Meret-Oppenheim-Ausstellung in Basel

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Wäre Meret Oppenheim von Geschäftssinn geleitet gewesen, hätte sie sich auf ewig als Pelztassentante vermarktet. Nach dem berühmten „Objekt“ aus dem Jahr 1936, für das sie als junge Künstlerin unter den Surrealisten in Paris, inspiriert von einem launigen Austausch mit Pablo Picasso und Dora Maar, ein Kaffeehausgedeck mit Gazellenpelz überzog und das noch im selben Jahr vom Museum of Modern Art in New York gekauft wurde, hätte sie ein haariges Ding nach dem anderen produzieren können. Doch solches Kalkül lag der 1913 in Berlin geborenen deutsch-schweizerischen Künstlerin fern. Sie hatte anderes im Sinn: „Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen“, lautet ein Zitat von ihr.

Emanzipiert, ohne mit der Wimper zu zucken

Von dieser Freiheit im künstlerischen Ausdruck zeugt die kleine, feine Retrospektive, die zur Zeit in den Räumen der Galerie Hauser & Wirth in Basel zu sehen ist. Da schaut einem über die Flucht zweier Räume hinweg gleich beim Eintreten eine Dauerbetrachtete entgegen, als wollte sie die Blickgewalt an sich reißen: „Das Auge der Mona Lisa“ malte Meret Oppenheim 1967, ein halbes Jahrhundert, nachdem der mit Surrealismus und Dadaismus verbundene, als Vater des Ready-mades gefeierte Marcel Duchamp seine Gioconda mit Schnurrbart geschaffen hatte. Heimlich waren Duchamp und sie für eine kurze Weile ein Liebespaar.

 Meret Oppenheim,  „Daphne und Apoll“, 1943, Öl auf Leinwand, 140 mal 80 ZentimeterUmdeutung des Mythos’: Meret Oppenheim, „Daphne und Apoll“, 1943, Öl auf Leinwand, 140 mal 80 Zentimeter2025, ProLitteris, Zurich

Meret Oppenheims kleinformatiges Augenbild in Öl ist eine Reminiszenz an ihre Zeit als „Muse“ von Surrealisten wie Man Ray, der sie 1933 nackt an einer Druckerpresse inszenierte, demonstriert aber vor allem ihre Fähigkeit zur emanzipatorischen Subversion: Ein vertrautes Bildelement wird isoliert zu etwas Unheimlichem, das Autonomie ausstrahlt. Das Detail aus Leonardos ikonischem Bild erinnert an das Symbol des Auges Gottes. Doch anders als in der patriarchal geprägten christlichen Ikonographie übt bei Meret Oppenheim ein weibliches Auge Macht aus. Der feministisch umgelenkte Blick der Mona Lisa folgt einem in der Ausstellung überall hin.

Insgesamt 24 Arbeiten sind versammelt, Zeichnungen, Gemälde und Objekte vor allem aus Privatsammlungen, darunter Käufliches in einer Preisspanne von 75.000 bis 800.000 Franken. Das früheste Werk, „Erlkönigin“ von 1940, deutet im Bild Goethes naturmagisches Gedicht vom kindermordenden Erlkönig weiblich um; das späteste, „Die Spirale“ aus Bronze und Glas von 1977, versinnbildlicht den Kreislauf des Werdens und Vergehens.

 Meret Oppenheim, „La Dame Bleue“, 1963, geschnitztes und bemaltes Holz, Höhe 110 ZentimeterSchlanke Schönheit: Meret Oppenheim, „La Dame Bleue“, 1963, geschnitztes und bemaltes Holz, Höhe 110 Zentimeter2025, ProLitteris, Zürich

Zwischen Abstraktion und Figuration hat Meret Oppenheim sich einen eigenen Weg gebahnt, ob kurz nach ihrer Ankunft 1932 in Paris mit ihrer Freundin Irène Zurkinden (der die Kulturstiftung Basel H. Geiger bis 7. September eine Ausstellung widmet), während einer Schaffenskrise, die sie mit einer Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Basel überbrückte oder in ihrem weit gefächerten späteren Werk. Sie dichtete und entwarf Möbel, Schmuck, Kleidung oder Brunnen, schuf Objekte, malte, zeichnete. Die Vielfalt ihres Lebenswerks, das sie bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1985 verfolgte, kann die Kabinettausstellung nicht abbilden, aber exemplarisch seine Reichhaltigkeit zeigen.

Immer wieder geht es um Blickwechsel: Der „Tierköpfige Dämon“ von 1961 aus einer Standuhr, die von einem Keil durchbohrt wird, scheint René Magrittes Gemälde „Die durchbrochene Zeit“ zu reflektieren; eine „Mondlandschaft“ von 1963 weckt Assoziationen an Max Ernst – auch er ein früherer Geliebter. Wolkenbilder oder eine bislang nur in Schwarz-Weiß-Aufnahmen bekannte Holzskulptur „La dame bleue“ von 1963 weisen in andere Richtungen. Und ein Pelzobjekt gibt es dann doch, wie zum reinen Vergnügen: das „Eichhörnchen“ von 1970 aus einem Bierkrug.

„Meret Oppenheim“, Hauser & Wirth, Basel, bis 19. Juli

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