Über sein Leben kann er nur in Analogien sprechen: Ein Interview mit Will Smith

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Seit er bei der Oscarverleihung 2022 den Moderator Chris Rock ohrfeigte, weil der einen Witz über seine Frau gemacht hatte, ist die Schauspielkarriere von Will Smith eingebrochen. Nun ist er zu seinen Wurzeln im Hip-Hop zurückgekehrt und kommt auf Deutschlandtournee. Ein digitales Interview mit ihm war zunächst ohne Bild angesetzt. Im virtuellen Konferenzraum meldet er sich als „Big Will“ an. Die Stimme klingt schon mal ziemlich echt und so lässig, wie er auch im Film redet. Aber damit konfrontiert, er habe sich vage ausgedrückt, schaltet er plötzlich doch die Kamera ein. „I don’t do vague“, ruft er lachend und zückt ein Notizbuch. Er habe vor ein paar Tagen eine Zeichnung angefertigt über seine Lebenssituation, sagt er und hält sie hoch. In einem kleinen Kreis steht „Fresh Prince“, in einem diesen überlappenden Kreis steht „Will Smith“, und in einem wiederum diesen überlappenden dritten Kreis steht „NEW ME“.

Vor ein paar Jahren haben Sie Ihre Autobiographie veröffentlicht, in der es um Höhenflüge und Abstürze geht – und auch viel um Reue darüber, andere verletzt oder im Stich gelassen zu haben. Ist Ihr Album „Based on a True Story“ die musikalische Version dieser Autobiographie?

Es handelt von einer anderen Phase. Die Autobiographie reichte etwa bis zu meinem 50. Lebensjahr. Also von meiner Zeit als Rapper unter dem Namen The Fresh Prince zu der als Filmstar unter dem Namen Will Smith. Das Album aber handelt von der Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling, die ich gerade durchmache.

Das klingt schön, erinnert jetzt aber auch an die eklige Szene am Ende des Films „Men in Black“ mit dem riesigen außerirdischen Insekt!

Es geht mir ja auch um den Schrecken der Veränderung.

Das Album wirkt sehr religiös, die Rap-Texte handeln von Sünde und Vergebung, und es gibt mehrere Titel, in denen ermutigend ein Prediger spricht.

Dieser Reverend ist eine Figur in meinem Werk, die schon auf einer Platte von 1989 auftaucht. Die Single war damals übrigens Nummer Eins in den Gospel-Charts. Im Hintergrund Musik von Sly and the Family Stone. Ich bin sozusagen in der Kirche aufgewachsen, das steckt für immer in mir drin.

Sly Stone ist leider jüngst gestorben, was hat er Ihnen bedeutet?

Nun, ich bin Jahrgang 1968, also war es nicht wirklich meine Musik, sondern die meiner älteren Schwester. Ich habe sie eher durch ihre Adaption in Form von Samples im Hip-Hop entdeckt, das ist meine Generation.

Betrachten Sie Ihr neues Album als eine Art Sühnewerk?

Ich richte meine Aufmerksamkeit jetzt mehr nach innen, bin in der spirituellen Phase meines Lebens.

Verstehe, Sie wollen hier vage bleiben – aber gibt es, auch wenn man jetzt nicht alles auf Ihren Ausbruch bei der Oscarverleihung reduziert, einen konkreten Bezug zu den Themen Reue und Erlösung, die im Vordergrund des Albums stehen?

Vage? Nein! Reue und Erlösung sind die falschen Analogien, mir geht es eher um Verwandlung – in etwas Flüssiges, Neues. (Hält die beschriebene Zeichnung hoch): Der Fresh Prince musste weichen, sterben für die Geburt von Will Smith. Anders gesagt: Der Schauspieler Will Smith hat meine Musikkarriere gekillt. Das neue Album steht jetzt für die sterbende, sich auflösende Figur des Will Smith. An seine Stelle tritt ein neues Ich.

In einem Song ist die Rede vom „Wasteland“. Das erinnert an T.S. Eliot oder den großen Gatsby – aber was hatten Sie dabei im Sinn?

Dieses wüste Land ist der Bereich, wo die Kreise sich überschneiden. Es ist der Ort des Zusammenbruchs, an dem das Neue wächst. Wo neuer Glaube entsteht.

Es steckt auch viel Ironie in den neuen Songs, etwa wenn es heißt, Will Smith sei nur noch relevant wegen seiner berühmten Kinder.

Ich finde, es nimmt Leuten den Wind aus den Segeln, wenn man das ausspricht, was sie Schlechtes von einem denken.

Wenn Sie demnächst nach Deutschland auf Tournee kommen, was erwarten Sie?

Ich habe das Gefühl, ich stelle mich von Neuem vor, als unbekannter Künstler. Es gibt ja viele, die waren noch gar nicht geboren, als meine frühen Alben herauskamen. Die versuche ich jetzt als neue Freunde zu gewinnen.

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