Die Rettung kam von der Bank. Igor Matanovic und Derry Scherhant haben mit ihren Treffern das so wichtige Spiel gegen Stuttgart gedreht und eine seltene Freiburger Marke aufgestellt. Beide schwärmen von einer langjährigen SC-Stärke.

Jubel über das 2:1 gegen Stuttgart: Der spätere Doppelpacker Igor Matanovic mit Torschütze Derry Scherhant und Jordy Makengo (v. li.) IMAGO/Steinsiek.ch
Nils Petersen hatte zumindest eine ganze Hälfte lang Zeit in seinem ersten Bundesliga-Spiel für den SC Freiburg - und nutzte sie zu einem historisch starken Einstand. Beim Stand von 0:1 gegen Eintracht Frankfurt eingewechselt, erlebte der frisch aus Bremen gekommene Winterzugang im Januar 2015 zunächst den Ausgleich von Vladimir Darida auf dem Platz und schnürte dann einen blitzsauberen Hattrick zum viel umjubelten 4:1-Sieg der Mannschaft von Christian Streich.
Erst zum zweiten Mal hatte der Sport-Club zu diesem Zeitpunkt drei Jokertore erzielt. Am 13. Spieltag der Saison 1996/97 war es der bereits in der 30. Minute eingewechselte Uwe Wassmer in seiner damals vierten Spielzeit im Freiburger Trikot, der beim 4:1-Erfolg in Duisburg dreimal getroffen hatte. Petersen schwang sich nach seinem Traumeinstand - trotz des einige Monate später erfolgten Abstiegs - bekanntlich zum Freiburger Rekordtorschützen (105 Treffer) und treffsichersten Joker der Bundesliga-Historie auf (34 Tore).
Am Samstag hat Igor Matanovic ein ähnlich spektakuläres Pflichtspieldebüt für den SC hingelegt. Der kroatische Nationalstürmer, der ab kurz vor dem Saisonstart im Pokal mit einer Muskelblessur ausgefallen war, wurde gegen Stuttgart erst in der 78. Minute eingewechselt. Beim Stand von 0:1 drohte sich der krachende Freiburger Fehlstart trotz ordentlicher Leistung zumindest ergebnismäßig fortzusetzen und damit zu verschärfen.
Bei der Power musste ich den Ball nur noch in die richtige Richtung lenken.
Igor Matanovic über Lukas Küblers Vorlage vor dem 1:1
Matanovic brauchte aber nur drei Minuten, ehe er aus etwa 14 Metern grätschend mit links den Ball sehenswert über den Innenpfosten ins lange Ecke der VfB-Tores wuchtete. "Es war viel Platz im Rückraum, den Ball hat Kübi (Lukas Kübler, Anm. d. Red.) überragend gespielt, sehr scharf. Bei der Power musste ich den Ball nur noch in die richtige Richtung lenken", beschrieb Matanovic hinterher seine Initialzündung, die im letztlich so wichtigen 3:1-Sieg mündete.
"Ich bin sehr glücklich, dass wir es als Mannschaft geschafft haben, das Spiel zu drehen", freute sich Matanovic, der in der Nachspielzeit mit dem ersten Strafstoß seiner Profizeit auch noch eiskalt den Schlusspunkt setzte. Zwischendrin hatte noch ein anderer Joker getroffen: Derry Scherhant. Der Sommerzugang von Hertha BSC war schon in der 63. Minute gekommen und hatte dank seines Tempos und seiner Stärke im offensiven Eins-gegen-eins direkt wichtige Akzente im zuvor lange zu harmlosen Spiel nach vorne gesetzt.
"Offene Kommunikation und familiäre Einheit"
Natürlich war auch der 22-Jährige danach "sehr glücklich. Ich versuche einfach, meine Fähigkeiten so gut es geht in die Mannschaft einzubringen". Wenn er sich seinen Premierentreffer vorher hätte ausmalen sollen, dann "genau so, vor den Fans, vor der Kurve". Und sicher auch als Teil eines wichtigen Sieges wie diesem im Prestigeduell mit dem VfB.
Angesichts der guten Bilanz der vergangenen Jahre haben Matanovic und Scherhant schon ungewöhnlich früh eine schwierige Phase beim SC durchlebt durch die Auftaktniederlagen gegen Augsburg (1:3) und in Köln (1:4). "Wir haben in der Länderspielpause die Zeit genutzt, um Fehler offen anzusprechen. Das zeichnet den Verein aus, die offene Kommunikation und familiäre Einheit sind schon sehr außergewöhnlich", findet Matanovic.
Auch Scherhant schwärmt von dieser traditionellen SC-Stärke: "Die Unterstützung untereinander ist sehr hoch, die ich seit dem ersten Tag an erlebe. Die Teamchemie hat Freiburg immer ausgezeichnet, und die spüre ich." Zusammen haben die beiden neuen Offensivkräfte für den dritten Freiburger Joker-Dreierpack gesorgt.
Reicht es schon für die Startelf in Bremen?
Da Matanovic als Mittelstürmer aber in so kurzer Zeit beim ersten Pflichtspieleinsatz einen Doppelpack schnürte, kam in seinem Zusammenhang der direkte Vergleich mit Petersen auf. Wäre es denn nicht ein passender Traum, auch eine Freiburger Legende werden zu wollen? "Warum nicht?", antwortete Matanovic mit einem Grinsen: "Nils Petersen ist ein großer Spieler. Nach dem ersten Spiel mit ihm, ich sage es ganz vorsichtig, verglichen zu werden, ist natürlich eine Ehre." Es wird an Matanovic und seiner künftigen Trefferausbeute liegen, ob dieser Vergleich noch öfter angestrengt wird.
Die Jokerkrone wird er allerdings eher nicht anstreben, selbstverständlich möchte Matanovic in der Startelf stehen, wo der 6,7 Millionen Euro schwere Zugang von Eintracht Frankfurt grundsätzlich auch eingeplant ist. Ob es für ein Anfangsmandat schon am Samstag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) in Bremen nach der längeren Verletzungspause fitnessmäßig schon reichen wird, muss sich zeigen. "Igor hatte seit vier Wochen kein Spiel, wenig Einheiten und wenig Intensität", sagte Trainer Julian Schuster, der Matanovic gegen den VfB beinahe gar nicht in den Spieltagskader berufen hätte und erst auf den letzten Drücker durch dessen hohe Torquote im Abschlusstraining überzeugte wurde.
"Die Verletzung war ein harter Schlag ein paar Tage vorm ersten Pflichtspiel. Ich hatte mich gut integriert in die Mannschaft und gut vorbereitet auf die Saison", blickte Matanovic zurück: "Das Wichtigste ist, bei Rückschlägen nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Vor einer Woche war ich noch in der Reha, jetzt stehe ich hier." Um seine beiden Tore zu kommentieren, mit denen er schon jetzt die Ausbeute aus der vergangenen Saison im Eintracht-Trikot verdoppelt hat.
Carsten Schröter-Lorenz