Die israelische Regierung will offenbar wieder humanitäre Hilfe und Lebensmittel in den Gazastreifen lassen. Dies erfolge auf Empfehlung der israelischen Armee, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mitteilte.
»Israel wird eine Grundmenge an Lebensmitteln für die Bevölkerung zulassen, um sicherzustellen, dass es im Gazastreifen nicht zu einer Hungersnot kommt«, so Netanyahus Büro.
Die rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreifens sind fast ausschließlich auf Hilfe von außen angewiesen, um zu überleben. Der Uno-Nothilfekoordinator hatte gemahnt, schon jetzt seien 2,1 Millionen Palästinenser wegen zurückgehaltener humanitärer Hilfe vom Hungertod bedroht.
Seit März blockierte Israel Hilfslieferungen
Angesichts der kürzlich gestarteten neuen Großoffensive , die die Notlage der Menschen in dem abgeriegelten und nach mehr als anderthalb Jahren Krieg großflächig zerstörten Küstengebiet verschärfen dürfte, waren die Appelle an die israelische Regierung vehementer geworden.
Seit Anfang März hatte Israel keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen gelassen. Das Land wirft der Terrororganisation Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.
Netanyahu: Hungersnot würde Offensive gefährden
Hilfsgüter sollen israelischen Medienberichten zufolge auf bisher genutzten Wegen in den abgeriegelten Küstenstreifen kommen, bis ein geplanter neuer Mechanismus umgesetzt werde. Israel wolle Maßnahmen ergreifen, damit die Hilfe nicht in die Hände der Hamas gelange, teilte Netanyahus Büro mit.
Netanyahu begründet diesen Schritt damit, dass eine Hungersnot die Fortsetzung der Offensive gefährden würde, hieß es in der Mitteilung des Ministerpräsidenten-Büros.
Israelische Bodentruppen und massive Luftangriffe in Gaza
Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe massive Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. Inzwischen sind auch Bodentruppen im Einsatz. Nach palästinensischen Angaben gab es in der Nacht und am Sonntag mindestens 110 Tote. Augenzeugen zufolge fliehen etliche Menschen derzeit vom Norden in den Süden des Küstengebiets. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Medienbüros flüchteten in den vergangenen Tagen rund 200.000 Palästinenser aus den Orten Dschabalia und Beit Lahija im Norden des Gebiets.
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Netanyahus Regierung will mit der neuen Offensive den Druck auf die Hamas erhöhen, um die Freilassung der noch immer festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Im Zuge der Offensive soll nach Angaben aus Regierungskreisen auch die palästinensische Bevölkerung vom Norden in den Süden vertrieben werden.
Der Gazakrieg hatte im Oktober 2023 mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel begonnen, bei dem rund 1200 Menschen getötet und rund 250 entführt wurden. In dem seit mehr als eineinhalb Jahren dauernden Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 53.300 Palästinenser im Gazastreifen getötet.