Ein Schwerpunkt des Tauschs und Handels mit Bildern und Videos sexuellen Kindesmissbrauchs liege weiterhin in der EU, sagt der am Mittwoch von der gemeinnützigen Internet Watch Foundation (IWF) veröffentlichte Datenbericht 2024. Demnach nimmt die Verbreitung von Darstellungen zu, die mit Künstlicher Intelligenz erstellt wurden.
Insgesamt zählte die IWF im Berichtsjahr 181.112 Fundstätten im Web, im Jahr 2023 waren es 140.911. Die Inhalte von mehr als der Hälfte (62 Prozent) der Webseiten waren bei Hosting-Diensten in EU-Ländern abgelegt, im Jahr davor waren es noch 51 Prozent. Die Niederlande sind nach wie vor der am häufigsten ermittelte Standort weltweit für das Hosting, auch wenn der dortige Anteil an der weltweiten Gesamtzahl seit 2023 zurückgegangen ist.
Aus dem Jahresbericht geht ferner hervor, dass die IWF im vergangenen Jahr rekordverdächtige 291.273 Mal Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs oder damit verbundener Zusammenhänge aufgedeckt hat. Zudem enthielten 245 im vorigen 2024 verarbeitete Meldungen "verwertbare", mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Bilder sexuellen Kindesmissbrauchs. Das ist eine Zunahme von 380 Prozent gegenüber 2023.
Sinkt die Hemmschwelle?
Experten betrachten solche KI-generierten Bilder mit Besorgnis: KI hat ihnen zufolge die Fähigkeit, extrem realistische Darstellungen in großer Masse zu erzeugen, die von echten Fotos kaum zu unterscheiden seien. Dies erschwere die Identifizierung tatsächlicher Missbrauchsfälle und die Unterscheidung zwischen generiertem und authentischem Material für Ermittler und Moderatoren. Auch befürchten die Experten, der Konsum solcher KI-Bilder könnte bei Tätern zu einer Verfestigung ihrer pädophilen Neigungen führen und die Hemmschwelle für realen Missbrauch senken.
Zur Vorgehensweise erläutert die IWF: Wenn die Institution online Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs feststelle, führten geschulte Analysten eine Rückverfolgung der URL durch, um den Standort des physischen Servers zu ermitteln. Dann setzten die Experten alles daran, diesen so schnell wie möglich mithilfe von Partnern, anderen Hotlines und Strafverfolgungsbehörden aus dem Internet zu entfernen.
Versiege die Quelle, bedeute dies, dass die Aufnahmen in der Regel auch von allen verknüpften Blogs, Foren oder Hosting-Diensten entfernt würden, die darauf verlinken. Einige kriminelle Anbieter verlagerten das Hosting bewusst von Land zu Land, um dem zu entgehen. Die IWF verfolge auch diese und versuche, sie überall dort offline zu nehmen, wo sie sich befinden.
Streit über Chatkontrolle
Für IWF-Interimschef Derek Ray-Hill belegen die Zahlen, "wie dringend notwendig eine grundlegende EU-Gesetzgebung zur Bekämpfung der schädlichen Verbreitung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Internet ist". Sie sollten den EU-Staaten als Weckruf dienen, um doch noch die heftig umstrittene Verordnung zur Chatkontrolle zu beschließen.
Die polnische Ratsspitze setzt nach jahrelangen Debatten auf dauerhaft mögliche freiwillige Maßnahmen, aber keine Scan-Pflicht. Doch für diesen Vorschlag fand sie bislang keine Mehrheit. Viel wird nun von der neuen schwarz-roten Bundesregierung abhängen, nachdem die Ampel die Chatkontrolle ablehnte.
Die Befugnisse für eigene Nachforschungen hat der aktuelle britische Premierminister Keir Starmer der Institution 2014 erteilt, als er Generalstaatsanwalt war. Seitdem hat die IWF deutlich mehr Material entdeckt. Die höheren statistischen Werte müssen nicht unbedingt eine tatsächliche Zunahme der Produktion widerspiegeln, sondern können auch auf verbesserter Erkennung beruhen.
(vbr)