Eine rätselhafte Absage
Vor dem Petersdom dürfte es heute sehr, sehr voll werden. Auf dem Petersplatz wird die öffentliche Trauermesse für den verstorbenen Papst Franziskus gefeiert, danach wird der Leichnam einmal quer durch Roms Innenstadt zur Basilika Santa Maria Maggiore gebracht und dort beigesetzt. Vom Petersplatz sind das ungefähr sechs Kilometer, zigtausende Menschen dürften die Strecke säumen. Allein auf dem Petersplatz und drum herum erwarten die Behörden um die 200.000. (Lesen Sie hier ein Porträt über den Mann, der die Totenmesse für Franziskus leitet .)
Unter ihnen werden zahlreiche Staats- und Regierungschefs sein, unter ihnen Donald Trump. Um ihn dürfte es ein ziemliches Gedränge geben, man erinnere sich an die Wiedereröffnung der Kathedrale Notre Dame in Paris im Dezember. Da war Trump zwar schon gewählt, aber noch nicht im Amt, traf sich am Rande der Zeremonie mit den Präsidenten Frankreichs und der Ukraine, Emmanuel Macron und Wolodymyr Selenskyj. Und ließ sich mit diversen weiteren internationalen Kollegen fotografieren, die alle ziemlich begierig waren, mit ihm aufs Bild zu kommen, ihre Nähe zur Weltmacht zu demonstrieren. In Deutschland wurde damals die Stirn darüber gerunzelt, dass Olaf Scholz nicht anreiste, sich die Gelegenheit entgehen ließ.

Schon jetzt voll: Wartende am Freitag vor dem Petersplatz
Foto: Andreea Alexandru / AP / dpaDiesmal, in Rom, wird Scholz dabei sein, allerdings als nur noch geschäftsführender Bundeskanzler, bei dem es ziemlich egal ist, ob er nun ein paar Worte mit Trump wechselt oder nicht. Dafür ist sein sehr, sehr wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz nicht dabei.
Warum eigentlich nicht?
Offiziell hat ein Parteisprecher mitgeteilt, Merz werde »in Absprache mit dem Bundespräsidenten und dem amtierenden Bundeskanzler« nicht an der Beerdigung teilnehmen. Aber was steckt dahinter? Das hat mein Kollege Paul-Anton Krüger recherchiert.
Offiziell hatte der Vatikan dem Präsidialamt fünf Plätze zugestanden. Wäre Merz mitgekommen, hätte die deutsche Delegation um einen Platz erweitert werden müssen – was aber dem Vernehmen nach möglich gewesen wäre. Das Bundespräsidialamt hatte Merz auch eingeladen. Aber er wollte offenbar nicht.
In der protokollarischen Reihe hätte Merz nach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, dem noch amtierenden Kanzler Scholz, Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, nur an sechster Stelle rangiert. Das hätte Auswirkungen auf die Platzierung haben können, aber nur innerhalb der Delegation. Merz hätte sich also nicht mit einer der hinteren Reihen auf dem Petersplatz begnügen müssen, was hämische Kommentare und wenig vorteilhafte Fotos ergeben hätte, sondern mit den Vertretern der deutschen Verfassungsorgane zusammengesessen.
Die Absage bleibt etwas rätselhaft. Zumal Merz der Vorsitzende einer Partei ist, die das Christliche sogar im Namen führt.
Vielleicht will er sich auf den CDU-Bundesausschuss am Montag vorbereiten, den kleinen Parteitag, der den Koalitionsvertrag absegnen soll. Und noch ein paar Leute abtelefonieren, die er in sein Kabinett holen will. Wobei das Mobilfunknetz auch in Rom recht stabil sein soll.
Mehr Hintergründe hier: Merz’ heikelste Personalentscheidung
Thüringer D-Züge
In Gera, Thüringen, kommt heute das BSW zum Landesparteitag zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Wahl eines neuen Landesvorstands, was erst mal unspektakulär klingt, doch tatsächlich geht es um weit mehr, nämlich, wie mein Kollege Steffen Winter sagt, »um das Machtgefüge im Bündnis Sahra Wagenknecht«. Und zwar nicht nur in Thüringen, sondern auch auf der Bundesebene.
Was heißt das?

