17 Bilder Deutschland gegen Portugal in der Einzelkritik

Marc-André ter Stegen, Tor: Fast neun Monate hatte ter Stegen im Nationalteam verletzt gefehlt. Zur Wiedereingliederung durfte der Barça-Keeper gleich mal einen Schuss von Cristiano Ronaldo parieren (6. Minute). Aber irgendwie fremdelte ter Stegen nach so langer Abwesenheit noch mit dem Spiel. Seine Fußarbeit, sonst außergewöhnlich, war diesmal fahrig. Gegen den erhabenen Treffer von Francisco Conceição aus 20 Metern hätte er auch in Topform nichts ausrichten können (63. Minute). Als zwei Minuten später Ronaldo zum Sieg traf, war der Schlussmann längst geschlagen (65.). Ter Stegen parierte dann noch dreimal herausragend kurz vor Schluss. Trotzdem gibt es sicher schönere Tage der Rückkehr.
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Joshua Kimmich, Abwehr: Mit der Partie gegen Portugal ist der Kapitän zu einer sehr exquisite Runde gestoßen: 100 Länderspiele für Deutschland haben vor Kimmich nur 13 andere Spieler erreicht – Franz Beckenbauer etwa (103), Thomas Müller (131) oder Lothar Matthäus (150). Es ist eine Marke für ganz Große. Im Gegensatz zu allen 13 Hundertern vor ihm hat Kimmich aber mit dem DFB-Team noch keinen wichtigen Titel gewonnen – trotz der Teilnahme an fünf großen Turnieren. Gegen Portugal war Kimmich wieder der große Vorkämpfer des DFB-Teams. Das 1:0 von Florian Wirtz (48.) bereitete er mit einem feinen Lupfer hinter die Abwehr vor, Kimmichs Markenzeichen. Es war seine sechste Vorlage im neunten Spiel dieser Nations League. Zwei eigene Treffer hat er zudem erzielt. Kimmich ist Deutschlands wichtigster Spieler im Moment. Den portugiesischen Überfall in Hälfte zwei konnte er aber auch nicht verhindern.
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Jonathan Tah, Abwehr: In dem Stadion, in dem er bald öfter zu sehen sein wird, der Heimstätte seines neuen Klubs FC Bayern, begann Tah gegen Portugal seltsam wackelig. Ein leichter Stellungsfauxpas hier, ein Fehlpass dort. So verscheucht man jegliches Sicherheitsgefühl einer Defensive. Auch in der zweiten Hälfte ging das weiter so. Diesmal war Tah ein Risiko für die eigene Mannschaft.
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Robin Koch, Abwehr: Der Frankfurter war der einzige Feldspieler, der bei der EM 2024 keine einzige Minute spielen durfte. Dieses Mal durfte er – und spielte in der Anfangsphase ebenfalls zu oft zum Gegner. So bleibt man für seine Mitspieler eigentlich ein Fremder auf dem Rasen. Aber dann beeindruckte Koch einmal in großer Not und kochte (entschuldigen Sie!) Pedro Neto ab (33.). Plötzlich war er im Spiel, verließ es aber in Hälfte zwei schnell wieder, als die Portugiesen ernst machten.
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Waldemar Anton, Abwehr (bis 71. Minute): Ja, Fehlpässe, auch Anton machte da zunächst fleißig mit. Allein, im Spielaufbau erhielt der Dortmunder seltener den Ball. Rückte zu spät vor dem 1:1 durch Conceição aus der Abwehr heraus (63.). Reihte sich ein in eine schwache deutsche Defensive.
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Felix Nmecha, Mittelfeld (ab 71., für Anton): Beim Blick in die Aufzeichnung muss man feststellen: Nmecha war überhaupt kein Faktor.
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Maximilian Mittelstädt, Abwehr (bis 60. Minute): Seine Qualitäten liegen vor allem in der Offensive. Der Stuttgarter war dort diesmal aber selten auffällig und musste schon früh vom Platz.
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Robin Gosens, Abwehr (ab 60., für Mittelstädt): War lange nicht mehr dabei. Seine gute Saison in Florenz brachte ihn zurück ins Nationalteam. Gegen Portugal machte Gosens bei der EM 2021 einst das Spiel seines Lebens und traf sogar. Diesmal kam er rein und verlor sofort ein entscheidendes Laufduell gegen Conceição vor dessen 1:1. Es könnte sein, dass Gosens wieder etwas länger nicht dabei sein wird.
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Aleksandar Pavlović, Mittelfeld (bis 71.): Als Deutschland zum bis dahin letzten Mal gegen Portugal vor fast 25 Jahren verloren hatte, war Pavlović noch nicht einmal geboren. Der 21-Jährige ist der jüngste Spieler im aktuellen deutschen Aufgebot. 2004 kam Pavlovic in München auf die Welt, da war Siegtorschütze Ronaldo schon Nationalspieler. Der Bayern-Profi gilt als Spieler der Zukunft im deutschen Mittelfeld. Das konnte man diesmal aber bestenfalls nur mit viel Fantasie erahnen.
