Nach Cyberangriff auf Nius: Reichelt feuert gegen „Spiegel“ und „t-online“

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Am vergangenen Wochenende wurde das Portal „Nius“ des früheren „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt Opfer eines Cyberangriffs. Die Website sei dabei optisch umgestaltet und die Datenbank mit mutmaßlichen Informationen über Nius-Abonnenten veröffentlicht worden. Das berichtete zuerst das Portal „Heise online“. Alle Überschriften auf der Website von Nius seien durch eine URL – also die Adresse einer Website – ersetzt worden, die auf eine externe Seite führte. Dort fanden sich offensichtlich Daten von rund 5700 Nius-Abonnenten, Vornamen und Namen, E-Mail-Adressen und verkürzte respektive pseudonymisierte Kreditkarten- oder Kontoinformationen. Auch Informationen zum gewählten Abonnement-Typ seien einsehbar gewesen.

Darüber ist nun ein Streit zwischen Nius-Chef Julian Reichelt, „t-online“ und dem „Spiegel“ entbrannt. Reichelt erklärte auf der Plattform X, dass „t-online“ und der „Spiegel“ sich eine „schwere Straftat“ zunutze machten, „um ihre politische Agenda zu verfolgen“. Außerdem wirft er „t-online“ vor, die gestohlenen Daten von Nius-Abonnenten „missbraucht“ zu haben. Es ginge „t-online“ darum, den Betroffenen „Angst einzujagen“, dass sie irgendwo „bloßgestellt“ werden könnten.

„Eine durch kriminelle Energie ermöglichte Berichterstattung“

Zudem lägen ihm Informationen vor, dass der „Spiegel“ Opfer des Datenhacks kontaktiere und bedränge. „Das ist ein Tiefpunkt, den ich mir nicht hätte vorstellen können.“ Das sei eine „Vernichtungskampagne“, der „Spiegel“ missbrauche „Hehlerware für die eigene Politagenda“. Den Angriff auf die Website habe man zur Anzeige gebracht, bestätigt er. Darüber hinaus habe Nius „die Polizei darüber informiert, dass Journalisten des ,Spiegels‘ nun gestohlene Daten nutzen, um unsere Abonnenten zu bedrängen“. Reichelt forderte „t-online“ auf, die „erst durch kriminelle Energie ermöglichte Berichterstattung“ zu löschen und sich dafür zu entschuldigen.

Reichelt bezieht sich auf einen Artikel des Leitenden Redakteurs Recherche von „t-online“, Lars Wienand. Darin befasst dieser sich mit dem Datensatz, der auch Aufschluss darüber gebe, welche Einnahmen das Portal durch Abos erziele. Im Vorspann des Artikels steht: „Jetzt sorgen sich manche Abonnenten, weil sich über sie so Einiges herausfinden lässt.“ Auf X schrieb Wienand: „Leak bei Nius – und was es neben Namen und Adressen von Abonnenten enthält“. Er nannte eine prominente Figur, die eine Vius-E-Mail-Adresse erhalten habe, und wie viele Nutzer ein Abo für 199,99 Euro abgeschlossen hätten.

Laut „t-online“ habe man die Daten selbst sichten können. Zu finden seien auch externe Autoren, an die die E-Mail-Adresse @vius.com vergeben worden sei. Eine solche Adresse erhielten einige Personen. Deren Namen und Berufe nennt der Artikel explizit. Dazu zählen eine frühere FDP-Abgeordnete, ein einstiger Verfassungsschutzchef, ein ehemaliger SPD-Politiker und ein Jurist. Etwas verklausuliert heißt es: Ein Teil der Betroffenen sei nur einmalig als Gastautor tätig gewesen und wisse nichts von der Vius-E-Mail-Adresse. Vius habe eine Anfrage dazu bislang nicht beantwortet. Aus dem Artikel von Wienand geht nicht eindeutig hervor, ob die Genannten Nius-Abonnenten Autoren waren.

Reichelt schaltet auf Angriff

Reichelts Vorwürfe bezeichnet Wienand gegenüber der F.A.Z. als „absurd“ und „frei erfunden“: „Ich bin verwundert, welche Maßstäbe Herr Reichelt jetzt für vermeintlich notwendige Löschungen anlegen möchte – von seinem Portal würden dann nur wenige Beiträge übrig bleiben.“ Es sei bekannt, „dass Herr Reichelt regelmäßig von eigenen Fehlern, Versäumnissen und Peinlichkeiten abzulenken versucht, indem er selbst auf Angriff schaltet“. „t-online“ habe keinerlei persönliche Daten von Nius-Kunden öffentlich gemacht. In seinem Artikel tauchen freilich Klarnamen auf.

