„Sex and the City“ war zu seiner Zeit, also zwischen 1998 und 2004, etwas völlig Neues. Die Serie zeigte vier Frauen, die fest miteinander befreundet waren, sich unterstützten und, wenn nötig, auch trösteten, die sich meist recht erfolgreich durchs Berufsleben in Manhattan manövrierten und ihre mehr oder weniger festen Beziehungen und Liebschaften miteinander durchlebten. Was den körperlichen Aspekt der Liebschaften angeht, wurde die Serie so deutlich, wie man es bis dato noch nicht gesehen hatte. Für Frauen, vor allem die Generation X der zwischen 1965 bis 1980 geborenen, waren diese Figuren prägend: So glamourös, selbstbewusst und frei wollte man auch sein. Und idealerweise auch so viel Geld haben, was diesen Lebensstil enorm erleichtern würde.
Am Ende der letzten Staffel heiratete Carrie (Sarah Jessica Parker) endlich ihren Mr. Big (Chris Noth), es folgten zwei Filme, die bunt, albern und ziemlich überflüssig waren. Und als man dachte, nun leben sie also alle in unseren Köpfen weiter ihr glamouröses Leben, wurde eine Nachfolgeserie verkündet. Das war 2021. Die Pandemie herrschte, die halbe Welt saß irgendwo fest, und man dachte, gut, ein wenig Nostalgie kann nicht schaden.
Was das Publikum wohl erwartet?
Drei Staffeln lang konnten wir dann Carrie, Miranda (Cynthia Nixon) und Charlotte (Kristin Davis) – Kim Cattrall als Samantha war nicht mehr dabei – dabei zusehen, wie sie in „And Just Like That“ durch ihre mittleren Jahre navigieren. Noch immer sind sie erfolgreich, größtenteils gut befreundet, sehen gut aus, sind absurd wohlhabend und tragen teilweise recht waghalsige Designermode. Aber die Welt hat sich verändert, und das Publikum der Serie auch. Leider hat Showrunner Michael Patrick King, der bereits „Sex and the City“ entwickelte, keine Idee, was dieses gereifte Publikum erwartet. Aus Unsicherheit darüber kommt er im Lauf der drei Staffeln mehrfach zu anderen Erkenntnissen, weshalb die Serie völlig disparat gerät.
Wo der zweite Film albern, kulturell unsensibel und abgehoben endete, fiel „And Just Like That“ zunächst auf der anderen Seite vom Pferd. Wer quarantänegeplagt auf fluffige Unterhaltung hoffte, wurde mit drei Frauen konfrontiert, die sich durch neue Medien kämpften – Carrie hatte nun einen Podcast und einen Instagram-Account – und mit der Existenz schwarzer Menschen sowie Personen jenseits der guten, alten Heteronormativität zurechtkommen müssen, die in „Sex and the City“ bis auf die schwulen Quotenfreunde weitgehend fehlten. Carrie, Miranda und Charlotte krampften sich durch eine veränderte Welt, und es tat weh, dabei zuzuschauen. Der Schmerz über das Ableben von Mr. Big war dagegen vergleichsweise gut zu verkraften.

In der zweiten Staffel milderten sich die ernsten Themen ab, in der dritten Staffel fehlen sie nahezu ganz. Man konzentriert sich auf die Familie, nicht weiße Freunde und Nachbarn werden mit einer Selbstverständlichkeit integriert, die der ersten Staffel gutgetan hätte. Bleibt die Frage, was eigentlich erzählt wird, und vor allem, warum? Allein auf Nostalgie kann die Serie nicht setzen, dafür ist sie zu weit von der Leichtigkeit und dem Witz von „Sex and the City“ entfernt. Eine ernst zu nehmende Darstellung des Älterwerdens moderner Frauen Mitte fünfzig gelingt ihr auch nicht. Die einst so wichtige Mode wirkt überkandidelt bis leicht obszön, wenn man bei Carrie, bei Filmemacherin Lisa (Nicole Ari Parker) oder bei Maklerin Seema (Sarita Choudhury) in den begehbaren Kleiderschrank schaut.
Man kann dann doch nicht aufhören, zu schauen
Carrie beginnt im Laufe der zweiten Staffel eine Fernbeziehung mit Jugendliebe Aidan (John Corbett), von der niemand versteht, warum. Sie zieht in der dritten Staffel in ein viel zu großes Apartment, lässt den Hof neu anlegen, und freundet sich mit dem Nachbarn an, dem zunächst sehr mürrischen Schriftsteller Duncan Reeves (Jonathan Cake). Sie steht Charlotte bei, deren Mann es an der Prostata hat, und Miranda erforscht ihre neue Identität als lesbische Frau. Erzählfäden werden aufgenommen, hängengelassen und vergessen. Figuren kommen und gehen.
Das ist kein gutes Fernsehen, aber leider kann man auch nicht aufhören zu schauen. Jedenfalls dann nicht, wenn man von „Sex and the City“ geprägt wurde und das Gefühl hat, man schuldet den Figuren irgendwas, so wie man es alten Freunden schuldet, sich ihre Probleme anzuhören. Die gute Nachricht ist, dass Carrie endlich das Idealbild eines Happy Ends in trauter Zweisamkeit als höchste Form irdischen Glücks fahren lässt und schaut, wie es ist, allein zu leben. Ein „And Just Like That“-Spielfilm, der diesen mühsam erreichten Zustand durch das Auftauchen irgendeines Verflossenen zerstören könnte, droht uns zurzeit nicht.
Die dritte Staffel von And Just Like That startet am Mittwoch bei Sky Atlantic; sie ist abrufbar bei Wow.