Den Schuppen von Pangolinen werden in der fernöstlichen Medizin heilende Kräfte zugeschrieben. Ist dieser Mythos schuld daran, dass alle acht Schuppentierarten als gefährdet gelten?
Eine im Fachblatt »Nature Ecology & Evolution« veröffentlichte Studie kommt zu einem anderen Schluss: Zumindest von den in Nigeria in Wäldern gejagten Schuppentieren wird die überwältigende Mehrheit vor Ort verspeist – oder lokal zum Verzehr verkauft. Die teils so begehrten Schuppen dagegen werden häufig weggeschmissen.
Pangoline, also Schuppentiere (Pholidota), gelten als am häufigsten gewilderte Säugetiere weltweit. Alle acht Arten – vier in Afrika und vier in Asien – stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN). Sie sind gefährdet, stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Nach Angaben der Zoological Society of London (ZSL) wurden in den vergangenen zehn Jahren mehr als eine Million Tiere gewildert – das sind mehr als bei Nashörnern, Elefanten und Tigern zusammen. Der internationale kommerzielle Handel ist damit eigentlich vollständig verboten und steht unter Strafe.
In der asiatischen Medizin werden den Schuppen der Pangoline heilende Kräfte zugeschrieben – obwohl sie lediglich aus Keratin bestehen wie auch menschliche Fingernägel. Bislang nahm man an, dass dies die Nachfrage treibt und dazu führt, dass trotz des Verbots große Mengen an Schuppentieren gehandelt werden. Nun wird klar: Das ist – zumindest in Nigeria – wohl lediglich bei einem geringen Anteil der getöteten Tiere der Fall.

Ein im Prager Zoo neugeborenes Ohrenschuppentier
Foto: Miroslav Bobek / dpa / Zoo PragEin Team der Universität Cambridge und anderer Forschungsinstitutionen hat Hunderte Schuppentierjäger und -händler an 33 Orten in nigerianischen Wäldern befragt – vor allem aus der Zeitspanne 2020 bis 2023.
Das Ergebnis: Mehr als zwei Drittel (71 Prozent) der erlegten Schuppentiere wurden von den Jägern selbst verzehrt, 27 Prozent lokal als Lebensmittel verkauft. Das Fleisch war mit 98 Prozent auch der Hauptantrieb für die Jagd.
Besonders erstaunlich: Die Schuppen wurden trotz ihres vermeintlich hohen Wertes im Ausland meistens, nämlich in 70 Prozent der Fälle, entsorgt. In nicht einmal einem Drittel der Fälle wurden sie verkauft. Aus Gründen: Auf nigerianischen Märkten ist der Studie zufolge das Fleisch der Pangoline preislich etwa drei- bis viermal so viel wert wie die Schuppen.
»Tausende Kilo Schuppen von Pangolinen werden an nigerianischen Häfen beschlagnahmt, was den Eindruck erweckt, dass die internationale Nachfrage nach den Schuppen die Ausbeutung der Tiere in Westafrika treibt«, erklärt Studienautor Charles Emogor in einer Mitteilung. Tatsächlich sei jedoch das Fleisch die Hauptmotivation.

Ein junges Malaiisches Schuppentier kurz nach der Freilassung in die Wildnis
Foto: Cover Images / dpa / ZUMA PressDer Grund ist simpel: Die Menschen in der Region finden Schuppentiere einfach extrem lecker. Die Befragung ergab: Sollten die lokalen Jäger knapp 100 verschiedene Tiere mit Blick auf den Geschmack sortieren, landeten die afrikanischen Pangolin-Arten auf Top-Platzierungen.
Es stellte sich auch heraus, dass dem Fleisch der Pangoline in Nigeria besondere Bedeutung zugeschrieben wird – einer Tradition nach sollen etwa schwangere Frauen Pangolin-Fleisch essen, um starke Babys zu gebären.
»Pangoline sind mit einer tödlichen Kombination an Bedrohungen konfrontiert. Sie sind leicht zu jagen, vermehren sich langsam, schmecken Menschen gut und werden fälschlicherweise in der traditionellen Medizin als Heilmittel eingesetzt«, fasst Emogor zusammen.
Der Forscher ist selbst in der nigerianischen Heimat der Schuppentiere aufgewachsen. Vor einigen Jahren startete er das Netzwerk Pangolino, das sich für die Rettung der bedrohten Tiere einsetzt. Emogor hält die Erkenntnisse für eine hoffnungsvolle Nachricht: Es könne günstiger sein, Maßnahmen gegen die Jagd für den lokalen Verzehr einzuführen, als den internationalen Schuppenhandel zu bekämpfen.
Das Team geht davon aus, dass die Erkenntnisse auf andere Regionen in Afrika übertragbar sind, in den das Schuppentier heimisch ist – also dass auch dort das Tier gern gegessen wird.
Die Wissenschaftler räumen ein, dass bei den Selbstauskünften soziale Erwünschtheit eine Rolle gespielt haben könnte. Allerdings hätten die Befragten freimütig angegeben, Pangoline zu töten und mit ihnen Handel zu treiben, was auf ein geringes Problembewusstsein in diesem Bereich schließen lasse, heißt es in der Studie. Berichten zufolge werden in Nigeria geltende Regeln zum Schutz von Pangolinen kaum überwacht oder durchgesetzt.