Südasien: Wie Rebellen Chinas Seidenstraße sabotieren

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Zwei Chinesen sind in der Nacht zum Montag in Pakistan gestorben, ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter hat sie nahe des Flughafens von Karatschi in die Luft gesprengt. Sofern solche Attacken gegen chinesische Staatsbürger auf dem Gebiet der Atommacht Pakistan überhaupt bekannt werden, sind das Nachrichten von nationaler Tragweite. Denn die Beziehungen zu Peking sind für das hoch verschuldete südasiatische Land zentral: China ist strategischer Partner, Kreditgeber und Motor für den Aufbau von Infrastruktur, Straßen, Schienen, Brücken und Kraftwerken.

Angesichts des gewaltigen wirtschaftlichen und auch machtpolitischen Gefälles zwischen den beiden Nationen könnte man auch sagen: Peking ist der Pate, den Pakistan in seiner Gegnerschaft zum verfeindeten Bruderstaat Indien und angesichts der wirtschaftlichen Dauermisere keinesfalls missen will. Mit der fernöstlichen Großmacht im Rücken hofft Islamabad, gewappnet zu sein, um Indien – im Falle einer Eskalation – die Stirn zu bieten. Dass China auch noch seine eigenen Konflikte um den genauen Grenzverlauf mit Indien austrägt, in den Höhen des Himalayas, kommt Pakistan gelegen. Indien macht es eher nervös.

China strebt einen Zugang zum Indischen Ozean an

Wenn in Pakistan allerdings Chinesen bei Anschlägen sterben, dann passt das nicht ins Konzept der engen Verbündeten, zumal wenn die Abgesandten Chinas damit beauftragt sind, den wirtschaftlichen Aufbau Pakistans voranzutreiben. Der jüngste Angriff galt, wie die chinesische Botschaft in Islamabad mitteilte, einem Team, das in zwei Kohlekraftwerken in Port Qasim in Karatschi arbeitet. Diese Anlagen gehören zur sogenannten Neuen Seidenstraße, jenem weltumspannenden chinesischen Vorhaben, mit dem Peking Handelswege ausbauen, Energie gewinnen, Regionen miteinander vernetzen und vor allem an sich selber binden möchte.

Durch Pakistan verläuft eine der Hauptadern, der sogenannte China Pakistan Economic Corridor, kurz CPEC. Investitionen in Höhe von 62 Milliarden Dollar sollen für China den Zugang zum Indischen Ozean öffnen und zugleich Pakistans Wirtschaft ankurbeln. Win-Win lautet der Slogan, mit dem beide Länder ihren Schulterschluss für CPEC zelebrieren: Der Ausbau soll zum Wohle beider Länder sein, so wird es immer wieder kommuniziert.

Doch so einfach ist es nicht: CPEC steckt in Problemen, und das liegt vor allem an der labilen Sicherheitslage in der pakistanischen Provinz Belutschistan, samt dem Tiefseehafen Gwadar, Chinas Tor zum Indischen Ozean. Es gibt zahlreiche Akteure in der Region, die immer wieder mit Sprengstoff und Kalaschnikows deutlich machen, was sie von dem Mega-Vorhaben halten. Die Rebellen wollen, das ist inzwischen offenkundig, China aus Belutschistan hinausbomben – oder die Arbeiten am Korridor zumindest mit Gewalt ausbremsen.

Viele Belutschen wollen eine eigenständige Nation, die Rohstoffe inklusive

Zum jüngsten Anschlag bei Karatschi, bei dem es laut dem pakistanischen Sender Geo News neben den beiden toten chinesischen Staatsbürgern auch zahlreiche Verletzte gab, bekannte sich die Rebellengruppe Baloch Liberation Army, kurz BLA. Sie kämpft für die Unabhängigkeit der rohstoffreichen Provinz, die ganz im Westen an Iran grenzt. Auch dort leben Belutschen als Minderheit, genauso wie im Süden Afghanistans.

Seit mehr als 20 Jahren attackieren Aufständische aus der Region die pakistanische Armee, Polizei und staatliche Stellen, erst im August hatten sie in mehreren koordinierten Attacken Highways und Regierungsposten überfallen, mehr als 60 Menschen kamen ums Leben, darunter auch Zivilisten. Es waren die schlimmsten Anschläge der BLA seit vielen Jahren.

Das trockene und vielerorts gebirgige Terrain Belutschistans ist weitgehend unerschlossen, es bietet den Gegnern des pakistanischen Staates nützliche Rückzugsräume. Viele Belutschen ersehnen eine eigenständige Nation, und sie klagen, dass sie nun um ihre Schätze gebracht werden, weil Islamabad mit Peking paktiert. Belutschen fühlen sich ausgeschlossen, während andere darauf hinarbeiten, ihren Reichtum an Ressourcen auszubeuten.

Die Armee kann kaum für Sicherheit sorgen

Die Provinz, die fast so groß ist wie Deutschland, gilt als riesige Schatzkammer. Hier lagern gewaltige Mengen an Rohstoffen, darunter Öl, Gas, Gold, Silber, Titan und Kupfer. Es gibt auch viel Kohle und Eisenerz. Das alles weckt Begehrlichkeiten.

Weil Peking so stark investiert, zielen Aufständische immer wieder auf chinesische Arbeiter. Der Nachrichtensender BBC zitierte aus dem jüngsten Bekennerschreiben, dass der Angriff einem „hochrangigen Konvoi mit chinesischen Diplomaten und Ingenieuren“ gegolten habe. Für Peking wird nun immer deutlicher sichtbar, wie schwer es der pakistanischen Armee fällt, Sicherheit zu garantieren.

Premierminister Shebaz Sharif versprach dem chinesischen Botschafter, dass er die Untersuchungen zur Attacke höchstpersönlich überwachen werde, wie die Zeitung Dawn berichtete. Eine Geste, die allerdings eher Ausweis wachsender Hilflosigkeit sein dürfte in einem Land, das von Anschlägen stark zermürbt ist. Bewaffnete Gruppen setzen immer wieder auf Gewalt, um sich selbst auf die Agenda zu setzen, um politische Signale zu senden und Stärke zu beweisen, wie es auch die pakistanischen Taliban häufig tun, mit ihrem islamistischen Terror.

Die kämpfenden Belutschen allerdings haben ihre eigenen Pläne. Sie sind in erster Linie Separatisten, die sich entweder aus dem Staat Pakistan lösen wollen oder zumindest starke autonome Rechte einfordern, samt dem Anspruch, selbst über die Reichtümer ihrer Region zu bestimmen.

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