Durch einen neuen Medienbericht gerät die Verteidigung von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn in der Maskenaffäre unter Druck. Die Sonderermittlerin im Gesundheitsministerium, Margaretha Sudhof, wirft dem heutigen Unionsfraktionschef vor, die Maskenbeschaffung zu Beginn der Corona-Pandemie trotz Warnungen seiner eigenen Ministeriumsbeamten ins Gesundheitsministerium geholt zu haben. Sudhof wirft dem CDU-Politiker weiter vor, dadurch ein „Drama in Milliarden-Höhe“ verursacht zu haben – gemeint ist hier der Schaden für die Steuerzahler.
Spahn sagte dazu Anfang Juni in der ARD, dass Warnungen „bei mir persönlich nicht“ angekommen seien und dass er auch nicht wisse, „von wem, aus welchem Ministerium“ gewarnt worden sei.
Leugnete Spahn Warnungen seiner Beamten?
Bisher geschwärzte Fußnoten in Sudhofs Bericht zeigen nun jedoch das ganze Bild, berichten NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“. Den Medien liegt nach eigenen Angaben eine ungeschwärzte Version des Untersuchungsberichts vor.
Aus einer der bislang geschwärzten Fußnoten geht demnach hervor, dass ein Beamter in einer Vorlage versuchte, „den damaligen Bundesminister dazu zu bewegen“, für die Maskenbeschaffung weiterhin die Expertise des eigentlich zuständigen Bundesverteidigungsministeriums zu nutzen. Der Beamte plädierte demnach dafür, Maskenlieferanten lieber an das Beschaffungsamt der Bundeswehr „zu verweisen“. Über seinen Staatssekretär ging diese Vorlage direkt an Minister Spahn.
Nina Warken hat entgegen ihrer Beteuerungen nicht nur das geschwärzt, was sie rechtlich schwärzen musste, sondern vor allem auch Stellen, die Spahn persönlich belasten oder CDU-Verstrickungen zeigen.
Grünen-Haushälterin Paula Piechotta
Laut dem Rechercheverbund offenbaren die bisher geschwärzten Passagen des Berichts insgesamt zwölf Mails oder Leitungsvorlagen an den Minister mit Warnungen, die direkt entweder den Schreibtisch oder das Postfach von Spahn erreicht haben.
Spahns Aussage, ihn hätten keine Warnungen erreicht, „ist seit heute mit hoher Wahrscheinlichkeit als Lüge entlarvt“, sagte die Grünen-Haushälterin Paula Piechotta, dem Tagesspiegel.
Grüne: Warken hat zu viel geschwärzt
Neben Spahn habe auch Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wahrscheinlich den Bundestag angelogen, betonte Piechotta. „Nina Warken hat entgegen ihrer Beteuerungen nicht nur das geschwärzt, was sie rechtlich schwärzen musste, sondern vor allem auch Stellen, die Spahn persönlich belasten oder CDU-Verstrickungen zeigen.“
Spahn ließ den Medien ausrichten, die Beschaffung durch das Gesundheitsministerium sei „ressortübergreifend beschlossen“ worden. Dass es „auch abweichende Einschätzungen gegeben hat, hält Herr Spahn für selbstverständlich“, heißt es weiter. Ähnlich hatte sich Spahn bereits nach seiner Befragung im Haushaltsausschuss vergangene Woche geäußert.
Vorteilhafte Konditionen für CDU-nahe Firmen?
Die nun ungeschwärzten Passagen zeigen auch, wie Sudhof den besonders umstrittenen Direktvertrag des Gesundheitsministeriums mit dem Schweizer Maskenlieferanten Emix bewertet, gegen den in der Schweiz wegen Wucher ermittelt wird. Laut dem Sudhof-Bericht hat Spahns Ministeriums laut dem Rechercheverbund für 749 Millionen Euro Masken bei Emix gekauft – der Durchschnittspreis pro Maske lag demnach bei 5,58 Euro.
Nach einem Vergleich verkaufte Emix noch in der zweiten Jahreshälfte 2020 dem Gesundheitsministerium Masken teilweise zu einem Stückpreis von sieben Euro pro FFP2-Maske – der Weltmarktpreis lag damals bereits bei unter einem Euro.
Sudhof kann das laut Bericht nicht nachvollziehen. „Im Lichte der Marktlage im Mai 2020 erschließt sich jedenfalls nicht, inwiefern der Emix-Vergleich die Interessen des Bundes angemessen abbildet“, zitiert der Rechercheverbund die Sonderermittlerin.
Für die Vermittlung von Maskenverkäufen an das Bundesgesundheitsministerium und deutsche Bundesländer erhielt die Firma von Andrea Tandler, der Tochter des früheren CSU-Politikers Gerold Tandler, eine Provision von mehr als 48 Millionen Euro. Diese versteuerte Tandler nicht korrekt, weshalb sie vom Landgericht München zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt wurde, die sie derzeit absitzt.
Laut WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ erhielt auch die Firma des CDU-Bundestagskandidaten Niels Korte vom Gesundheitsministerium einen vorteilhaften Vergleich mit hoher Abgeltung und ungewöhnlicher langer Lieferfrist für die bestellten Masken. „Eine entsprechende Gegenleistung oder Rechtsgrundlage erschließt sich nicht“, schreibt Sudhof auf einer vormals geschwärzten Seite. Spahn erklärte den Medien, er habe als Minister weder mit Abgeltungsbeträgen noch Lieferfristen etwas zu tun gehabt.