In der Türkei ist ein schwedischer Journalist wegen des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem läuft ein zweites Verfahren gegen den Mann. Die Anklage wirft ihm Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor. Wie die Anwaltsvereinigung MLSA mitteilte, sei er nicht entlassen worden, sondern weiterhin in Untersuchungshaft. Der Journalist weist in beiden Fällen die Vorwürfe zurück.
Kaj Joakim Medin war Ende März bei seiner Ankunft am Istanbuler Flughafen festgenommen worden. Der Reporter der Zeitung »Dagens ETC« hatte über die jüngsten regierungskritischen Massenproteste in der Türkei berichten wollen.
Demo in Schweden offenbar Auslöser für Anklage
Der Vorwurf der Präsidentenbeleidigung soll unter anderem im Zusammenhang mit einer Demonstration 2023 in Stockholm stehen, bei der etwa ein Bildnis von Erdoğan an der Außenseite des Rathauses aufgehängt wurde. Medin sagte laut MLSA bei Gericht aus, nie an dem Protest teilgenommen zu haben und im Ausland gewesen zu sein. Fotos, mit denen einige seiner journalistischen Texte bebildert worden waren und die ihm in dem Verfahren zur Last gelegt wurden, habe er etwa nicht selbst ausgewählt. »Meine Absicht war nie, Präsident Erdoğan zu beleidigen«, zitierte ihn MLSA.
»Jeder im Gerichtssaal hat gemerkt, dass er vollkommen unschuldig ist«, sagte der schwedische EU-Parlamentarier Jonas Sjöstedt der Nachrichtenagentur AFP im Gericht in Ankara. »Alles was er getan hat, ist journalistisch zu arbeiten.« Die Türkei liegt in der Pressefreiheits-Rangliste von Reporter ohne Grenzen auf Platz 158 von 180.
Die Inhaftierung des schwedischen Journalisten weckt Erinnerungen an den Fall des deutschen Journalisten Deniz Yücel, der 2017 während seiner Tätigkeit als Auslandskorrespondent der »Welt« festgenommen worden war und monatelang im Gefängnis saß.