Viele Angaben stammen von Konfliktparteien und lassen sich teilweise nicht unabhängig überprüfen. Für unseren Liveblog verwenden wir neben eigenen Recherchen Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, epd, KNA und Bloomberg.
Wichtige Updates
Um Geiseln zu retten: Gantz ruft zu Eintritt in Netanjahu-Regierung auf
Syrische Parlamentswahl in drei Provinzen verschoben
Heusgen: Bundesregierung sollte Palästinenserstaat anerkennen
Internationale Initiative erklärt Hungersnot in einem Gebiet des Gazastreifens
Netanjahu bestätigt Pläne zur Einnahme von Gaza-Stadt - neue Verhandlungen geplant
Israels Armee beschießt erneut Vororte von Gaza-Stadt
Die israelische Armee hat ihre Angriffe im Gazastreifen fortgesetzt. Flugzeuge und Panzer beschossen in der Nacht zum Sonntag die östlichen und nördlichen Außenbezirke von Gaza-Stadt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Anwohnern zufolge wurden dabei Gebäude und Wohnhäuser zerstört. Es war zudem von ununterbrochenen Explosionen in den Stadtvierteln Seitun und Schedschaija die Rede. Israels Verteidigungsminister Israel Katz bekräftigte, die Pläne für eine Bodenoffensive auf Gaza-Stadt voranzutreiben.
Bei den jüngsten israelischen Angriffen wurden Augenzeugen zufolge auch in dem Ort Dschabalja Häuser zerstört. Das israelische Militär teilte mit, die Streitkräfte seien in den vergangenen Tagen in das Gebiet von Dschabalja zurückgekehrt, um dort Tunnel von Extremisten zu zerstören und die Kontrolle der Armee zu festigen. Die nächtlichen Explosionen lösten Panik aus und veranlassten einige Familien zur Flucht.
Israel: Huthi setzten vermutlich erstmals Streumunition ein
Bei dem jüngsten Raketenangriff auf Israel hat die Huthi-Miliz nach israelischen Informationen vermutlich erstmals Streumunition eingesetzt. Eine Untersuchung habe ergeben, dass die am Freitagabend abgefeuerte Rakete höchstwahrscheinlich verschiedene weitere Sprengkörper enthielt, die bei Einschlag explodieren sollten, teilte ein Repräsentant der Luftwaffe mit. "Dies ist das erste Mal, dass eine solche Rakete aus Jemen abgefeuert wird", sagte er. Es sei jedoch wichtig zu betonen, dass Israels Luftverteidigung in der Lage sei, solche Munition abzuwehren.
Die Huthi hatten am Freitagabend mitgeteilt, sie hätten erneut den internationalen Flughafen bei Tel Aviv angegriffen. Auch in der Küstenmetropole Tel Aviv gab es Raketenalarm. Die Rakete war aber laut Armee noch in der Luft zerbrochen.
Israel Luftwaffe greift auch am Sonntag Berichten zufolge wieder Ziele in Jemen an. Augenzeugen berichteten von schweren Explosionen in der Hauptstadt Sanaa. Die Angriffe hätten unter anderem eine Ölanlage und ein Kraftwerk getroffen, wo Flammen und Rauch zu sehen waren. Ob es Tote oder Verletzte gab, blieb unklar. Israels Militär äußerte sich nicht.
Emine Erdoğan appelliert in Brief an Melania Trump
Die Frau des türkischen Präsidenten hat in einem Brief an die Frau von US-Präsident Donald Trump appelliert, sich für die Kinder im Gazastreifen einzusetzen. Sie vertraue darauf, dass Trump ihr Mitgefühl für die im Ukraine-Krieg getöteten Kinder auf die Tausenden im Gazastreifen getöteten Kinder ausweite, hieß es in dem Brief, der von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlicht wurde.
Erdoğan bezieht sich auf einen Brief, den die First Lady der USA an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gerichtet hatte. Darin hatte sie nach Angaben des US-Senders Fox New unter anderem zum Schutz von Kindern im Ukraine-Krieg aufgerufen. Die türkische Präsidentengattin rief Melania Trump nun dazu auf, einen Brief an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu schreiben, um die humanitäre Krise im Gazastreifen zu beenden. Das Schreiben Erdoğans ist auf Freitag datiert.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel sind angespannt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan greift Netanjahu immer wieder scharf verbal an. Erdoğan hatte den Überfall der islamistischen Hamas auf den Gazastreifen im Oktober 2023 zwar verurteilt, die Hamas aber anschließend als "Befreiungsorganisation" bezeichnet.
