Unter Zauderverbot: Lydia Steier wird Intendantin der Ruhrtriennale

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Drei Jahre sind im Musik- und Theaterbetrieb keine lange Zeit. Wer Operndiven oder Starpianisten engagieren will, muss sich früh um sie bemühen, mitunter sogar mehrere Jahre im Voraus. Ohne Weitblick und ein ausgedehntes Netzwerk kommt man im internationalen Festivalbetrieb nicht weit. Lydia Steier, die 2027 die Nachfolge von Ivo van Hove als Intendantin der Ruhrtriennale antreten wird, braucht noch andere Talente: Gefragt sind Schnelligkeit und Entschlusskraft. Sie steht gewissermaßen unter Zauderverbot.

Siebzehn Jahre als Intendant?

Denn während Intendanten an Häusern mit festem Ensemble mitunter etliche Jahre im Amt verweilen, ist die Leitung der Ruhrtriennale, die seit 2002 alljährlich an spektakulären Schauplätzen wie der Bochumer Jahrhunderthalle und den Zechen Zollverein und Zollern ausgetragen wird, auf drei Jahre beschränkt. Michael Schulz, der scheidende Intendant des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier, kann demnächst auf siebzehn Amtsjahre zurückblicken. In Berlin wurde der Vertrag des seit 2017 am Berliner Ensemble amtierenden Oliver Reese soeben bis 2032 verlängert. Lydia Steier hingegen hat ebenso wie Ivo van Hove und dessen Vorgängerinnen Barbara Frey und Stefanie Carp nur drei Spielzeiten lang Gelegenheit, die Ruhrtriennale mit ihrer international ausgerichteten Mischung aus Schauspiel, Musiktheater, Tanz, Performance, Musik und bildender Kunst zu prägen und ihre eigene Handschrift zu entwickeln.

Vermutlich wird sie dabei einen Schwerpunkt aufs Musiktheater legen, denn Steier, die 1978 in Hartford, Connecticut, geboren wurde und Gesang und Regie studiert hat, gilt seit ihrem Regiedebüt am Nationaltheater Weimar im Jahr 2009 als gefragte Opernregisseurin. Sie hat unter anderem in Basel, Berlin, Dresden, Köln und Hannover inszeniert und war Gast bei den Salzburger Festspielen und den Wiener Festwochen, bevor sie als Operndirektorin nach Luzern ging. Im Ruhrgebiet und seiner Umgebung wird sie auf ein Umfeld treffen, in dem manches in Bewegung ist und manches mühselig auf der Stelle tritt. Während die Ruhrfestspiele Mitte Juni mit einer fast neunzigprozentigen Auslastung zu Ende gingen, leiden die Schauspielhäuser in Dortmund und Bochum unter Zuschauerschwund. Der Abschluss der Kölner Opernsanierung, die 2012 begonnen wurde und mehr als eine Milliarde Euro kosten wird, ist unlängst für das nächste Frühjahr angekündigt worden. Wer’s glaubt.

Im Essener Grillo-Theater soll ein heftiger Streit zwischen den beiden Intendantinnen die Atmosphäre vergiften und das Haus lähmen, und am benachbarten Aalto-Theater haben Mitglieder des Ensembles den Generalmusikdirektor des Machtmissbrauchs bezichtigt und der Intendantin vorgeworfen, sie habe ihre Fürsorgepflicht vernachlässigt und sei überdies für einen rapiden Niveauverlust des Hauses verantwortlich. Für Ina Brandes, Nordrhein-Westfalens Kulturministerin, ist Lydia Steier der „Rockstar unter den Opernregisseurinnen“. Sie entstaube das Genre Oper und mache es wieder mehrheits- und zukunftsfähig. So viel Vorschusslorbeer will verdient sein. Lydia Steier wird wissen, dass sie dabei nicht viel Zeit zu verlieren hat.

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