Es ist eine Entscheidung von historischer Tragweite: Der Bundesverfassungsschutz stuft die größte Oppositionspartei Deutschlands, die in Umfragen und in manchen Bundesländern sogar auf Platz eins liegt, als gesichert rechtsextremistisch ein. Die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegen die AfD scheinen gegeben.
Doch ausgerechnet der Mann, der über die Mehrheit für ein Verbotsverfahren maßgeblich entscheiden wird, schweigt sich seit Tagen aus. Seit der Meldung am Freitagmorgen ist Friedrich Merz abgetaucht.
Während in seiner eigenen Partei eine hitzige Debatte über den Umgang mit der AfD ausgebrochen ist, lässt der CDU-Vorsitzende jede Presseanfrage unbeantwortet. Es ist ein dröhnendes Schweigen. Und dem wohl künftigen Kanzler nicht angemessen.
Merz schlingert sein Jahren
Im Umgang mit der AfD schlingert Merz seit Jahren. In der Vergangenheit brüstete er sich damit, die AfD halbieren zu können, später drohte er gar CDU-Mitgliedern mit einem Parteiausschlussverfahren, wenn sie gemeinsam den Rechten abstimmen würden. Doch Merz setzte auch andere Töne. Im Sommerinterview 2023 stellte er die Brandmauer auf kommunaler Ebene infrage, nachdem er zuvor bereits gefordert hatte, die Union müsse „eine wirkliche Alternative für Deutschland“ sein, aber „mit Substanz“.
Es war auch Merz, der wenige Wochen vor der Bundestagswahl erstmals einen Beschluss im Bundestag herbeiführte, der nur durch die Stimmen der AfD eine Mehrheit fand. Den symbolischen Entschließungsantrag für eine schärfere Migrationspolitik hatte Merz zur Gewissensfrage erklärt.
Zuletzt hat der designierte Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, eine Debatte losgetreten, ob AfD-Kandidaten zu Ausschussvorsitzenden gewählt werden sollten. Eine Frage, die in der künftigen schwarz-roten Koalition bereits vor Amtsantritt für heftigen Streit sorgt. Friedrich Merz jedoch schwieg.
Das politische Kalkül dahinter ist offensichtlich: Merz will sich vor seiner Wahl zum Kanzler weder mit dem linken Flügel der SPD noch mit der konservativen Strömung in den eigenen Reihen anlegen. Nur zwölf Stimmen Mehrheit hat seine Koalition. Ein Scheitern im ersten Wahlgang scheint nicht ausgeschlossen. Es wäre ein historisches Debakel für Merz.
Doch vor seiner Wahl haben die Abgeordneten des Bundestags das Recht darauf, zu erfahren, wie es der künftige Kanzler mit der AfD hält. Als Oppositionschef hat Merz dem SPD-Kanzler Olaf Scholz häufig vorgeworfen, zu zögerlich und abwartend zu agieren. Es liegt nun an Merz, es besser zu machen.