Proteste gegen Krieg vor Wohnsitzen israelischer Minister
Angehörige von Geiseln im Gazastreifen haben vor den Wohnsitzen israelischer Minister für eine Waffenruhe und einen Deal mit der Hamas über eine Freilassung der Entführten demonstriert. "Wir werden ein weiteres Hinauszögern nicht vergeben", hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geiselfamilien. "Hört auf das Volk: Beendet diesen Krieg und bringt alle heim."
Die Demonstranten versammelten sich vor den privaten Wohnsitzen von sechs Regierungsmitgliedern, darunter Verteidigungsminister Israel Katz und Außenminister Gideon Saar. Am Dienstag ist in Israel erneut ein großer landesweiter Protesttag geplant. Auch am Samstag haben wieder tausende in Tel Aviv für einen Geisel-Deal demonstriert.
Die islamistische Terrororganisation Hamas hatte vergangenen Montag erklärt, sie habe einem neuen Vermittler-Vorschlag für eine Waffenruhe zugestimmt. Dabei handelt es sich Medienberichten zufolge um eine angepasste Fassung eines zuvor bereits verhandelten Vorschlags des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser sieht eine 60-tägige Waffenruhe vor, während zunächst zehn Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge freikommen. Insgesamt werden noch 50 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, nur noch 20 davon sollen am Leben sein.
Um Geiseln zu retten: Gantz ruft zu Eintritt in Netanjahu-Regierung auf
Der israelische Oppositionspolitiker Benny Gantz hat zur Bildung einer vorübergehenden Einheitsregierung aufgerufen, um einen Deal mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln zu ermöglichen. Eine solche Regierung müsse ihren Weg mit einer Vereinbarung beginnen, die alle verbliebenen Geiseln heimbringe, forderte er. Nach aktuellem Kenntnisstand befinden noch 20 lebende israelische Geiseln im Gazastreifen. Im Frühjahr kommenden Jahres müsse es dann eine Neuwahl geben, an einem gemeinsam vereinbarten Datum, so der Oppositionspolitiker.
„Unsere Geiseln sind in Lebensgefahr, ihre Zeit läuft ab“, sagte er. Mit Blick auf Videoaufnahmen von bis auf die Knochen abgemagerte Geiseln sprach Gantz von „Muselmännern“ und erinnerte an seine Mutter Malka, eine Überlebende des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. „Meine Mutter hat mir beigebracht, dass das Leben etwas Heiliges ist.“ Israel befinde sich an einer wichtigen Wegkreuzung. Der Ex-Verteidigungsminister hatte Netanjahus Regierung 2024 nach Meinungsverschiedenheiten verlassen. Er forderte nun andere Oppositionspolitiker dazu auf, sich mit ihm gemeinsam für ein halbes Jahr einer „Regierung zur Freilassung der Geiseln“ anzuschließen. „Wenn (der israelische Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu nicht zustimmt, dann wissen wir, dass wir alles getan haben.“
Die Chancen für ein solches Bündnis gelten als äußerst gering. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich soll unbestätigten Medienberichten zufolge gegenüber Angehörigen der Geiseln erklärt haben, er werde aus der Regierung austreten, sollte Netanjahu einem Waffenruhe-Abkommen mit der islamistischen Hamas zustimmen. Um politisch überleben zu können, ist Netanjahu bisher auf die Unterstützung seiner rechtsextremen Partner wie Smotrich angewiesen.
Augenzeugen: Israelische Truppen in der Stadt Gaza
Israelische Truppen sind nach Angaben palästinensischer Augenzeugen in einen Teil der Stadt Gaza eingedrungen. Den Berichten zufolge wurden Soldaten in dem Viertel Sabra gesichtet, vor allem in der Nähe eines örtlichen Schulgebäudes. Die israelische Armee teilte auf Anfrage mit, man äußere sich nicht zu den Positionen ihrer Soldaten.
Die israelische Führung hat einen Plan zur Einnahme der Stadt Gaza gebilligt. Zuvor ist die Räumung der Stadt vorgesehen, in der sich nach Schätzungen rund eine Million Menschen aufhalten.
Mit Beginn der Offensive wird nach Medienberichten frühestens im September gerechnet. Zuletzt waren israelische Soldaten aber bereits in Vororte der Küstenstadt vorgerückt. In dem Viertel Sabra waren seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast zwei Jahren bereits israelische Bodentruppen im Einsatz gewesen.
