Wermelskirchen: Mordkommission ermittelt nach Dreifach-Brand

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Der Brandgeruch hängt auch am Tag danach noch in der Luft, trotz des Regens. Die Straße ist abgesperrt, verkohlte Trümmerteile liegen herum, durch leere Fensterhöhlen pfeift der Wind. Passanten stehen auf der autoleeren Straße, machen Fotos mit ihren Handys. Vom Dachstuhl sind nur noch einzelne Balken übrig, die in den grauen Himmel ragen. Das »Grill KEBAB Haus« im Erdgeschoss wird vielleicht nie wieder Gäste empfangen.

Die Brandruine in der Innenstadt von Wermelskirchen im Bergischen Land, nördlich von Köln, ist einsturzgefährdet. Das Mehrfamilienhaus ist eins von drei Wohnhäusern, in denen es am frühen Samstagmorgen gebrannt hat. Der erste Alarm war bei der Feuerwehr um 3.55 Uhr eingegangen. Gemeldet wurde ein Dachstuhlbrand, tatsächlich entstand das Feuer wohl im Keller.

 Drei Brandorte in der Nähe

Ausgebranntes Haus mit Restaurant im Erdgeschoss: Drei Brandorte in der Nähe

Foto: Armin Himmelrath / DER SPIEGEL

Knapp eine Stunde später folgte der nächste Einsatz: Auf dem Rückweg vom ersten Brand wurde die Feuerwehr von Passanten gestoppt und erneut alarmiert, berichtete die Stadt . Der zweite Brandort liegt nur rund 500 Meter vom ersten entfernt. Und etwas mehr als eine Stunde später mussten die Retter erneut ausrücken, 600 Meter weiter brannte es im Keller eines weiteren Mehrfamilienhauses. Aufnahmen von den Bränden machten schnell die Runde im Netz.

Mehr als 220 Rettungskräfte

Vier Drehleitern kamen zum Einsatz, 40 Menschen mussten insgesamt gerettet werden. Zehn Personen kamen ins Krankenhaus, mittlerweile sind alle wieder entlassen. Alle drei Häuser sind nicht mehr bewohnbar, teilte die Feuerwehr mit. Teilweise haben die betroffenen Familien überhaupt nichts retten können. »Wir hatten mehr als 220 Rettungskräfte im Einsatz«, sagte der stellvertretende Feuerwehrchef Ingo Mueller am Sonntag bei einer Pressekonferenz, »so etwas habe ich noch nie erlebt – und will es auch nie mehr erleben.«

Für Polizei und Staatsanwaltschaft hängen die drei Brände zusammen, sie gehen von Brandstiftung als wahrscheinlicher Ursache der Feuer aus. Und sie haben wegen des Verdachts des versuchten Mordes eine Mordkommission und eine BAO, eine Besondere Aufbauorganisation, eingerichtet.

Das ist bei der kriminalpolizeilichen Arbeit schon das große Besteck: Mehr als 60 Ermittlerinnen und Ermittler sind aktuell im Einsatz. »Auch der Staatsschutz ist dabei mit Beamten vertreten«, sagte Kölns Kripo-Chef Michael Esser – denn in allen drei Häusern lebten Menschen ohne deutschen Pass. Belastbare Schlüsse könne man daraus aber noch nicht ziehen: »Wir haben bisher kein Motiv in irgendeine Richtung.«

Zumindest aber erste Ermittlungsansätze: Am Sonntag habe es bereits »mehrere« Wohnungsdurchsuchungen gegeben, sagte Esser – die entscheidende heiße Spur habe sich bisher aber nicht ergeben.

Gesucht: Zwei Männer mit E-Scooter

Vor der Absperrung an dem am stärksten beschädigten Haus steht eine junge Frau, sie hat ihren Hund dabei. Am Samstagmorgen sei sie von dem Tier geweckt worden, habe dann den Feuerschein des brennenden Dachstuhls gesehen – sie selbst wohnt keine 200 Meter entfernt. »Es war schrecklich«, sagt sie, »besonders, als ich gesehen habe, wie die Kinder über die Drehleiter gerettet wurden.« Und: An Zufall glaube sie nicht, bei drei Bränden so nah beieinander in so kurzer Zeit. »Außerdem: In allen drei Häusern haben Geflüchtete oder Zugewanderte gelebt.«

 »Verstärkte Raumschutzmaßnahmen«

Ermittlungen durch Polizeibeamte: »Verstärkte Raumschutzmaßnahmen«

Foto: Roberto Pfeil / dpa

»Der Anblick hier erinnert an Solingen 1993«, sagen zwei junge Männer. Sie meinen den rassistischen Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç. Fünf Menschen wurden damals von Rechtsextremisten ermordet, das Foto des ausgebrannten Dachstuhls ging um die Welt.

Der unausgesprochene Verdacht, dass es ein rassistischer Anschlag gewesen sein könnte, hat längst die Runde gemacht in Wermelskirchen.

Immerhin: Am Samstag hat sich eine Zeugin gemeldet, sie hatte nachts in der Nähe eines Brandorts zwei männliche Personen auf einem E-Scooter beobachtet. Die Polizei sucht jetzt nach den beiden Männern, 20 bis 25 Jahre alt, einer mit »dunkler«, einer mit »heller« Hautfarbe. »Die kommen auch als Zeugen infrage, wir würden uns gern mit den beiden unterhalten«, sagte Kripo-Chef Esser.

Dass die Ermittlungen zu den drei Wohnhausbränden mehr als Routineermittlungen sind, machte er immer wieder deutlich. »Wir nehmen die Sache hier sehr ernst«, betonte Michael Esser mehrfach.

Und kündigte auch für die kommende Nacht »verstärkte Raumschutzmaßnahmen« an: mehr uniformierte Polizei als sonst, dazu Streifen in Zivil und verstärkte Kontrollen. In der Hoffnung, Wermelskirchen damit etwas Sicherheit vermitteln zu können.

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