Nach der zwischenzeitlichen Einstufung der gesamten AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz ist in Deutschland die Debatte über ein Verbotsverfahren gegen die Partei neu entbrannt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat nun deutlich gemacht, dass er dies sehr skeptisch sieht.
Ein solches Verfahren halte er für „politisch hochgradig gefährlich“, sagte Linnemann der „Welt am Sonntag“. „Alle namhaften Rechtsexperten sagen, dass ein solches Verfahren nach jetziger Sachlage sehr schwierig sein würde und der Ausgang ungewiss.“
Man kann Frustration nicht verbieten, man kann sie nur durch gute Politik auflösen.
Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär
Linnemann ergänzte, dass das Verfahren sehr lange dauern würde und die AfD ihre vermeintliche Opferrolle voll ausspielen könnte. Ein mögliches AfD-Verbot wäre zudem keine Antwort für ihre zehn Millionen in Teilen frustrierten Wähler, so der CDU-Politiker. „Man kann Frustration nicht verbieten, man kann sie nur durch gute Politik auflösen.“ Ein Parteiverbot kann vom Bundestag, Bundesrat oder von der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden.
Kramer sagte, er sei sich sicher: Wenn die neue Regierung die Wirtschaft wieder ankurbele und die illegale Migration stoppe, dann werde auch die AfD maßgeblich geschwächt. „Weil sie dann ihr Geschäftsmodell verliert: Korken knallen lassen, wenn es schlechte Nachrichten gibt“, sagte Linnemann.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte angekündigt, die AfD bis zum Abschluss eines von der Partei angestrengten Gerichtsverfahrens nur als „rechtsextremen Verdachtsfall“ und nicht als „gesichert rechtsextreme“ Partei zu behandeln. Das BfV gab eine sogenannte Stillhaltezusage ab. Knapp eine Woche zuvor hatte der Inlandsnachrichtendienst die AfD mit einem Gutachten entsprechend hochgestuft.
Wir sind inzwischen an einer Gefährdungsstufe für unsere Demokratie angelangt, wo ein Verbotsverfahren aus meiner Sicht angezeigt ist.
Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz
Der Präsident des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, hält ein Verfahren zum Verbot der AfD für angemessen. „Wir sind inzwischen an einer Gefährdungsstufe für unsere Demokratie angelangt, wo ein Verbotsverfahren aus meiner Sicht angezeigt ist“, sagte Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Das bedeutet aber nicht, dass die politische Auseinandersetzung damit obsolet wäre“, betonte er: „Im Gegenteil: Sie muss weiter stattfinden.“
Am Sonntag bundesweiter Aktionstag für AfD-Verbot
Der Thüringer Verfassungsschutz hatte den AfD-Landesverband bereits 2021 als erwiesen rechtsextrem eingestuft. Dagegen wurde keine Klage eingereicht. Stephan Kramer steht seit 2015 an der Spitze des Thüringer Verfassungsschutzes.
Die wehrhafte Demokratie müsse jetzt „ein klares Stoppschild setzen“, sagte Kramer. Mit Blick auf die Thüringer AfD betonte er, der Verfassungsschutz sehe die Gefahr, dass die Partei durch ihre Agitation zentrale Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung angreife und beseitigen wolle. Dazu gehörten die Prinzipien der Menschenwürde, des Rechtsstaats und der Demokratie.
Am Sonntag ist ein bundesweiter Aktionstag unter dem Motto „Keine Ausreden mehr – AfD-Verbot jetzt!“ geplant. In mehr als 60 Städten hat das Bündnis „Zusammen gegen rechts“ gemeinsam mit der Kampagne „AfD-Verbot-Jetzt“ und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen zu Demonstrationen aufgerufen. Das Bündnis fordert die Bundesregierung dazu auf, umgehend ein Verbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten.
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist für ein AfD-Verbotsverfahren. In einer repräsentativen Befragung des Umfrageinstituts Insa, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, sind 53 Prozent der Teilnehmer dafür, dass ein Verbot der Partei beim Bundesverfassungsgericht beantragt wird. (lem)