Wo proklamierten die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit von Großbritannien? Welcher Fluss ist der längste der USA? Womit stopft man an Thanksgiving den Truthahn? Die richtige Beantwortung solcher und ähnlichen Fragen vor laufender Kamera und live ausgestrahlt in amerikanische Wohnzimmer könnten demnächst darüber entscheiden, ob einem Einwanderer eine beschleunigte Einbürgerung in die Vereinigten Staaten zugestanden wird, oder nicht. Womöglich wird der Kandidat auch zeigen müssen, ob er weiß, wie man mit einem Lasso umgeht oder was ein Quarter Pounder ist. Vielleicht wird er aufgefordert, die Grundregeln von Baseball zu erklären – oder er wird selbst ein Match spielen müssen.
Nach übereinstimmenden Medienberichten prüft das US-Heimatschutzministerium die Beteiligung an einer möglichen Reality-TV-Show, in der Einwanderer um eine beschleunigte Einbürgerung konkurrieren sollen. Wie unter anderem CNN, die „New York Times“ und das „Wall Street Journal“ berichteten, liegt dem Ministerium eine entsprechende Anfrage des Produzenten Rob Worsoff vor. Ministeriumssprecherin Tricia McLaughlin erklärte, das Konzept befinde sich in einer frühen Prüfphase. Eine Entscheidung sei bisher nicht getroffen worden.
Den Berichten zufolge hatte Worsoff das Konzept schon in den vergangenen Jahren mehrfach beim Heimatschutzministerium vorgestellt – auch schon unter dem früheren US-Präsidenten Barack Obama, aber damals wollte offenbar niemand etwas davon wissen.
Offen für „unkonventionelle Vorschläge“
Das Format soll Wettbewerbe rund um amerikanische Geschichte, kulturelle Eigenheiten und zivilgesellschaftliches Wissen vorsehen. Der Arbeitstitel ist „The American“. Es klingt nach einer Art „Tribute von Panem“ für Einwanderer, was Worsoff, der in Montréal geboren wurde, gegenüber dem „Wall Street Journal“ dementiert hat. Worsoff hat schon an anderen Reality-Formaten mitgewirkt. Ihm zufolge soll sich das Format an Menschen richten, die schon einen Platz im US-Einwanderungssystem haben und als geeignete Kandidaten für die Staatsbürgerschaft gelten.
Die Ministeriumssprecherin McLaughlin äußerte sich laut „New York Times“ wohlwollend zu dem Konzept: Schließlich werde „gefeiert“, was es bedeute, Amerikaner zu sein, und „welches Privileg es ist, die US-Staatsbürgerschaft zu haben“, sagte sie. Man sei offen für „unkonventionelle Vorschläge“.
Einen Bericht der britischen „Daily Mail“, wonach Heimatschutzministerin Kristi Noem das Projekt unterstütze, wies das Ministerium hingegen scharf zurück. Noem habe es weder gebilligt noch habe sie es zur Prüfung vorgelegt bekommen, hieß es in einer Stellungnahme. Das Ministerium erhalte jährlich Hunderte TV-Anfragen, die alle einem standardisierten Prüfverfahren unterlägen.
Noem steht an der Spitze des Heimatschutzministeriums und steht wie kaum ein anderes Regierungsmitglied für den harten Kurs in der US-Migrationspolitik unter Präsident Donald Trump. Bürgerrechtsorganisationen werfen der Regierung vor, mit Abschiebungen – unter anderem in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador – grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien zu verletzen. Für Kritik sorgte insbesondere ein Besuch der Ministerin in dem Gefängnis: Noem posierte vor Inhaftierten, die hinter Gittern zu sehen waren. Immer wieder setzt sie auf solch medienwirksame Auftritte – etwa zu Pferd, in Cowboy-Montur, an der Südgrenze zu Mexiko.
Eine staatlich begleitete Wettbewerbsshow würde sich in den politischen Stil der Trump-Regierung einfügen. Politik und Unterhaltung greifen, seitdem Donald Trump wieder ins Weiße Haus eingezogen ist, oft ineinander.