Hilfsorganisationen haben vor einer weiteren Verschlechterung der ohnehin katastrophalen humanitären Lage in dem Küstenstreifen gewarnt, in dem rund zwei Millionen Palästinenser leben.
Berichte: Dutzende Palästinenser bei Angriffen gestorben
Erneut sind Medienberichten zufolge zahlreiche Menschen bei Angriffen im Gazastreifen gestorben. Die Zeitung Times of Israel berichtet von 34 Toten seit Samstagmorgen und bezieht sich auf Aussagen von medizinischem Personal gegenüber palästinensischen Medien. Darunter seien auch Menschen gewesen, die im Norden des Gazastreifens auf Hilfe gewartet haben, heißt es. Haaretz nennt die Zahl von 61 Toten in den vergangenen 24 Stunden. Laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium seien in dem Zeitraum außerdem 308 Menschen verwundet und in Krankenhäuser gebracht worden.
Syrische Parlamentswahl in drei Provinzen verschoben
Die erste Parlamentswahl in Syrien seit dem Sturz des früheren Machthabers Baschar al-Assad ist in Teilen des Landes verschoben worden. Ein Sprecher der Wahlbehörde begründete den Schritt mit Sicherheitsbedenken. Betroffen sind die südliche Provinz Suwaida sowie die nordöstlichen Provinzen Hasaka und Rakka. Die für die Woche vom 15. bis 20. September geplante Wahl werde nachgeholt, wenn die Sicherheitslage es zulasse, hieß es.
Die Behörde hatte die Wahl eines neuen, vergrößerten Parlaments angekündigt. In Suwaida war im Juli zwischen Angehörigen der drusischen Minderheit und sunnitischen Stammesgruppen Gewalt ausgebrochen. Die Regierung in Damaskus schickte daraufhin Truppen, um die Lage nach eigener Darstellung zu beruhigen - ihnen wurden aber auch brutale Gewalt an den Drusen vorgeworfen. Nachbar Israel bombardierte Ziele in Syrien mit dem Ziel, die Drusen zu schützen. Laut UN wurden rund 190 000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben.
Netanjahu: "Hungerkampagne" der Hamas hält uns nicht auf
Auch nachdem internationale Experten erklärt haben, in und rund um Gaza-Stadt bestehe eine akute Hungersnot, hält Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu an seinen Kriegszielen unbeirrt fest. Die von der islamistischen Terrororganisation Hamas "inszenierte Hungerkampagne wird uns nicht davon abhalten, unsere Geiseln zu befreien und die Hamas zu beseitigen", sagte er in Reaktion auf einen aufsehenerregenden Bericht der weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit anerkannten IPC-Initiative.
Netanjahu hatte zuvor Pläne für die Einnahme von Gaza-Stadt gebilligt, die im Norden des abgeriegelten Gazastreifens liegt. Israels Militär bereitet sich darauf vor, die Schätzungen zufolge rund eine Million Bewohner in Zeltlager im Süden umzuquartieren. Laut der IPC-Initiative ist das Leben von 132 000 Kindern unter fünf Jahren wegen Unterernährung bedroht. 41 000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet, doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai.
"An manchen Tagen kann ich nur ein kleines Brot und eine Tomate finden, um sie zwischen drei Kindern zu teilen", klagt Mariam al-Scheikh. Ihren Kindern etwas zu essen zu beschaffen, sei ein täglicher Kampf, berichtet die 34-Jährige aus der Stadt Gaza der Deutschen Presse-Agentur. Sie sei oft stundenlang auf der Suche nach Brot oder Lebensmittelkonserven. Nachts hört sie das jüngste ihrer Kinder vor Hunger weinen. "Mehr als eine halbe Million Menschen im Gazastreifen sind mit katastrophalen Bedingungen konfrontiert, charakterisiert durch Hunger, Armut und Tod", heißt es in dem Bericht der IPC-Initiative.
Heusgen: Bundesregierung sollte Palästinenserstaat anerkennen
Der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert die Bundesregierung angesichts des Leids im Gazastreifen zur Anerkennung eines palästinensischen Staates auf. „Es würde weltweit als besonders starke Geste wahrgenommen, weil Deutschland zu Recht als treuer Freund Israels gilt", schreibt Heusgen in einem Gastbeitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Es wird die Situation kurzfristig nicht verändern, aber ein starkes Signal der Solidarität mit dem palästinensischen Volk senden, wenn wir uns der Staatenmehrheit anschlössen", so der frühere Top-Diplomat und langjährige Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Mehrere Staaten, darunter Frankreich, Kanada und Australien, wollen im September einen palästinensischen Staat anerkennen. Die Bundesregierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass dies für Deutschland vorerst keine Option ist. Man sehe die Anerkennung „als einen der abschließenden Schritte" auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius Ende Juli.
