Claus Peymanns fünfundachtzigsten Geburtstag feierten wir mit vielen Wegbegleitern vor drei Jahren in seinem verwunschenen Garten. Nachdem die Nacht angebrochen war, fragte mich ein Nachbarsmädchen, ob ich wisse, wo „der Peymann“ sei. Das Mädchen hatte ihm eine Krone gebastelt und wolle ihm diese übergeben. Anstatt ihm die Richtung zu zeigen, wo er saß, griff ich nach meiner Kamera, führte es zu ihm und fotografierte die Übergabe. Sofort kontrollierte ich das Bild und war traurig, dass ich diesen besonderen Moment nicht festhalten konnte, denn es war viel zu dunkel. Das Foto war komplett schwarz.
Ein großer, ein streitbarer Mensch ist von uns gegangen. Er prägte den deutschsprachigen Theaterraum wie eine Urgewalt, wie ein Orkan, dem man als künstlerischer Mitstreiter seine Segel anpassen musste, um nicht um-, sondern mitgerissen zu werden. Er war nicht nur mein erster und bislang einziger Intendant als Schauspieler, war nicht nur mein Theatervater, der mich von der Schauspielschule ans Berliner Ensemble holte, Vertrauen in mich setzte und mich derart mit zu großen Rollen überforderte, dass ich daran wachsen durfte – vor allem wurde er über zehn Jahre mein Mentor auf der Suche nach Visionen, denen wir auf den undenkbarsten Umwegen nahezukommen versuchten.

Mich auf diese Reise mit ihm einzulassen – mit allem, was dazugehört, allen Widrigkeiten, aller Hilflosigkeit beim Festhalten-Wollen flüchtiger Theaterglücksmomente, der Resignation beim Sich-Eingestehen-Müssen, das nicht zu schaffen, und manches Mal seine Vision – wenn auch nicht reproduzierbar – aus der Realität meißeln zu können –, ließ mich im Windschatten seiner Komplizenschaft etwas Unerwartetes finden: sein Bedürfnis nach Zärtlichkeit und seine Sehnsucht nach jener Wahrhaftigkeit, die nur aus der Naivität einer kindlichen Seele entstehen kann.
Lieber Claus, ich empfinde große Trauer bei dem Gedanken, dass du nicht mehr da bist. Doch ich habe die Hoffnung, dass es sich dabei ganz wie mit diesem Foto verhält: Damals ging ich im Morgengrauen die Fotos durch und bemerkte, dass ich mich geirrt hatte. Ich musste nur den Belichtungsregler hochziehen, und es zeigten sich die Konturen des Glücks, nach dem du immer gesucht hast.
Sabin Tambrea ist Film- und Theaterschauspieler sowie Schriftsteller. 2021 erschien sein Debütroman „Nachtleben“ (Atlantik).