Linn Born in der Collection Born. Mantel: Sophia Süßmilch. Großes Bild: Cathrin Hoffmann. Kleines Bild: Selma Selman
Andrew Hall (74)
Gründer Hall Art Foundation, Kunstmuseum Schloss Derneburg, Derneburg. Menschen haben schon immer nach Transzendenz gesucht. Historisch gesehen haben sie diese in der Religion gefunden, aber wir leben in einem säkularen Zeitalter. Ich denke, dass die Kunst den Weg zur Transzendenz liefern kann. Ich interessiere mich schon seit Schulzeiten für Kunst. Ich lebe gerne mit Kunst. Ich schaue mir gerne Kunst an, ich denke gerne über Kunst nach, betrachte sie lange in meinem eigenen Tempo. Ich lerne dabei, was den Künstler bewegt, zu machen, was er macht. Es gibt eine Menge Facetten. Von Anfang an hatte ich den Ehrgeiz, meine eigenen Ausstellungen zu kuratieren, um andere Menschen mit meiner eigenen Sammlung zu erfreuen. Vielleicht ist das auch eine gewisse Eitelkeit. Niemand würde mich jemals als Kurator oder Museumsdirektor anstellen, aber ich hatte das Glück und die finanziellen Möglichkeiten, meine eigenen Ausstellungen gestalten zu können.
Andrew und Christine Hall. Im Hintergrund: Spencer Finchs Buntglasfensterarbeit „Passing Cloud (Over Derneburg)“
Artur Walther (76)
Kunstmäzen, The Walther Collection, New York und Neu-Ulm. Ich sammele Kunst aus Leidenschaft für das Medium der Fotografie und meinem tiefen Interesse an der Vielfalt menschlicher Erfahrungen. Mit meiner Sammlung möchte ich den interkulturellen Austausch und das Verständnis fördern und unterrepräsentierten Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform verschaffen, ich möchte andere dazu bewegen, die Vielfalt der menschlichen Existenz zu ergründen und ihre eigenen Annahmen und Vorurteile zu hinterfragen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kunst in unserer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, da sie die Welt um uns herum widerspiegelt, hinterfragt, kritisiert, parodiert, imitiert, abstrahiert und soziale, politische und kulturelle Fragen kommentiert. Sie ist ein Spiegel der Gesellschaft, der die dominierenden Narrative infrage stellt und so Veränderungen anregt. Die besondere Wirkung der Kunst ist, dass sie Emotionen, Empathie und Verständnis zwischen unterschiedlichen Menschen weckt.
Artur Walther in seinen Ausstellungsräumen in Neu-Ulm
Linn Born (44)
Unternehmerin im Pharmabereich, Collection Born, München. Ich stelle in der Collection Born nicht meine eigene Sammlung aus, sondern überlasse den Raum Künstler:innen und ihren Ideen. Es ist wichtig, dass auch Privatpersonen die Kunst fördern und dazu beitragen, dass kulturelle Vielfalt weiterhin besteht. Ich und die Gesellschaft brauchen die Kunst zum Überleben. Alle Künste, die auf die Sensibilität der Menschen angewiesen sind und deren Weltwahrnehmung sich dann in eine spezifische Form übersetzt, sind essenziell für uns, da manche Themen nur so reflektiert werden können. Offenheit, Akzeptanz, Neugierde, Experiment sind die Werte, auf denen meine Sammlung basiert und die sich in ihr spiegeln und mit denen ich mich umgeben will. Kunst als Spekulationsobjekte interessiert mich nicht. Es geht um die Originale und den Wert der Auseinandersetzung. Dafür braucht man nicht viel Geld. Das können auch Papierarbeiten sein, kleine Formate oder Werke von Studierenden.
Linn Born in der Collection Born. Mantel: Sophia Süßmilch, Teppich: Josep Maynou, Kunst v. l. n. r. Oliver-Selim Boualam, Selma Selman, Raphaela Vogel, Ika Künzel
Axel Haubrok (73)
Volkswirt und Unternehmensberater, haubrok collection, Berlin. Ich sammle Haltung. Die Haltungen der Künstler sind das Entscheidende. Ich bin tausendmal gefragt worden, was jetzt „schön“ ist, aber ich kaufe schon seit Jahren nicht mehr, was als schön gilt. Es geht nicht um Besitzen, sondern um die Auseinandersetzung. Stanley Brouwn hat sein Leben lang die Welt vermessen – zwei Striche, einer einen Meter lang, der andere einen Schritt. Das ist es. Künstler wie Brouwn zu verstehen und Partner für sie zu sein. Den Raum zu schaffen – woanders kriegen sie den nicht. Es gibt eine Arbeit von Sam Durant, eine Lichtbox, auf der steht „consider listening“ – erwäge es zuzuhören. Eine andere Arbeit von ihm heißt „Another world is possible“, auch das ist meine Antwort. Kunst soll Denkanstöße geben, Alternativen zeigen. Nicht um etwas Schönes in die Welt zu bringen, sondern um zu sehen, dass es anders geht. Ich mag Leute, die für eine Sache brennen. Es geht darum, über etwas nachdenken zu können, was nicht von außen finanziert ist, sondern aus Leidenschaft entsteht. Die politischen und ökonomischen Strategen optimieren sich, passen sich an, wollen gewinnen. Kunst ist anders.