Aus Sicht von Heusgen sei zu befürchten, dass Israel sich zum „Apartheidstaat" entwickle. Der Begriff spielt auf die rassistische Diskriminierung von Schwarzen in Südafrika bis Anfang der neunziger Jahre an; seine Benutzung in Bezug auf Israel ist umstritten. Heusgen bezieht sich mit seiner Wortwahl auf eine Aussage des früheren US-Außenministers John Kerry aus dem Jahr 2014. Dieser hatte damals allerdings bedauert, in Bezug auf Israel von „Apartheid" gesprochen zu haben.
Heusgen betont, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehne einen Palästinenserstaat ab und unterstütze die Siedlergewalt im Westjordanland. „Alle diplomatischen Versuche, die israelische Regierung zum Einlenken zu bringen, haben nichts bewirkt." Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson. „Aber zur israelischen Sicherheit gehört auch, dass sich das Land nicht durch den exzessiven Einsatz militärischer Gewalt und den Bruch des Völkerrechts weltweit Feinde macht und isoliert."
Streit um Sanktionen gegen Israel: Niederländischer Außenminister Veldkamp tritt zurück
Nach einem Streit um Sanktionen gegen Israel ist der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp zurückgetreten. Er sehe keinen Spielraum, um den Druck auf Israel zu erhöhen, sagte der Minister der Zentrumspartei NSC. Auch die übrigen Minister seiner Partei verließen daraufhin die Koalition. Unklar ist, wer nun die Ministerämter übernehmen wird.
Zuvor hatten die Oppositionsparteien im Parlament einen Misstrauensantrag gegen den Minister eingereicht. Sie forderten strengere Sanktionen gegen Israel wegen der humanitären Notlage im Gazastreifen. Veldkamp wollte sich hierfür im Kabinett einsetzen, bekam dafür aber nach eigenen Angaben keine Rückendeckung. Der Rücktritt hat zunächst keine innenpolitischen Konsequenzen. Denn die rechte Koalition war bereits nur geschäftsführend im Amt nach dem Bruch mit der extrem rechten Partei des Populisten Geert Wilders im Juli. Eine Neuwahl ist für Ende Oktober angesetzt.
27 Staaten fordern Israel auf, Journalisten den Zugang zum Gazastreifen zu ermöglichen
In einem gemeinsamen Statement fordern die Unterzeichner der Media Freedom Coalition Israel nachdrücklich dazu auf, unabhängigen ausländischen Medien Zugang zu gewähren und Journalisten, die in Gaza tätig sind, zu schützen. Medienmitarbeiter würden eine wesentliche Rolle dabei spielen, die verheerende Realität des Krieges ins Rampenlicht zu rücken. Auch Deutschland beteiligt sich an dem Aufruf. Das Auswärtige Amt veröffentlichte das Statement auf seinem Konto auf der Plattform X:
Die gezielte Bekämpfung von Journalisten sei inakzeptabel. Das humanitäre Völkerrecht biete zivilen Journalisten während bewaffneter Konflikte Schutz. Weiter schreiben die Unterzeichner, die extrem hohe Zahl von Todesfällen, Verhaftungen und Inhaftierungen müsse aufgeklärt werden. „Wir fordern, dass alle Angriffe auf Medienmitarbeiter untersucht und die Verantwortlichen in Übereinstimmung mit nationalem und internationalem Recht strafrechtlich verfolgt werden“.
Seit Beginn des Krieges kontrolliert Israel den Zugang zum Gazastreifen und gestattet Medienschaffenden nur begrenzten Zugang zu den Kriegsgebieten.
Internationale Initiative erklärt Hungersnot in einem Gebiet des Gazastreifens
Im Regierungsbezirk Gaza im nördlichen Gazastreifen ist eine Hungersnot erklärt worden. Die dafür notwendigen Kriterien seien erfüllt, teilte die zuständige IPC-Initiative (Integrated Food Security Phase Classification) mit. Etwa 514 000 Menschen bekämen nicht genug zu essen. Das Leben von 132 000 Kindern unter fünf Jahren sei wegen Unterernährung bedroht. 41 000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet, doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es das erste Mal, dass in einem Land des Nahen Ostens eine Hungersnot ausgerufen wird. Ehe eine Hungersnot erklärt wird, müssen drei Kriterien erfüllt sein:
- mindestens 20 Prozent der Haushalte sind von einem extremen Lebensmittelmangel betroffen
- mindestens 30 Prozent der Kinder leiden unter akuter Mangelernährung
- täglich sterben mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10 000 Einwohner an Hunger oder aufgrund des Zusammenspiels von Unterernährung und Krankheit.
