Karriere von Terry Richardson Zweimal Canceln und zurück
Terry Richardson galt als geniales Enfant Terrible der Fotografie – nach vielen Übergriffsvorwürfen kündigten Verlage und Modefirmen ihm die Zusammenarbeit auf. Jetzt hat er wieder eine Plattform.
24.05.2025, 22.48 Uhr

Fotograf Richardson: Szenig, abgefuckt und provokant
Foto:Dimitrios Kambouris / Getty Images
Wie beeinflussen #MeToo-Vorwürfe die Karrieren von Künstlern? Manche finden, sie canceln sie komplett, als Mensch und als Künstler, und zwar unabhängig davon, ob die Vorwürfe überhaupt stimmen; ob es etwa ein entsprechendes Gerichtsurteil gibt.
An der Berufsbiografie des Starfotografen Terry Richardson, der nach sehr vielen Vorwürfen wegen Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch nun wieder aufgetaucht ist, lässt sich diese Annahme auf jeden Fall nuancieren. Ein Gecancelter mag zwar erst mal von den großen Bühnen dieser Welt verschwinden. Aber das bedeutet nicht, dass er nicht wieder auftaucht, vielleicht aber erst mal auf kleineren Bühnen, wo er dann austestet, ob die Welt nicht doch wieder bereit für ihn ist. Richardson wird derzeit offenbar wieder ein bisschen weniger gecancelt:
Bereits im Januar hatte die US-Marke »Enfants Riches Déprimés« eine Terry-Richardson-Kampagne und ein begleitendes Fotobuch veröffentlicht. Nun hat auch das britische Fashion-Magazin »Arena Homme+« entschlossen, Bilder des Fotografen zu veröffentlichen, zwei auch als Cover. Eines zeigt eine Toilettenkabine, auf der quer das Graffiti steht: »Punkrock ruined my life«, das andere einen Pappaufsteller von Donald Trumps Gesicht. Die Bildreihe trägt den Namen »Für David«, sie soll eine Hommage an den im Januar verstorbenen Regisseur David Lynch sein. Das berichtet der »Guardian«.
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Terry Richardsons war lange der Fotograf, den buchte, wer szenig, abgefuckt und provokant wirken wollte, gleichzeitig sehr viel Geld hatte – und den Widerspruch zwischen diesen beiden Eigenschaften zumindest ästhetisch aushebeln wollte. Richardsons Stil war räudige Neunziger-Optik, manche beschrieben ihn als »Porno Chic«, er fotografierte kaum bekleidete Frauen mit Blitz, war selbst auch oft nackt auf seinen Fotos oder hatte Sex. Seine Arbeiten erschienen in »Vice« genauso wie in der »Vogue«, Marken wie Tom Ford und H&M buchten ihn.
Barack Obama ließ sich von ihm porträtieren, ebenso Lady Gaga und Madonna. Richardson inszenierte auch das Musikvideo zu »Wrecking Ball«, mit dem Miley Cyrus eine provokante Version ihrer Selbst erfand, indem sie auf einer Abrissbirne schaukelte. Das »New York Magazine « schrieb vor zehn Jahren mal, Richardson verdiene 160.000 Dollar an einem Tag.
Gleichzeitig hatte es seit 2001 zig Berichte über unangemessenes Verhalten und Übergriffe gegeben. Mehrfach warfen ihm Models sexuelle Nötigung vor. Im Frühjahr 2014 versuchte Richardson, »Gerüchte richtigzustellen«: Sexualität sei schon immer Teil seiner Arbeit gewesen und er akzeptiere, dass dies zu Kontroversen führe, schrieb er. Die Vorwürfe gegen ihn seien jedoch »nichts mehr als eine emotional aufgeladene Hexenjagd«.
Marken und Verlage distanzierten sich von dem Fotografen – aber schon 2015 holten ihn die US-Ausgaben von »Harper’s Bazaar« und »Rolling Stone« wieder aus der Verbannung mit Coverbildern, auf denen einmal das Model Miranda Kerr und einmal die Musikerin Nicki Minaj im bekannten Richardson-Stil sehr nackt zu sehen waren. Terry Richardson wurde also schon mal gecancelt – und dann wieder ungecancelt, wenn man es so nennen will.
2017 dann war vermutlich ein Bericht aus der »Sunday Times«, in dem Richardson als »Harvey Weinstein der Modebranche « bezeichnet wurde, Auslöser dafür, dass Verlage und Modefirmen die Zusammenarbeit einfroren. Condé Nast setzte Richardson auf den Index, Luxusmarken wie Valentino und Bulgari zogen nach und kündigten an, in Zukunft nicht mehr mit dem Fotografen zusammenzuarbeiten. Seitdem herrschte öffentlich Stille, wobei Richardson laut »Guardian« immer noch im Hintergrund an Projekten arbeitete – bis jetzt.
Der »Guardian« fragte bei »Arena Homme+« nach zu den Gründen der Zusammenarbeit. Der Verleger und Redaktionsleiter antwortete, »die Bilder zu veröffentlichen, sei auf keinen Fall ein Versuch, Richardsons Ruf als Fashionfotograf wiederherzustellen«. Und weiter: »Terry Richardsons Bildreihe ist eine machtvolle, persönliche Hommage an den späten David Lynch. Nicht mehr, nicht weniger.« Klar ist: Richardson ist zurück auf einer kleinen Bühne.