Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart, Abschiebungen auszuweiten: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“ Seit der erneuten Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban im August 2021 wurden mithilfe von Katar zwei Sammelabschiebungen organisiert. Im Herbst 2024 wurden 28, im Juli 2025 dann 81 afghanische Schwerstkriminelle ausgeflogen.
Wir wollen reguläre und regelmäßige Rückführungen nach Afghanistan ermöglichen.
Alexander Dobrindt, Bundesinnenminister (CSU)
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will nun dafür sorgen, dass Abschiebungen nach Afghanistan künftig häufiger stattfinden. Dobrindt bestätigte dem Tagesspiegel: „Wir wollen reguläre und regelmäßige Rückführungen nach Afghanistan ermöglichen. Dazu gibt es Gespräche auf technischer Ebene mit afghanischen Vertretern.“
Zuvor hatte die „Bild“ berichtet, das Innenministerium führe direkte Gespräche mit den Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan. Abschiebungen sollen demnach deutlich leichter, regelmäßiger und in größerem Maßstab vonstattengehen als bislang. Die Abschiebungen sollen nicht mehr nur mit Charter-Maschinen durchgeführt werden – stattdessen sollen afghanische Staatsbürger per Linienflug zurückgeführt werden.
Derzeit werde eine Entsendung deutscher Vertreter in Afghanistans Hauptstadt Kabul organisiert, um die Gespräche vor Ort fortzusetzen. Vertreter Katars seien dabei als Vermittler tätig. Die Bundesregierung stehe kurz davor, die Abschiebungen massiv auszuweiten, heißt es in dem Bericht weiter.
Afghanistans Ex-Präsident Karsai als Vermittler tätig?
Mitte Juli hatte der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, bestätigt, dass der frühere afghanische Präsident Hamid Karsai in Gespräche über ein mögliches Abkommen involviert sei. Er habe mit dem Ex-Staatschef in Berlin ein intensives Gespräch geführt.
Der frühere deutsche Innenstaatssekretär betonte demnach, dass Karsai trotz seines offiziellen Rückzugs 2014 „eine zentrale Rolle als Vermittler“ einnehme. Karsai verfüge über „enge Kontakte zu den aktuellen Machthabern und ist mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet, um Gespräche mit der deutschen Seite zu führen“, sagte Hanning einem „Bild“-Bericht zufolge.
Flüchtlingsorganisationen fordern eine Einstellung aller Rückrückführungen afghanischer Staatsbürger in ihre Heimat. „Aufgrund der dramatischen Lage vor Ort verstoßen jegliche Abschiebungen in das Land gegen das völkerrechtliche Abschiebungsverbot, da Folter oder unmenschliche Behandlung droht“, hieß es nach dem letzten Flug im Juli von „Pro Asyl“.
11.500
Afghanen waren Stand Juli ausreisepflichtig, 9600 haben aber eine Duldung.
Ende 2024 lebten demnach in Deutschland rund 461.000 Menschen mit afghanischen Wurzeln, darunter etwa 347.600 Schutzsuchende wie Asylbewerber. Im Sommer teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit, dass rund 11.500 Afghanen in Deutschland ausreisepflichtig seien.
Davon hatten demnach 9.602 eine sogenannte Duldung. 1.821 Menschen hatten keine Duldung. Ob und wie viele Straftäter oder Gefährder sich unter den Ausreisepflichtigen befinden, konnte das Bamf nicht sagen.
Eine Duldung ist eine vorübergehende Erlaubnis, in Deutschland zu bleiben, obwohl die betroffene Person eigentlich ausreisen müsste. Sie wird erteilt, wenn eine Abschiebung aus bestimmten Gründen, etwa wegen Krankheit, fehlender Reisedokumente oder gefährlicher Lage im Herkunftsland, nicht möglich ist. Menschen mit einer Duldung gelten aber weiterhin als ausreisepflichtig.
Am meisten Asylanträge von Afghanen
Afghanistan ist derzeit das Hauptherkunftsland von Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen. Weil Mädchen und Frauen in Afghanistan systematisch entrechtet werden, hätten diese eigentlich am meisten Grund, das Land zu verlassen, wie es in einer Analyse der Agentur dpa heißt.
Fehlende Ressourcen und zusätzliche Gefahren für weibliche Flüchtlinge sorgen demnach allerdings dafür, dass sich vor allem jüngere Männer auf den Weg machen, oft verbunden mit dem Auftrag, Geld nach Hause zu schicken.
In Deutschland entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im ersten Halbjahr dieses Jahres über 23.114 Asylanträge afghanischer Männer und Jungen sowie über 5.781 Anträge von Mädchen und Frauen aus Afghanistan. Den Antragstellerinnen wurde nach Angaben der Bundesregierung deutlich häufiger eine Asylberechtigung beziehungsweise Flüchtlingsschutz zuerkannt als männlichen Afghanen. (csg, lem)