Die IPC-Initiative ist für die Einschätzung von Hungerlagen in aller Welt zuständig. Mitglieder sind knapp zwei Dutzend Organisationen der Vereinten Nationen sowie Hilfsorganisationen. In der IPC-Skala gibt es fünf Stufen der Ernährungslage in einem Land oder einer Region. "Katastrophe/Hungersnot" ist die höchste. Das israelische Außenministerium teilte nach der IPC-Veröffentlichung mit: "Es gibt keine Hungersnot in Gaza."
UN-Generalsekretär António Guterres kommt zu einem anderen Schluss. Er sieht die Verantwortung für die Hungersnot in Teilen des Gazastreifens bei Israel. „Als Besatzungsmacht hat Israel eindeutige Verpflichtungen nach internationalem Recht – einschließlich der Pflicht, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten sicherzustellen“, sagte Guterres. Was nun passiere, sei der „vorsätzliche Zusammenbruch der Systeme, die für das menschliche Überleben notwendig sind“.
UN-Experten kritisieren US-Sanktionen gegen Strafgerichtshof
Nach einer neuen Runde von US-Sanktionen gegen Richter und Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag haben sich mehrere Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen alarmiert geäußert. Die USA zeigten auf beunruhigende Weise eine „konstante Feindseligkeit“ gegenüber einem Tribunal der internationalen Gemeinschaft, erklärten sieben UN-Experten am Freitag in Genf.
Am Mittwoch hatte das Außenministerium der Vereinigten Staaten die Richter Kimberly Prost und Nicolas Yann Guillou sowie die Stellvertretenden Ankläger Nazhat Shameem Khan und Mame Mandiaye Niang mit Strafmaßnahmen belegt, hauptsächlich dem Einfrieren aller Vermögenswerte in den USA oder unter US-Kontrolle. Als Grund nannte die Regierung „böswillige Aktivitäten“ des Strafgerichtshofs, der für die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig ist.
Die betreffenden Richter und Anwälte waren an der Genehmigung von Haftbefehlen gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie an Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz von US-Truppen beteiligt. Kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump hatten die USA im Februar IStGH-Chefankläger Karim Khan und im Juni vier Richter unter Sanktionen gestellt.
Die UN-Experten warnten vor einer Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit. „Die Sanktionierung von IStGH-Richtern und -Staatsanwälten sabotiert den Kampf gegen die Straflosigkeit und zeigt der Welt, dass angesichts von Gräueltaten nicht die Gerechtigkeit, sondern die Macht regiert“, schrieben sie. Die Sonderberichterstatter riefen die EU auf, die sogenannte Blocking-Verordnung in Kraft zu setzen. Diese erklärt konkrete Rechtsakte eines Drittlandes in der EU für unwirksam. EU-Behörden dürfen dann die betreffenden Entscheidungen, beispielsweise Beschlagnahme-Anordnungen, nicht ausführen.
Nouripour: Stopp von Waffenexporten an Israel "kurzsichtig"
Der Grünen-Politiker und Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour kritisiert den von Kanzler Friedrich Merz (CDU) verkündeten Teilstopp von Rüstungsexporten an Israel. "Die Entscheidung, Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, klingt bei der verheerenden Lage in Gaza nachvollziehbar, auch in meiner Partei finden sie viele richtig. Sie ist aber kurzsichtig", sagte Nouripour den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Deutsche Waffen spielten im Gaza-Krieg keine Rolle, so Nouripour. "Das ist Symbolik für das eigene Publikum. Das heißt, diese Entscheidung hilft keinem Kind in Gaza und befreit keine Geisel." Gleichzeitig sei Deutschland aber sowohl bei der Rüstungstechnologie als auch in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit sehr auf Israel angewiesen. "In den Belangen brauchen wir die Israelis mehr als sie uns. Das ist die brutale Realität", betonte der frühere Grünen-Chef. "In einer Zeit, in der wir nicht wissen, wie es in der Ukraine und mit der europäischen Friedensordnung weitergeht, sollte man nicht so tun, als würde man ohne Partnerschaften auskommen."