Im Rennen um die Lizenz für die kommende Zweitliga-Saison hat Hertha BSC einen umstrittenen Antrag auf Änderung der Lizenzierungsordnung erst gestellt und nun zurückgezogen. Offenbar erhoffen sich die Hauptstädter Hilfe von einer Versicherung.

Kämpfen nach wie vor um die Lizenz für Hertha BSC (v.l.): e.V.-Präsident Fabian Drescher, e.V.-Vizepräsidentin Anne Noske sowie die beiden Geschäftsführer der Hertha BSC & Co KGaA, Thomas E. Herrich und Ralf Huschen. IMAGO/Matthias Koch
Denn nach kicker-Informationen ging es in dem Antrag um eine Anerkennung von Kreditlinien bei Versicherungsunternehmen im Lizenzierungsverfahren der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Aktuell erlaubt die Lizenzierungsordnung gemäß Anhang IX lediglich Kontokorrentkredite "ausschließlich von Kreditinstituten nach § 1 KWG (Kreditwesengesetz, d. Red.), die zumindest eine Zweigstelle in Deutschland haben". Vereinfacht gesagt: Es braucht eine Bank.
Die 40-Millionen-Euro-Anleihe besorgt den Zweitligisten
Hertha hat finanzielle Bedingungen im Lizenzierungsverfahren zu erfüllen. Besonders die im November fällige Ablöse der 2018 aufgelegten 40-Millionen-Euro-Anleihe sorgt den Zweitligisten. Mit dem Ziel, diese bis 2028 zu verlängern und so die nötige Rückzahlung in der Saison 2025/26 zu umgehen, hat der Klub kürzlich ein zweites, schriftliches Verfahren eingeleitet, weil im ersten Gang nicht das notwendige Quorum von 50 Prozent der Anleger erreicht worden war. Dieses Verfahren endet am 3. Juni - tags darauf läuft für Hertha die Frist aus, um die von der DFL gestellten Bedingungen zu erfüllen.
Das Verlängerungsverfahren für die Anleihe kam durchaus überraschend, denn noch am 28. Februar hieß es: Hertha habe mit mehreren Partnern ein an die Unternehmensplanung angepasstes Finanzierungskonzept entwickelt, das den Klub "in die Lage" versetze, "die im Herbst anstehende Rückzahlung der Anleihe fristgerecht vornehmen zu können". Dass man dennoch auf eine Anleiheverlängerung zu von 10,5 auf 6,5 Prozent verringerten Zinsen für die Anleihezeichner setzt, muss nicht automatisch bedeuten, dass das Finanzierungskonzept geplatzt ist. Allerdings war zuletzt in Branchenkreisen die Rede von schleppenden Gesprächen, was mit dem zwischenzeitlichen Abrutschen des Hauptstadtklubs in den Abstiegskampf der 2. Liga zu tun gehabt haben könnte.
Bei manchen entstand der Eindruck einer Lex Hertha
Jedenfalls hatten die Verantwortlichen von Hertha BSC um den im Sommer scheidenden Geschäftsführer der GmbH & Co. KGaA, Thomas E. Herrich, sowie den für Finanzen zuständigen Geschäftsführer Ralf Huschen zuletzt oben beschriebenen Antrag auf Änderung der Lizenzierungsordnung bei der DFL eingebracht. Was innerhalb des Ligaverbandes für Irritationen bei den Wettbewerbern gesorgt haben soll. Schließlich steckt der Klub gerade selbst mitten im Lizenzierungsverfahren, was bei manchen den Eindruck erweckte, man solle bei der nächsten DFL-Mitgliederversammlung Ende Mai über eine Lex Hertha abstimmen, um dem Traditionsverein zur Lizenz zu verhelfen.
Aus Klubkreisen erfuhr der kicker, dass der Antrag mittlerweile zurückgezogen wurde. Ob mangels Aussicht auf Erfolg, wegen der Kritik daran oder aufgrund einer Alternativlösung ist aktuell unklar. Inhaltlich spräche bei entsprechender Seriosität eines Partners aus der Versicherungsbranche und finanzieller Ausstattung eines solchen Kreditgebers nichts gegen eine Berücksichtigung derartiger Unternehmen in der Lizenzierungsordnung. Der Zeitpunkt des Antrags allerdings scheint nicht der glücklichste gewesen zu sein. Der Schluss, dass Herthas Helfer bei der Lizenz aus der Versicherungsbranche kommt, liegt auf Basis des Antrags jedenfalls nahe. Denkbar, dass auch ohne entsprechende Änderung der Lizenzierungsordnung ein solches Modell noch zum Tragen kommt. Nicht selten geht es in Lizenzierungsfragen um kreative Lösungen, wie es sie beispielsweise auch in Forderungsverzichten mit Besserungsscheinen bei der Einhaltung der Eigenkapitalregeln der Liga schon gegeben hat.
Kurs spricht gegen ernsthafte Zweifel an Anleihe-Rückzahlung
Jedenfalls darf nun mit Spannung auf das Anleiheverfahren geblickt werden. Gegenüber dem rbb hatte der Finanzökonom Prof. Dr. Christoph Breuer zuletzt erklärt: "Zusammengefasst ist die Lage wirklich nicht einfach. Es wird vermutlich ein spannendes Rennen werden, weil die Zeit sehr knapp ist, der DFL eine Lösung vorzustellen. Auch bis zur möglichen Rückzahlung ist nur noch ein halbes Jahr. Das ist für derartige Finanzmarktlösungen nicht unbedingt viel."
Infobox
Jetzt anmelden für den Newsletter

Mit dem Newsletter "kicker Aktuell" bleibst du immer auf dem Laufenden und kriegst Montag bis Freitag immer pünktlich zum Feierabend den kompletten Fußballüberblick und alle wichtigen Informationen aus der Welt des Sports.
Im Endeffekt geht es für die Gläubiger um ein Abwägen aus Chance und Risiko. Zwar verschlechtern sich die Konditionen einerseits im Falle einer Verlängerung von 10,5 auf 6,5 Prozent - allerdings könnte bei einem "Nein" auch die Gefahr eines Totalverlusts drohen. Laut Marktangaben ergibt sich eine effektive Rendite von rund 17,28 Prozent pro Jahr. Diese ist ein klassischer Indikator für das Risiko-Rendite-Verhältnis: Einerseits zeigt sie, dass der Markt nach wie vor ein Risiko sieht - etwa hinsichtlich der Rückzahlungsfähigkeit oder der geplanten Laufzeitverlängerung. Allerdings liegt der aktuelle Kurs der Hertha-Anleihe bei 96 Prozent, bei ernsthaften Zweifeln an der Rückzahlung wäre eine stärkere Abwertung zu erwarten.
Benni Hofmann