Die Besten vom Punkt: Und plötzlich lag das Momentum bei Portugal. 120 Minuten im Nachbarschaftsduell mit Spanien hatte der vermeintliche Außenseiter überstanden, zwei Rückstände aufgeholt. Und nun: Die Paradedisziplin, das Elfmeterschießen, vor den eigenen Fans. Torhüter Diogo Costa gilt als vielleicht bester Elfmetertöter des Kontinents.

Diogo Costa macht das, was er am besten kann: Elfmeter parieren
Foto: Michael Probst / APUnd Costa packte zu. Spaniens Álvaro Morata, extra für das große Finale eingewechselt, fand im 25-jährigen Keeper seinen Meister. Rúben Neves machte es gleich darauf besser, sein Treffer beendete das Spiel. Zum zweiten Mal nach der Debütsaison 2018/2019 geht der Nations-League-Titel an Portugal, dieses doch so kleine Land an der Atlantikküste, nur 10,5 Millionen Einwohner stark. Wieder scheint es eine Generation an Fußballern hervorgebracht zu haben, auf die manch größere Nation mit Bewunderung schaut.
Das Ergebnis: 5:3 im Elfmeterschießen geht das iberische Duell an Deutschland-Bezwinger Portugal, Spanien hat im Finale der Nations League das Nachsehen. Nach 90 wie nach 120 Minuten hatte es 2:2 gestanden. Hier geht es zur Spielmeldung.
French Omen? Ein Festtag wurde es für die Sportnation Spanien zumindest am frühen Abend. Carlos Alcaraz rang im Finale der French Open seinen italienischen Rivalen Jannik Sinner nieder, der Fünfsatzkrimi geht als bislang längstes Endspiel in die Turniergeschichte ein. Tennis-Ausnahmekönner Alcatraz galt den Spaniern bislang als gutes Omen: Als der Mann aus Murcia im Vorjahr das Finale von Wimbledon gewann, wurden Spaniens Fußballer am selben Tag Europameister. Diesmal brachte Alcaraz kein Glück.
Aus dem Baskenland nach oben: Wo Alcaraz ein Comeback bemühen musste, dominierte La Roja den Start. Und das, obwohl lange nicht die ganze Elf bei internationalen Topklubs unter Vertrag steht. Torwart Unai Simón und Linksaußen Nico Williams vom Athletic Club aus Bilbao etwa, dazu kommen Sechser Martín Zubimendi und Stürmer Mikel Oyarzabal von Real Sociedad aus San Sebastián – das Herz des spanischen Spiels entstammt dem Norden des Landes, wo die fußballverrückten Basken hausen. Zu sehen beim 1:0: Oyarzabal lässt Abwehrmann Gonçalo Inácio per Hackentrick ins Leere laufen, Zubimendi treibt den Ball nach vorne. Dort bringt Lamine Yamal die Flanke in den Strafraum, der nachgerückte Zubimendi drückt den Ball über die Linie (26.). Um Zubimendis Dienste sollen sich der FC Arsenal und Real Madrid reißen – zwei Klubs, trainiert von den Basken Mikel Arteta und Xabi Alonso.

Martín Zubimendi gehört zu den begehrtesten Mittelfeldspielern Europas
Foto: Angelika Warmuth / REUTERSDer Beschleuniger: Derart flüssige Angriffe hatte Portugal bis hierhin nicht in petto. Umso beeindruckender, dass das Team von Roberto Martínez quasi umgehend hochschalten konnte – auf seine ganz eigene Art und Weise: Cristiano Ronaldos Übersteiger taugen dieser Tage nicht mehr dazu, Gegner aussteigen zu lassen. Wohl aber kaufen sie Zeit, bis Mitspieler nachrücken. So machte CR7 zunächst den Ball fest, ehe Pedro Neto auf dem linken Flügel übernahm und Nuno Mendes fand. Der Linksverteidiger, Stammkraft bei Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain, nahm sofort Tempo auf, zog in den Strafraum und stellte auf 1:1.

Nuno Mendes wurde als Spieler des Spiels und der Nations-League-Saison ausgezeichnet
Foto: Annegret Hilse / REUTERSBlick auf den Goldkurs: Ein Subtext des Final Fours der Nations League war auch derjenige des letzten Schaulaufens für den nächsten Ballon d'Or. Der begehrte Individualpreis kennt derzeit keinen klaren Favoriten. PSG-Stürmer Ousmane Dembélé, Liverpools Mohamed Salah, auch Barça-Juwel Lamine Yamal zählen noch zu den Hoffnungsvollen. Im Halbfinale eliminierten Yamals Spanier nun Dembélés Franzosen, der Ägypter Salah ist beim Uefa-Wettbewerb Nations League gar nicht vertreten. »Am besten ist es, auf dem Platz zu sprechen«, sagte Yamal zum Fernduell um den Goldenen Ball. Die prägenden Akteure des Endspiels waren aber andere.
Ein Hauch von 2016: Stürmer Oyarzabal etwa, der nach Außenristzuspiel von Pedri vollstreckte (45.). Aber auch: Cristiano Ronaldo, dieses Fußball-Monument, das auch im Vorruhestand noch fleißig knipst. Ein weiterer Mendes-Antritt, eine abgefälschte Flanke, und dann war er zur Stelle (61.). Wie einen Schuljungen drückte Ronaldo den indisponierten Marc Cucurella weg, sehr zur Freude des Münchner Publikums. Der Rest war für CR7 auch mit 40 Jahren nur Formsache – aber auch die letzte echte Aktion: Bis in die 88. Minute schleppte sich der Altmeister angeschlagen durchs Endspiel, dann machte Ronaldo Gonçalo Ramos Platz. Wie beim EM-Finale 2016 konnte ein verletzter Ronaldo nur zusehen, wie seine Landsleute die Partie zu Ende brachten.

Cristiano Ronaldo umarmt Trainer Roberto Martínez auf dem Weg vom Platz
Foto: Lars Baron / Getty ImagesDie nächste goldene Generation: Schlussphase, Verlängerung – sie gestalten sich ruhig, auch, weil sich auf den Rängen irgendwann herumsprach, dass es nahe der Pressetribüne einen medizinischen Notfall gegeben hatte. Ausgelassen gefeiert wurde dann erst wieder, als die Portugiesen ihren Titel zelebrierten. »Wenn wir diesen Zusammenhalt haben, sind wir schwer zu schlagen«, sagte Bruno Fernandes nach Abpfiff. Fernandes ist mit seinen 30 Jahren jenseits des außer Konkurrenz laufenden Ronaldo bereits ein Oldie im Team. João Neves, 20, Mendes, 22, und Vitinha, 25, gewannen zuletzt gemeinsam mit Paris die Champions League, das Gros des Kaders ist zwischen 21 und 26 Jahren alt. Auf die nächsten zwei, drei Großturniere darf Portugal sich auf alle Fälle freuen.