Gegenspielerinnen Wolf, Wagenknecht: Kann es nur eine geben?
Foto: Michael Reichel / picture alliance / dpaThüringens Finanzministerin Katja Wolf, parteiintern Wagenknechts große Gegenspielerin, will sich als BSW-Landesvorsitzende wiederwählen lassen. Wagenknecht und ihre Getreuen wollen das verhindern und unterstützen eine bislang weitgehend unbekannte Gegenkandidatin. Sämtliche Kompromissversuche vor dem Parteitag sind gescheitert, nun dürfte es im Kultur- und Kongresszentrum von Gera zum Showdown kommen. »Es ist, als würden in Thüringen zwei D-Züge aufeinander zurasen – und alle schauen, teils mit Entsetzen, teils neugierig, zu«, so hat es Steffen in seinem Vorbericht geschrieben. »Der Aufprall könnte mit einem Totalschaden für Wagenknechts Politprojekt enden und den Freistaat Thüringen erneut ins politische Chaos stürzen.« Sollte Wolf den Landesvorsitz verlieren, könnte in Thüringen nämlich auch die sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD platzen. Wagenknecht und ihre Unterstützer sehen die Regierungsbeteiligung kritisch. (Wie Wagenknecht mit der Niederlage des BSW bei der Bundestagswahl umgeht, lesen Sie hier .)
Wie geht das aus?
»Eine Prognose lässt sich kaum wagen, auch weil das Bündnis eine eigenartige Partei ist«, sagt Steffen. »Es gibt keine Delegierten für Parteitage, sondern jedes Mitglied kann kommen. Derzeit sind das etwa 130, so genau weiß es keiner, weil allein die Bundespartei über Aufnahmen entscheidet. Wie die 130 Leute ticken, kann niemand voraussagen.«
Um 10 Uhr soll es in Gera losgehen.
Mehr Hintergründe hier: Wagenknechts Gegenspielerin muss allein in die Schlacht ziehen
Eine Frau sucht ihre Rolle
Nochmal zu Donald Trump, zumindest mittelbar. Als der US-Präsident vor knapp zwei Monaten im Oval Office zusammen mit seinem Vize JD Vance über Wolodymyr Selenskyj hergefallen war, meldete sich eine Frau in den sozialen Netzwerken zu Wort. »Heute ist klar geworden, dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht«, schrieb Kaja Kallas, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. (Wie Trump den ukrainischen Staatschef zuletzt erneut attackiert hat, lesen Sie hier .)
Der Satz war treffend, er war mutig. Aber er kam offenbar bei vielen in Brüssel nicht gut an, wie mein Kollege Timo Lehmann in einer lesenswerten Geschichte über Kallas beschreibt.

Außenbeauftragte Kallas: Als wäre sie die Chefanklägerin
Foto: Dumitru Doru / EPADie Estin gelte hier zwar »als aufrechte Kritikerin eines imperialen Russlands«, schreibt Timo. »Doch selbst jene in Brüssel, die Kallas’ harte Haltung gegenüber Russland begrüßen, stören sich an ihrem Stil. In der Diplomatie helfe ein Freund-Feind-Schema nicht immer weiter, sagt ein Diplomat. Kallas tritt oft auf, als wäre sie die Chefanklägerin Europas, nicht dessen Chefdiplomatin.«
Letztlich geht es um die Frage, wie undiplomatisch man jemandem wie Trump gegenübertreten darf, der von diplomatischem Auftreten ungefähr so viel hält wie durchschnittliche Pubertierende von regelmäßigem Duschen. Und es geht um eine Frau, die ihre Rolle erst noch finden muss. Aber lesen Sie selbst.
Die ganze Geschichte hier: Die Undiplomatin
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Es geht um Bilder, nicht um die Botschaft: Zur Beerdigung des Papstes werden hochrangige Politiker anreisen. Von der Botschaft, die der Papst zu Lebzeiten verkündet hat, wollen sie nichts wissen. Das ist bitter .
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Gewinnerin des Tages…
…ist die Stadt Werder an der Havel. Dort beginnt heute der erste Teil des Baumblütenfests, das zum 146. Mal gefeiert wird und zwar nicht das Oktoberfest, aber auch nicht irgendein Fest ist, sondern in Brandenburg eine Institution. Heute öffnen zunächst die Höfe und Gärten zur Obstweinverkostung, das eigentliche Volksfest und der Rummel stehen erst nächste Woche an. Spätestens dann dürften sich einige Werderaner fragen, ob sie wirklich Gewinner oder doch eher Verlierer sind. Wer zu viel Obstwein hatte, wird ihn (und den restlichen Mageninhalt) gern mal im nächstgelegenen Hauseingang los, wie ich aus familiärer Verbindung weiß. Manche Einwohner sollen sogar so weit gehen, zur Baumblüte ihre Türen zu verrammeln und zu verreisen.
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Charlie Riedel / picture alliance / AP Photo
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