Die stolze Summe von 50.000 Euro lässt es sich das Stuttgarter Ballett unter seinem Direktor Tamas Detrich kosten, sich mit einer Nichtverlängerung zum 31. August 2025 von seinem beim Orchester, den Tänzern und Gastchoreographen beliebten und von der Kritik gelobten Musikalischen Direktor des Stuttgarter Balletts zu trennen. Die sinnlose, aber für die Staatskasse teure Trennung von Mikhail Agrest ist der letzte Schritt des Ballettdirektors Detrich auf dem konsequenten Weg, seinem Vorgänger Reid Anderson und dessen Abneigung gegen Agrest zu willfahren.
Den Streit hatte ursprünglich Anderson angezettelt. Wegen Differenzen das Tempo der Musik betreffend, hatten die Staatstheater Stuttgart Agrest 2021 sogar fristlos gekündigt. Er hatte es gewagt, dem für die Leitung von Bühnenproben ins Opernhaus zurückgeladenen ehemaligen Ballettdirektor Reid Anderson höflich in der Sache zu widersprechen, mit Hinweis auf Vermerke in der Originalpartitur. Anderson, mittlerweile 76 Jahre alt, hatte sich außerdem darüber empört, dass der Dirigent ihm den Rücken zuwandte – was dieser muss, will er beim Dirigieren Blickkontakt mit dem Orchester behalten. Im März 2022 musste Ballettdirektor Tamas Detrich, der 2018 zum Nachfolger erkorene ehemalige Ballettmeister Andersons, die fristlose Kündigung zurücknehmen und Agrest wieder beschäftigen. So hatte das Bühnenschiedsgericht geurteilt (F.A.Z. vom 30. März 2022).
Versöhnt? Ja, aber nur zum Schein
Im Februar 2024 endete dann ein Schadenersatzverfahren wegen Rufschädigung, das der in Stuttgart beliebte und international gastierende Agrest angestrebt hatte, mit einem Vergleich. Unter Punkt 1 hieß es darin: „Unter Berücksichtigung der bisherigen gelungenen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sind die Parteien übereingekommen, sämtliche Streitigkeiten mit dem heutigen Tag beizulegen.“ Und unter Punkt 2: „Im Hinblick auf eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit erklären die Parteien das vorliegende Verfahren insgesamt für erledigt.“ So lautete das Fazit des Bühnenschiedsgerichts.
Detrich hatte Agrest zur Aussöhnung aufgefordert, der Dirigent habe doch so großen Anteil am Erfolg des Stuttgarter Balletts, da würde er, Detrich, ihn doch nicht kündigen wollen. Also stimmte Agrest dem Vergleich zu. Als aber wenige Monate später, im September 2024, die Frist für die Nichtverlängerungs-Gespräche nahte, wurde Agrest einbestellt, und Detrich sprach ihm die Nichtverlängerung als Musikalischem Direktor des Stuttgarter Balletts aus. Das ist möglich bei jedem Normalvertrag Bühne, diese werden jeweils für ein Jahr abgeschlossen und sollen eigentlich größtmögliche künstlerische Freiheit ermöglichen. Man kann sich aber dank ihrer auch missliebiger Mitarbeiter umstandslos entledigen.
Es nützte Agrest nichts, dass er erneut das Bühnenschiedsgericht anrief. Die Nichtverlängerung ist juristisch nicht anfechtbar, nicht einmal bei einer solchen Vorgeschichte. Als Antwort auf die Frage der Richterin, wie sich die Ballettgeschäftsführung denn den Ausgang der Verhandlung vorgestellt habe, bot der Anwalt 50.000 Euro an. Natürlich werden bei Nichtverlängerungen normalerweise keine Gelder hinterhergeworfen. Das Stuttgarter Ballett hingegen wusste, dass es für sein schäbiges Verhalten besser zahlen sollte.