berichtet.
In dem Papier heißt es außerdem: „Es gibt Einsatzbereiche, die diese Formulierung nicht abdeckt. Das gilt etwa für Rüstungsgüter der Luft- und Seeverteidigung, die zentral für die Selbstverteidigung Israels sind.“
In dem Schreiben erläutert Merz die grundsätzliche Haltung der Regierung gegenüber Israel, ihre Position zum Gaza-Krieg und seine Beweggründe für die Ankündigung vom vergangenen Freitag, dass man vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmige, „die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“. Anlass sei die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts vom 7. August gewesen, die Militäroffensive im Gazastreifen beträchtlich auszuweiten und eine Belagerung der Stadt Gaza einzuleiten, schreibt Merz.
„Diese Entscheidung besorgt die Bundesregierung sehr.“ Sie berge erhebliche Risiken für die Sicherheit der noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln und drohe die bereits katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen weiter zu verschärfen. Fraglich sei, ob durch eine Ausweitung der militärischen Operationen die Chancen auf einen Waffenstillstand erhöht würden.