Italien und acht weitere EU-Länder fordern mehr Freiraum, um kriminelle Ausländer auszuweisen. Der Europarat warnt vor einer Schwächung der Menschenrechtskonvention.
25. Mai 2025, 3:30 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, Reuters, AFP, vsp
Der Europarat hat die Initiative von neun europäischen Ländern kritisiert, die Ausweisung krimineller Ausländer zu erleichtern. Die Regierungen der Länder wollen erreichen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine bisherige Auslegung der Europäischen Menschrechtskonvention aufweicht.
"In einer Gesellschaft, in der Rechtsstaatlichkeit herrscht, sollte keine Justiz unter politischen Druck geraten", sagte Europarat-Generalsekretär Alain Berset am Samstag. Institutionen, die die Grundrechte schützten, dürften sich nicht politischen Zyklen beugen. "Wenn sie es doch tun, riskieren wir, genau die Stabilität zu untergraben, für die sie geschaffen wurden. Der Gerichtshof darf nicht als Waffe eingesetzt werden – weder gegen die Regierungen noch von ihnen selbst."
Der Europarat – eine von der EU unabhängige Organisation zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Demokratie in 46 Ländern Europas – stellt sich damit klar gegen einen offenen Brief von Italien und acht weiteren EU-Staaten. Diese hatten am Donnerstag die Arbeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinterfragt und von der EU "mehr Spielraum auf nationaler Ebene" gefordert, um ausländische Straftäter abzuschieben. Neben Italien unterzeichneten Dänemark, Polen, Österreich, Belgien, Estland, Lettland, Litauen und Tschechien den Brief.
EU-Staaten fordern Debatte über Menschenrechtskonvention
Die Länder argumentieren, dass sich die internationale Lage fundamental geändert habe und Menschen die Ländergrenzen in einer "komplett anderen Größenordnung" überschreiten würden. Es sei an der Zeit, eine Diskussion zu führen, wie die internationalen Konventionen den Herausforderungen der Zeit gerecht würden. Die bisherige Interpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention habe in manchen Abschiebefällen zum Schutz der falschen Personen geführt.
In seiner Reaktion betonte Europarat-Generalsekretär Berset, ein Schweizer, die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liege darin, die Rechte und Werte der Mitgliedstaaten zu schützen. Grundlage dafür sei die Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichtshofs. Berset warnte zudem, der Gerichtshof sei das einzige internationale Gericht, das über Menschenrechtsverletzungen im Kontext des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine urteile. "Dies sollte nie untergraben werden."
Der Gerichtshof hatte in den vergangenen Jahren mehrere Staaten wegen ihres Vorgehens gegen illegale Migration verurteilt. Unter anderem hatte er 2022 von Großbritannien geplante Abschiebeflüge nach Ruanda gestoppt. In Italien war die Regierung von Giorgia Meloni im Jahr 2022 mit dem Versprechen an die Macht gekommen, härter gegen Migration vorzugehen. Dänemark hat in den letzten zehn Jahren seine Einwanderungspolitik stetig verschärft.