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Im März dieses Jahres erschien ein von Fans heiß ersehnter Roman: Die Tribute von Panem L – Der Tag bricht an. Das zweite Spin-Off der beliebten Reihe, die im englischen Original »The Hunger Games« heißt, verkaufte sich bereits in der ersten Woche über 1,5 Millionen Mal weltweit.
Doch nicht nur das Buch sorgt aktuell für Furore, sondern auch die anstehende Verfilmung. Auf den Social Media Accounts von »The Hunger Games« wurde in den letzten Wochen der Cast vorgestellt, millionenfach geklickt und aufgeregt kommentiert: »Ich werde mein Erstgeborenes nach der Casting-Direktorin benennen!« schrieben gleich mehrere User.
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Es ist eine aufregende Zeit für Buch-Nerds. Denn etwa zeitgleich wurden auch die Hauptdarstellenden eines anderen Mega-Franchises verkündet: Harry Potter wird als siebenteilige Serie neu verfilmt. Doch obwohl das »Potterverse« gigantisch ist – die Vorfreude stellt sich bei vielen Menschen nicht ein.
Grund ist das, nun, nennen wir es mal »politisches Engagement« der Harry Potter Autorin J.K.Rowling.
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»Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert«, postete Rowling am 17. April auf X mit einem Bild von sich, wie sie Zigarre rauchend am Meer sitzt. An diesem Tag hatte das britische Supreme Court geurteilt, dass trans Frauen rechtlich nicht als Frauen anerkannt werden.
Das Gericht entschied einstimmig, dass »Geschlecht« ausschließlich als das bei der Geburt zugewiesene biologische Geschlecht zu verstehen sei, was trans Personen vom Antidiskriminierungsschutz ausschließt. Grund für das Verfahren war eine Klage einer Gruppe Frauenrechtlerinnen in Großbritannien, die von Rowling mit 70.000 Pfund finanziell unterstützt wurden.
Da sitzt sie nun, die triumphierende Milliardärin, angefeuert in den Kommentaren von Leuten wie Elon Musk. Ausgerechnet die Frau, die mit Harry Potter eine Geschichte über den Kampf gegen Diskriminierung schrieb – über einen dunklen Magier namens Voldemort, der eine »reine« Zauberwelt schaffen wollte, in der nur zaubern darf, wer in die richtige Familie geboren wird.
Nur nicht den Fokus verlieren
Dies ist eine Kolumne, in der es im Kern um Geschichte geht. Ich beleuchte hier regelmäßig die historischen Zusammenhänge hinter aktuellen Debatten und Ereignissen. Meist sind die Exkursionen in die Vergangenheit für mich als Historikerin recht offensichtlich, doch dieses Mal ist es etwas anders. Wo soll ich überhaupt anfangen?
Soll ich mich bemühen, zu erklären, dass es trans und nicht binäre Identitäten schon immer und weltweit in zahlreichen Kulturen gegeben hat? So wie die Hijra in Südasien, die bereits in jahrtausendealten hinduistischen Texten erwähnt werden, oder die Fa'afafine in der polynesischen Kultur, deren gesellschaftliche Rolle als »dritte Geschlechtskategorie« seit Jahrhunderten respektiert wird.
Oder soll ich mich lieber auf die lange Geschichte der Verfolgung von trans Personen fokussieren? Etwa, als 1394 Eleanor Rykener in London verhaftet wurde – eine Person, die als Mann geboren wurde, aber als Frau lebte und arbeitete. Die Gerichtsakten aus dem mittelalterlichen England zeigen bereits die gleichen Mechanismen der Kriminalisierung, die wir heute wiedererkennen: die Verweigerung der Selbstbestimmung, die juristische Festschreibung von Geschlecht als unveränderlich und die gesellschaftliche Ächtung derer, die nicht in binäre Kategorien passen.
Trans Personen werden verfolgt
Ich könnte auch den Weg einschlagen, die gemeinsame Geschichte der trans, Lesben- und Frauenrechtsbewegung zu beleuchten. Lotte Hahm beispielsweise, eine der bekanntesten lesbischen Aktivistinnen der Weimarer Republik, gründete in Berlin den »Tanzclub Violetta«, in dem Transvestitenbälle gefeiert wurden und Menschen aller Geschlechtsidentitäten Schutz und Gemeinschaft fanden.
In welche Richtung man auch in der Vergangenheit blickt, eines lässt sich nicht wegdiskutieren: Trans Personen existieren, haben existiert, werden immer existieren. Und sie werden verfolgt, wurden verfolgt. Müssen sie folglich auch immer verfolgt werden, auch von Menschen, die sich angeblich für Gleichberechtigung und Gleichstellung einsetzen?
Wenn sich heute sogenannte TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminists) dafür einsetzen, trans Frauen aus Schutzräumen auszuschließen, verraten sie nicht nur grundlegende feministische Prinzipien, sondern gefährden auch die Errungenschaften der gesamten Frauenbewegung.
Körperliche Autonomie – das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen – war immer ein Kernprinzip der Frauenbewegung. Wenn wir akzeptieren, dass Geschlecht unveränderlich biologisch festgelegt ist, öffnen wir die Tür für Argumente, die auch Abtreibungsrechte, Verhütung oder selbstbestimmte Mutterschaft in Frage stellen.
Frauen müssen ihre »Weiblichkeit« beweisen
Die Freiheit, sich zu kleiden, wie man möchte, seine Identität zu leben und gesellschaftliche Geschlechterrollen abzulehnen – all das erkämpften Feministinnen gegen ein System, das Frauen auf ihr Aussehen und ihre Biologie reduziert.
Heute sehen wir bereits die Konsequenzen: Auch Cis-Frauen mit »zu maskulinem« Aussehen werden bei Sportereignissen kontrolliert, Frauen müssen ihre »Weiblichkeit« beweisen, um Zugang zu Schutzräumen zu erhalten und sollen wieder auf ihre biologische Fähigkeit des Kinderkriegens reduziert werden.
Wenn Frausein zur Beweislast wird, schützt das niemanden – es kontrolliert alle. Die trans-exkludierende Rhetorik normalisiert staatliche Kontrolle über Körper und Identität, genau das, wogegen der Feminismus immer gekämpft hat. Es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet antifeministische, autokratische und nationalistische Regierungen sind, die besonders hart gegen die Rechte und den Schutz von trans Menschen vorgehen; zu beobachten ist das aktuell etwa in den USA, Polen oder Ungarn.
»Ich möchte frei sein – und deshalb strebe ich eine Freiheit an, die für alle gilt.«
Die große Mehrheit der Frauenrechtsbewegung erkennt diese Gefahr und steht solidarisch an der Seite von trans Frauen. Denn wenn wir zulassen, dass manche Frauen »echter« sind als andere, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wieder darüber debattiert wird, welche Frauen überhaupt Rechte verdienen.
Ich bin nicht das Geschlecht, das mir von außen zugesprochen wird. Ich bin nicht das Geschlecht, wie andere es gerne hätten. Ich bin nicht die Frau, die andere in mir sehen, nicht die Rolle, die ich von außen vorbestimmt ausfüllen soll. Ich möchte frei sein – und deshalb strebe ich eine Freiheit an, die für alle gilt.