Gastgeberinnen siegen, erstes Team raus Die Schweiz feiert EM-Party und Island ist ausgeladen
Einwurf-Flanken und Einsatzbereitschaft waren zu wenig: Island ist bei der EM früh ausgeschieden. Gastgeber Schweiz tat sich im Regen von Bern lange schwer, berauschte sich zum Schluss aber erfolgreich an sich selbst.
06.07.2025, 23.22 Uhr

Alayah Pilgrim machte in den Schlussminuten den Deckel drauf
Foto: Denis Balibouse / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Besser spät als nie: Alayah Pilgrim und Leila Wandeler tanzten an der Eckfahne, von den Tribünen dröhnte das Riff der »Seven Nation Army«, und am Ende löste der Schlusspfiff der Schiedsrichterin Marta Huerta de Aza das »Hopp Schwiiz« des Publikums zu einem einzigen Jubelschrei auf. Es ist eine bekannte Formel bei Großturnieren: Gewinnt das Gastgeberteam, dann stimmt die Stimmung. Ein bisschen verspätet ist die Schweiz zu ihrer eigenen Party erschienen, doch nach der Niederlage gegen Norwegen machte der Auftritt gegen Island Lust auf mehr.
Das Ergebnis: 2:0 (0:0) besiegt die Schweiz bei der Heim-Europameisterschaft das isländische Nationalteam. In Gruppe A hat Island damit keine Chance mehr auf das Weiterkommen, die Schweizerinnen sichern sich für den Donnerstag (21 Uhr, TV: ZDF) gegen Finnland ein Endspiel um den Viertelfinaleinzug.
Release the Küken: Sportlich betrachtet gibt es im Schweizer Fußball derzeit wohl keine faszinierendere Spielerin als Sydney Schertenleib. Die 18 Jahre alte Angreiferin sammelt bereits jetzt regelmäßig Einsatzminuten im Starensemble des FC Barcelona. Trotzdem vertraute Pia Sundhage ihrem Schützling zum Auftakt überraschend nur in der Jokerrolle. »Sie hat nicht gespielt, weil in den Trainings andere bessere Leistung gebracht haben«, erklärte Sundhages Assistentin nach dem 1:2 gegen Norwegen. Schertenleib war nach einer langen Barça-Saison mit Verspätung zur Nati gereist, kurierte zuletzt eine Erkältung aus. Zum zweiten Gruppenspiel war es dann soweit: Schertenleib rückte in die Startelf der Gastgeberinnen.

Sydney Schertenleib im Laufduell mit Islands Agla Albertsdóttir
Foto: Stephane Mahe / REUTERSDer große Wurf: Ihre erste Aktion hatte Schertenleib in der Defensive: Unglücklich klärte die Offensivspielerin im eigenen Strafraum eine Flanke vor die Füße von Ingibjörg Sigurdardottir, deren Dropkick satt an die Latte klatschte (1.). Ein Schreck gleich zu Beginn, nur: Wer hatte da geflankt? Das war die ehemalige Wolfsburgerin Sveindís Jónsdóttir, heute beim Angel FC in den USA unter Vertrag. Nur tat sie das nicht mit dem Fuß, sondern in Handarbeit. Jónsdóttirs weite Einwürfe sind berüchtigt, die Arme der 1,78 Meter großen Angreiferin funktionieren als taugliche Schleuder. Gerade das isländische Spiel, häufig auf Wucht statt aufs feine Spiel ausgelegt, profitiert sehr von Jónsdóttirs Begabung.

Erst Handtuch, dann werfen: Sveindís Jónsdóttir trocknet den Ball für den besten Grip
Foto: Alexander Hassenstein / Getty ImagesFlipper von Bern: Der Lattenkracher gab den Startschuss zu einer kurzweiligen ersten Hälfte im Wankdorfstadion, das an diesem Abend aus den Berner Wolken ein bisschen zu gut bewässert wurde. Der Regen und die Einsatzfreude beider Teams sorgten für viel Hin und Her, aber wenig Ordnung im Spielaufbau. So wunderte es nicht, dass die beste Chance einem Standard entsprang: Svenja Fölmli köpfte einen Eckball aufs Tor, Glódís Viggósdóttir verlängerte den Versuch gar ins Tor (29.). Aber die Kapitänin Islands und des FC Bayern hatte Glück: Weil Fölmli sich vor dem Treffer einer Gegenspielerin per Bodycheck entledigt hatte, zählte der Treffer nicht. Schertenleib (45.) und Iman Beney (45.+3) versuchten es noch mal von weit draußen, doch in die Pause ging es torlos.
Variante! Apropos Schweizer Standards: Kurz vor Beginn der ersten echten Druckphase der Gastgeberinnen sorgte ein Freistoß aus dem Halbfeld für eine kuriose Szene. Smilla Vallotto lief an – und drehte ab. Nun stürmte Geraldine Reuteler los – und lief am Ball vorbei, auf den linken Flügel. Mittlerweile hatte Vallotto die Kurve gekriegt, chippte aber unplatziert und letztlich harmlos in die Mitte. »Da war selbst die Verwirrung verwirrt«, befand ARD-Kommentatorin Stephanie Baczyk.
Schweizer Chancenplus: Danach hatte Island zusehends weniger zu lachen. Nach einem Steckpass von Schertenleib tauchte Reuteler frei vor Cecilía Rúnarsdóttir auf und traf zur Führung (76.), ein kluger Laufweg, auf den die Nordeuropäerinnen nicht rechtzeitig hatten reagieren können. Wandeler scheiterte an der Latte (80.), Pilgrim an Rúnarsdóttir (88.) – aber nur für den Moment: Wenig später veredelte die Frau vom AS Rom einen Schweizer Konter und brachte Bern zum Beben.