Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan schaukeln sich weiter hoch. Indien meldete am Abend Luftangriffe des Nachbarn auf Gebiete im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir und im Bundesstaat Punjab nahe der Grenze. Pakistan wies die Vorwürfe entschieden zurück. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Das indische Verteidigungsministerium hatte am späten Donnerstagabend (Ortszeit) von pakistanischen Raketen- und Drohnenangriffen auf den indisch kontrollierten Teil Kaschmirs und eine grenznahe Militärstation im indischen Bundesstaat Punjab gesprochen. Die Bedrohungen wurden demnach neutralisiert, es habe auch keine Verletzten gegeben.
Pakistan trat dem entgegen: Das Außenministerium erklärte, man weise entsprechende, von indischen Medien verbreitete haltlose und unverantwortliche Behauptungen kategorisch zurück. Auch Pakistans Informationsminister Ataullah Tarar sagte, Pakistan habe bisher keine Ziele im indischen Teil von Kaschmir oder jenseits der internationalen Grenze angegriffen. Indien und Pakistan verwalten jeweils einen Teil Kaschmirs, sie beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich.
Als Auslöser der jüngsten Eskalation zwischen den beiden Atommächten gilt ein Terroranschlag vom 22. April im indischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir, bei dem 26 Menschen – überwiegend indische Touristen – getötet wurden. Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor. Islamabad weist das zurück und forderte eine unabhängige Untersuchung. Seither haben Gefechte und Spannungen wieder zugenommen. In der Nacht auf Mittwoch flog Indien Angriffe auf mehrere pakistanische Ziele.
Iran will vermitteln, USA beschränken sich laut Vance auf Diplomatie
International wächst die Sorge vor einer weiteren Verschärfung der Krise auf dem indischen Subkontinent. Deutschland und die anderen 26 EU-Staaten riefen die rivalisierenden Atommächte Pakistan und Indien zu einer sofortigen Deeskalation auf. Dem pakistanischen Botschafter in den USA zufolge haben beide Länder auf der Ebene ihrer jeweiligen Nationalen Sicherheitsräte Kontakt und führen Gespräche. „Jetzt liegt die Verantwortung für die Deeskalation bei Indien, aber es gibt Einschränkungen bei der Zurückhaltung. Pakistan behält sich das Recht vor, zurückzuschlagen. Unsere öffentliche Meinung übt genug Druck auf die Regierung aus, um zu reagieren“, sagte Botschafter Rizwan Saeed Sheikh in einem Interview mit CNN. Die derzeitige Eskalation und auch die Rhetorik müssten aufhören, fügte er hinzu. Iran hat sich als Vermittler angeboten.
Die USA werden sich nach Angaben von Vizepräsident JD Vance in dem Konflikt auf diplomatische Bemühungen zur Deeskalation beschränken. „Was wir tun können, ist zu versuchen, diese Leute zu ermutigen, ein wenig zu deeskalieren“, sagte Vance in einem Interview des Nachrichtensenders Fox News. Man werde sich aber nicht in einen Konflikt einmischen, „der uns im Grunde nichts angeht“. Die USA könnten weder den Indern noch den Pakistanern sagen, dass sie ihre Waffen niederlegen sollten. Man werde die Angelegenheit daher weiter auf diplomatischem Wege verfolgen. Die Hoffnung sei, dass der Konflikt nicht zu einem größeren regionalen Krieg führe oder zu einem Konflikt, bei dem Atomwaffen zum Einsatz kommen. Aber man sei besorgt, sagte Vance.
Die Ursprünge des nun wieder aufflammenden Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf. Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.