Im großen kicker-Interview plädiert Jürgen Klopp erneut vehement für eine U-21-Liga in Deutschland. Was spricht dafür, was dagegen? kicker-Redakteur Jörn Petersen und kicker-Reporter Thiemo Müller haben unterschiedliche Meinungen.

Der VfB Stuttgart II und die TSG Hoffenheim II spielen in dieser Saison in der 3. Liga gegeneinander. IMAGO/Eibner
Braucht Deutschland eine U-21-Liga, wie es sie einst etwa die Premier League eingeführt hat? Zu den prominentesten Befürwortern dieser Idee gehört Jürgen Klopp - "weil ich absolut davon überzeugt bin, dass es uns helfen würde", wie der Walther-Bensemann-Preisträger im großen kicker-Interview erklärt. Doch ist das so? Ein Pro & Contra.
Pro: Eine U-21-Liga würde gleich zwei Probleme angehen
Von Jörn Petersen
In einer kicker-Umfrage sind sich viele Entscheider der Bundesliga-Klubs einig: Ja, in Deutschland schaffen im internationalen Vergleich zu wenige Talente den Übergang vom Junioren- zum Profifußball; und nein, eine U-21-Liga ist nicht das geeignete Gegenmittel. Und doch sollte niemand Jürgen Klopps nun auch im kicker-Interview vehement beworbenen Vorschlag zu früh ablehnen.
Natürlich wäre es für U-21-Spieler in der Entwicklung ideal, wenn sie schon früh den Herausforderungen des Erwachsenenfußballs begegnen, anstatt weiter auf Gleichaltrige zu treffen. Nur: Was ist mit Spielern, die dazu körperlich noch nicht in der Lage sind und deswegen viel zu früh aussortiert werden? Und: Wie soll es zu dieser idealen Welt überhaupt kommen? Wären alle Profiklubs mit ihrer U 21 oder U 23 erfolgreich - sofern sie überhaupt eine haben -, würden diese am Ende zwangsläufig auch mehrheitlich gegeneinander spielen.

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Nebenbei würde eine U-21-Liga noch ein zweites Problem angehen: 3. Liga und Co. wären die zweiten Mannschaften endlich los. Das würde nicht nur Platz für ein paar Traditionsklubs schaffen, sondern auch Probleme hinsichtlich der Wettbewerbsintegrität tilgen, etwa wenn gestandene Bundesliga-Profis in einer Woche mitspielen und in der nächsten nicht.
Also: Klopps Vorschlag mag nicht die Lösung gegen die Ausbildungsdefizite sein, hat es aber verdient, als eine diskutiert zu werden. Mancher nie entdeckte Spätentwickler wäre in der Vergangenheit gewiss dankbar gewesen.
Contra: Eine Verlängerung der Jugendzeit hilft nicht beim Erwachsenwerden
Von Thiemo Müller
Jürgen Klopps Diagnose der Probleme im Übergangsbereich zwischen Nachwuchs- und Profibetrieb trifft zweifellos zu. Es kommen zu wenige Talente durch - und ein Großteil derer, die viel zu früh den Stempel eines "Gescheiterten" aufgedrückt bekommen, würde einfach nur ein bisschen mehr Entwicklungszeit brauchen.
So weit, so richtig. Die von Klopp empfohlene Behandlungsmethode in Form einer U-21-Liga der Profivereine verspricht aber keineswegs den gewünschten Erfolg. Der gravierendste Schwachpunkt: Jene Hoffnungsträger, die den Durchbruch auf Top-Niveau schaffen sollen, würden ja weiter ausschließlich gegen ihresgleichen antreten. Also in der Regel zwar ordentlich ausgebildete 19- bis 21-Jährige, denen es aber noch an körperlicher und/oder mentaler Wettkampfhärte fehlt.
Statt einer solchen Verlängerung der Jugendzeit helfen beim Erwachsenwerden dann ja wohl doch eher die Herausforderungen des Männerfußballs, denen sich die zweiten Mannschaften der Profiklubs in der 3. oder der Regionalliga zu stellen haben. Dort ist der Nachwuchs gezwungen, physische Unterlegenheit mit fußballerischer Finesse zu kompensieren und athletisch aufzuholen - also sich genau jenen Mix anzueignen, den es für die große Karriere braucht.

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Voraussetzung dafür wäre natürlich - und das ist der essenzielle Part von Klopps Gedankenmodell -, dass alle DFL-Klubs eine zweite Mannschaft auf entsprechendem Niveau unterhalten. Warum sollte man das nicht als Lizenzierungsvoraussetzung einfordern? Zudem braucht es im täglichen Ausbildungsbetrieb der Vereine endlich eine Ernsthaftigkeit, die sich nicht von oben verordnen lässt. Dass aus den Leistungszentren reihenweise Profi-Kandidaten ohne erkennbare beidfüßige Ausbildung hervorgehen oder solche, die einen Kraftraum offenbar nur vom Hörensagen kennen, sollte schon das Selbstverständnis jedes einzelnen Jugendtrainers gar nicht erst zulassen.

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