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Karim Adeyemi, Mittelfeld (ab 71., für Pavlović): Der Klang von Aluminium, wenn ein Ball dagegen knallt, wird ihn vermutlich die ganze Nacht verfolgen. Der Dortmunder kam ins Spiel und hatte die Ausgleichschance auf dem Fuß. Doch sein strammer Schuss flog an den Pfosten (83.).
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Leon Goretzka, Mittelfeld: Hätte nach 21 Minuten eigentlich schon zum Jubel abdrehen wollen, als sein satter Flachschuss in Richtung Tor flog. Aber Portugals starker Keeper Diogo Costa reagierte herausragend. War nicht so effektiv beim Pressing der gegnerischen Defensive wie sonst. Dadurch gab es wenige schnelle Ballgewinne, das deutsche Spiel wirkte behäbig. Konnte der portugiesischen Übermacht in Hälfte zwei nicht wie gewohnt eigene Wucht entgegensetzen. Auch das war ein Grund für die deutsche Niederlage.
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Leroy Sané, Mittelfeld (bis 60.): Er hatte zuletzt schlechte Presse wegen seines Vertragspokers mit dem FC Bayern. Teile des Münchner Publikums pfiffen ihn in diesem Stadion aus. Der Druck, gegen Portugal mit Leistung zu überzeugen, war enorm. Aber Sané war zunächst der agilste deutsche Angreifer. Er bereitete Goretzkas Chance vor, fiel dann jedoch sehr ab und verließ früh den Rasen. Gelegenheit ungenutzt gelassen für bessere Presse.
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Serge Gnabry, Mittelfeld (ab 60., für Sané): Fiel nach seiner Einwechslung nur mit Fehlpässen und schwachem Pressing auf. Vielleicht ist seine Zeit in der Nationalelf vorbei?
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Florian Wirtz, Mittelfeld: Machte auch schon sein 30. Länderspiel. Mit seiner Ankunft in der Stammelf des DFB-Teams hat sich das Spiel dieser Mannschaft verändert. Es wurde fantasievoller, zielgerichteter, deutlich hochwertiger. Aber gegen Portugal wirkte Wirtz eine Hälfte lang fast wie ein gewöhnlicher Künstler. Eine seiner vielen Stärken, die Balleroberung in des Gegners Hälfte, war fast gar nicht zu sehen. Das änderte sich mit Wiederanpfiff: Balleroberung Wirtz, Flanke Kimmich, Kopfballtor Wirtz (48.). 150 Millionen Euro will der FC Liverpool für den Leverkusener wohl ausgeben. Nur zwei Spieler waren überhaupt je teurer (Neymar und Kylian Mbappé). Weil die Portugiesen aber sofort zurückschlugen, wurde es nicht der Abend des Florian Wirtz. Es wird jedoch noch viele Wirtz-Abende geben. So viel ist sicher.
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Nick Woltemade, Angriff (bis 60.): Zum ersten Mal im Kader und sofort durfte der 1,98 Meter große Stuttgarter beginnen. Die Nationalelf-Eingewöhnung dauerte fast 20 Minuten, bis Woltemade die bis dahin beste Chance des Spiels vergab. Sein Schuss aus elf Metern vereitelte Costa (19.). Mit das Schwerste im Fußball ist es, sich einem deutlich gestiegenen Niveau schnell anzupassen. Woltemade ist das nach seinem Wechsel zum VfB vor einem Jahr erstaunlich gut gelungen. Beim DFB-Team blieb er den Nachweis diesmal noch schuldig.
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Niclas Füllkrug, Angriff (ab 60., für Woltemade): War nach seinem Wechsel zu West Ham United sechs von neun Monate in der abgelaufenen Saison verletzt. Dass dem Angreifer die Spielpraxis fehlt, sah man nach seiner Einwechselung.
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Julian Nagelsmann, Trainer: Der 37-Jährige musste diesmal Improvisationskünstler sein. Zahlreiche Ausfälle (insgesamt zehn Spieler) schwächten sein Team. Deshalb ist diese Niederlage gegen die in der zweiten Hälfte beeindruckenden Portugiesen kein großer Rückschlag. Allerdings hatte Nagelsmann einen Anteil an dem 1:2. Sein Dreifach-Wechsel in der 60. Minute destabilisierte seine Elf. Der Bundestrainer verwechselte sich. Nagelsmann muss sich eingestehen, dass sein Kader qualitativ nicht so breit aufgestellt ist wie die Aufgebote der anderen europäischen Topteams (etwa Portugal, Spanien, Frankreich oder England). Aber: Nagelsmanns Mannschaft war elf Monate lang ungeschlagen. Das zeigt, dass die Richtung stimmt. Nagelsmann, neuerdings Schnauzbartträger, hatte vor dem Spiel die Geschichte erzählt, wie er als Schüler mal einen Deutsch-Aufsatz über sein Gesäß geschrieben und dafür sogar einen Preis gewonnen hatte. Will er irgendwann etwas Höherwertiges mit dem DFB-Team gewinnen, muss Nagelsmann auch hoffen, dass sich nicht allzu viele seiner Topspieler verletzen. Und er muss an den eigenen Wechseln arbeiten.
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