Axel Haubrok inmitten David Zink Yis „diverse objects“ auf dem Gelände der Fahrbereitschaft in Berlin
Gil Bronner (62)
Immobilienentwickler, Sammlung Philara, Düsseldorf. Wenn man die intellektuelle Herausforderung annimmt, ist Kunst ein sinnlicher Genuss. Sie zu sammeln, ist eine Obsession; sie enthält auch die Gier, Dinge besitzen zu wollen. Denn mit den meisten Werken umgebe ich mich ja nicht wirklich, dafür ist die Sammlung zu groß geworden. Die Entscheidung, die Sammlung öffentlich zu machen, war ein gradueller Prozess. Irgendwann haben wir immer mehr Ausstellungen gemacht, ich habe dann eine Kuratorin eingestellt, später einen zweiten Mitarbeiter, und das Ganze wurde immer professioneller. Die ursprüngliche Idee entsprang tatsächlich einfach dem Spaß daran, die eigene Kunst zu kuratieren und Menschen zusammenzubringen. Ich bin immer wieder schockiert, wie viele wohlhabende Leute man kennt, die ihren Wohlstand doch eigentlich nur dazu nutzen, schicke Autos in der Garage stehen zu haben. Ich könnte gar nicht leben ohne Kunst. Und das ist jetzt nicht auf unser eigenes Haus beschränkt. Ich freue mich immer sehr, wenn irgendwo gute Ausstellungen stattfinden. Und einen Teil dieser Begeisterung möchte ich eben selbst der Allgemeinheit wiedergeben.
Gil Bronner, im Hintergrund: Marianna Simnetts Werk „Flood“ in der Sammlung Philara, links: Andreas Schmitten, „Hideout“
Rik Reinking (49)
Gründer des WAI, Woods Art Institute, Wentorf bei Hamburg. Ich habe mit 16 Jahren mit dem Sammeln angefangen und nicht mehr aufgehört. Ich war getrieben von Fragen nach Raum, Zeit und Gesellschaft. Zuerst dachte ich, es ginge um den Dialog zwischen mir und dem Werk, aber es interessiert mich eigentlich mehr, was die Werke miteinander machen. Ich fühlte mich in die Welt geworfen und habe durch die Kunst gelernt, mich zu verorten. Wir sind nicht nur ein Ort für bildende Kunst, sondern auch für Musik und Literatur, Kreativität. Eine Trutzburg, ein Schutzraum in einer immer rauer werdenden Welt, in der wir in einer tiefen Wertekrise stecken. Ich glaube ganz unbedingt, dass man aus der Mitte der Gesellschaft heraus die Verpflichtung hat, sich zu engagieren. Deswegen heißt die Sammlung Woods Art Institute und trägt nicht meinen Namen. Sie liegt inmitten eines alten Arboretums, einer historischen Baumsammlung. Alles, was hier an Kunst passiert, findet an einem Ort statt, der schon da war, als wir alle noch nicht auf der Welt waren. Und den wird es auch noch geben, wenn wir alle nicht mehr sind. Und das hat etwas sehr, sehr Beruhigendes. Jetzt leben, aber Zukunft gestalten.
Rik Reinking im Woods Art Institute. Kostüme: Egungun, Yoruba, Nigeria
Erika Hoffmann-Koenige (86)
Sammlung Hoffmann, Berlin. Ich sammle Kunst, um Erfahrungen zu machen, die ich nicht auf andere Weise machen könnte. Ich liebe ihren visuellen Reiz, die emotionale wie intellektuelle Stimulation oder auch Irritation durch die Ideen. Ich bin glücklich, mit ihr meinen eigenen Kosmos gestalten und teilen zu können. Mit Besucher*innen aus aller Welt tausche ich mich in den Rundgängen oder bei unseren Dialogabenden aus. Im Gespräch erkennen wir gemeinsam vor bestimmten Werken immer andere Bedeutungen oder andere Verbindungen zwischen ihnen. Jede und jeder sieht etwas anderes im selben Werk. Dieser Austausch ist uns allen viel wert. Mir ist wichtig, offen, neugierig, eigenwillig, mutig und großzügig zu sein, neue Ideen zu unterstützen, Mut zu machen, Verantwortung zu übernehmen. Mein verstorbener Mann und ich haben uns immer für das interessiert, was anders war als das, was wir schon kannten. Die Gesellschaft braucht Kunst, um die Gedanken anderer kennenzulernen, sich mit neuen Konzepten auseinanderzusetzen, Toleranz zu üben und Veränderung nicht nur zu akzeptieren, sondern aktiv zu fördern.
Erika Hoffmann-Koenige in der Sammlung vor François Morellet; Haare & Make-up: Anna Neugebauer
Steffen Hildebrand (57)
Unternehmer und Sammler, Sammlung Hildebrand/G2 Kunsthalle, Leipzig. Ich sammele Kunst mit Leidenschaft und Begeisterung, sie bereichert mein Leben. Ich könnte mir ein Leben ohne Kunst nicht vorstellen. Sie lässt einen in einen anderen Kosmos eintauchen und eröffnet immer wieder neue Perspektiven auf die Welt. Die Kunst lässt einen aufrütteln. Ich sammle überwiegend zeitgenössische Positionen, lerne die Künstler vorher kennen, setze mich mit den Personen auseinander. Sammeln ist Bauchentscheidung, es ist kein Beruf, den man ergreift. Es entwickelt sich aus der Liebe zur Kunst, und die wurde bei mir schon früh entfacht, und sie loderte immer stärker. Irgendwann hatte ich so viele Werke erworben, dass es gar keinen Platz mehr für sie an den Wänden gab. Werke wieder zu verkaufen, war für mich nie eine Option. Die Kunst ist dafür da, dass sie gezeigt wird, dass sie gesehen wird. Also habe ich mich entschieden, die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen und über die G2 Kunsthalle in der Leipziger Innenstadt Teile der Sammlung zugänglich zu machen. So kann ich auch Leipzig, der Stadt, die mir so viel ermöglicht hat, etwas zurückgeben.
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