Schwangerschaft: CSU wehrt sich gegen mehr staatlich bezahlte Abtreibungen

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Die SPD will schon lange Schwangerschaftsabbrüche legalisieren, die Union sieht in der derzeit geltende Beratungsregelung eine ausreichende Lösung. SPD und CDU/CSU haben zwar im Koalitionsvertrag eine Reform beschlossen – aber worauf genau sich die Parteien hier verständigt haben, ist in der Koalition umstritten.

Im Koalitionsvertrag steht über Abtreibungen: „Wir erweitern die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus.“ Die SPD sieht darin indirekt den Beschluss, den Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs zu streichen, der Abtreibungen erst mal unter Strafe stellt und nur unter Auflagen straffrei bleiben lässt. Die Union sieht dagegen in dem Satz lediglich die Zusage, dass der Staat mehr Frauen als bislang schon den straffreien Schwangerschaftsabbruch bezahlt.

Jedoch gibt in den Reihen der Union auch dagegen Widerstand. „Eine über die heutigen Regelungen hinausgehende Kostenübernahme durch die Krankenkassen halte ich persönlich für verfassungsrechtlich fragwürdig und würde die Norm des Paragraf 218 meiner Meinung nach unterhöhlen“, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger der Süddeutschen Zeitung. „Eine Abschaffung oder Aufweichung des Paragraf 218 wird es mit der Union nicht geben“, so Pilsinger, der stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses ist.

Generell müssen Frauen den Eingriff bisher selbst bezahlen

Rund 100 000 Schwangerschaftsabbrüche zählt das Statistische Bundesamt pro Jahr in Deutschland. Generell müssen Frauen den Eingriff selbst bezahlen. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz sieht vor, dass diese Kosten übernommen werden können, wenn die Frau wenig Geld hat. Seit Juli liegt die Netto-Einkommensgrenze bei 1500 Euro monatlich, teilt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen mit. Der Schwellenwert steigt in der Regel jährlich. Hat man Kinder, erhöht sich der Grenzwert, die Miete wird gegebenenfalls ebenfalls berücksichtigt.

Frauen müssen die Kostenübernahme bei ihrer Krankenversicherung beantragen. Die TK, Deutschlands größte Krankenkasse, empfiehlt Frauen, in eine Kundenberatung zu kommen und die neuste Gehaltsbescheinigung und einen aktuellen Kontoauszug mitzubringen. Bezahlt werden die Abtreibungen dann aber nicht vom Geld der Beitragszahler: Die Kassen bekommen die Kosten wiederum von den Bundesländern erstattet.

Eine Forschungsgruppe rund um die Hochschule Fulda hat 2022 rund 600 Frauen, die ungewollt schwanger wurden und abgetrieben haben, zu den Kosten befragt. Rund 60 Prozent der Befragten hat eine Kostenübernahme beantragt und auch bekommen. Bei rund sieben Prozent wurde sie abgelehnt. Die übrigen haben keinen Antrag gestellt. Die befragten Frauen bezifferten die Kosten häufig auf ungefähr 300 oder 400 Euro. Sie berichteten zudem, dass die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche höher sind, wenn es in ihrer Region schwierig ist, einen entsprechenden Eingriff vornehmen zu lassen. Reisekosten können dazukommen.

Die CDU-Gesundheitsministerin ist bereit, die Kostenübernahme auszuweiten

Die Diskussion, wie der Satz im Koalitionsvertrag zu verstehen ist, hatte die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf in Gang gebracht. Nachdem ihre Wahl in letzter Minute abgesetzt wurde, sagte sie in der TV-Sendung von Markus Lanz, sie verstehe den Satz im Koalitionsvertrag als „eine Ausweitung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung“. Laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe es eine Leistungspflicht bei einem Schwangerschaftsabbruch nur geben, wenn der rechtmäßig sei. Anders gesagt: Der Koalitionsvertrag habe indirekt beschlossen, den Paragraf 218 zu streichen. In der SPD schlossen sich viele dieser Sicht an.

Dieser Interpretation widersprach am Wochenende Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). „Das ist damit sicherlich nicht gemeint“, sagte sie der Berliner Morgenpost. Warken verwies stattdessen darauf, dass eine Kostenübernahme bereits möglich sei. „Denkbar ist, dafür die derzeit geltende Einkommensgrenze anzuheben“, sagte Warken. „Dafür muss der Abtreibungsparagraf 218 nicht geändert werden.“

Warkens Aussage wird in der Unionsfraktion geteilt – aber eben nicht von allen, wie der Einspruch des CSU-Abgeordneten Pilsingers zeigt. Seine juristische Interpretation deckt sich eher mit der von Brosius-Gersdorf und der SPD, dass der Paragraf 218 und die Kostenübernahme doch eng zusammenhängen. Er kommt nur zum umgekehrten Schluss, dass das bestehende Konstrukt dem entgegensteht, dass der Staat mehr Schwangerschaftsabbrüche bezahlt als bisher. Pilsingers Anmerkung, dass er sei seine „persönliche“ Sicht teile, ist ein Hinweis darauf, dass das Thema für Abgeordnete eine individuelle Gewissensentscheidung sein kann. Schwarz-Rot hat im Bundestag nur eine Mehrheit von 13 Sitzen.

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