Warum? „Es ging uns darum“, sagt Wienand, „die Bandbreite des Datensatzes zu zeigen, der nicht nur die Kundendatenbank umfasst, sondern auch Informationen zu mit der Redaktion in Verbindungen stehenden Autoren.“ Das habe er „bei einem nicht prominent in der Öffentlichkeit stehenden Autor verifiziert, der eine solche E-Mail erhalten hat und darüber irritiert war. Um es zu veranschaulichen, haben wir ausschließlich einige wenige Personen des öffentlichen Lebens beispielhaft genannt, deren Verbindung uns unzweifelhaft journalistisch relevant erschien. Eine Anfrage zur Systematik der Mail-Adressen hatte Vius leider nicht beantwortet.“

Im Gespräch mit der F.A.Z. entgegnet Julian Reichelt: „Ich finde das meiste, was Herr Wienand sagt, absurd und frei erfunden.“ Wienand habe persönliche Daten öffentlich gemacht. „Sein Vorwurf geht ins Leere“, sagt Reichelt. Entscheidend sei für ihn: „Wienand hat personenbezogene Daten, die vertraulicher und sensibler nicht sein könnten, aus einer Straftat öffentlich gemacht – in der ihm eigenen Intonierung.“ Es sei unerheblich, ob die Betroffenen Gastautoren oder Gäste waren: „Das ist ihre freie Entscheidung und geht niemanden was an.“ Solche Daten zu veröffentlichen, sei eine „Einschüchterungsmethode“.

„Das ist ein Dammbruch“, so Reichelt. „Und das soll ein klares Zeichen senden, an all die Leute, die davon ja auch betroffen sind.“ Um zu zeigen, was mit dem Zeichen gemeint sei, erinnert er an eine „gute, alte Mafia-Parole“: „Seid euch mal nicht zu sicher, wäre doch schade, wenn euer schönes Restaurant auch abbrennen würde.“ Zudem sei es bemerkenswert, wie die Kommentare zu Wienands Post auf X ausfielen. „Das ist ihm in seiner eigenen Bubble ja volle Kanone um die Ohren geflogen.“

Reichelt wittert eine linke Agenda

Reichelt macht deutlich, was ihn beim „Spiegel“ stört. An Nius hätten sich „mehrere extrem besorgte Abonnenten gewendet und uns die Mails vom ,Spiegel‘ zur Verfügung gestellt“. Da gehe es auch um Politiker, Mitglieder linker Parteien, die sagten: „Wenn der ,Spiegel‘ macht, was die da planen, dann fürchte ich um meine Existenz.“ Wie er die Agenda dahinter einschätze, habe er auf X gesagt.

„Das linke Medienlager ist (. . .) in Panik und scheut vor wirklich gar nichts zurück, um Menschen einzuschüchtern, die nicht links sind“, schrieb er. Und es gebe, so Reichelt, ein weiteres Indiz dafür, dass er nicht allzu falsch liege. Es gebe den Post des „Spiegel“-Redakteurs Anton Rainer auf Bluesky, in dem er schrieb, dass „die Abonnentendaten noch lange online waren und wir keine Privatpersonen doxxen“ und unklar gewesen sei, ob die Daten echt seien. Reichelt sagt, der Vorgang sei zu dem Zeitpunkt längst bestätigt gewesen.

„Bisher habe ich den Eindruck, dass man sich beim ,Spiegel‘ gegen diesen Dammbruch entschieden hat“, sagt Reichelt und verweist auf den dazu publizierten „Spiegel“-Artikel. „Das fand ich vollkommen sauber und in Ordnung.“ Auf Anfrage der F.A.Z. weist der „Spiegel“ auf ebenjenen Artikel hin, der am Mittwoch erschien. Auf den Fragenkatalog der F.A.Z. wurde nicht weiter eingegangen. Der Artikel stellt klar, dass der „Spiegel“ seit Montag stichprobenartig einige in der Datenbank genannte Personen kontaktiert habe, um die Echtheit des Datensatzes einschätzen zu können.

Allen Angefragten sei versichert worden: „Wir vom ,Spiegel‘ werden diese Daten selbstverständlich nirgends weiterveröffentlichen, und auch Ihr Name wird nicht in unserer Berichterstattung zu dem Vorfall vorkommen.“ Das Magazin betont: „Anders als Reichelt es später auf X darstellte, wurden die potentiell Betroffenen vom ,Spiegel‘ nicht ,bedrängt‘, sondern in neutral gehaltener Form um Auskunft gebeten.“

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