Israel: Der Krieg geht auch am Gedenktag weiter

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Am ersten Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel mit knapp 1200 Toten und der Geiselnahme von 251 Menschen hat der israelische Präsident Isaac Herzog an die Welt appelliert, das Land gegen seine Feinde zu unterstützen. „Es ist eine Narbe an der Menschheit, eine Narbe am Angesicht der Erde“, sagte er am Montagmorgen auf dem Gelände des Nova-Musikfestivals nahe dem Gazastreifen, wo die Terrororganisation eines der Massaker verübt hatte. Herzog erklärte zudem, Israel würde eine „Schlacht für die freie Welt schlagen“.

Unterdessen gingen die Kämpfe trotz zahlreicher internationaler Aufrufe zur Deeskalation unvermindert weiter. Israels Armee teilte mit, zusätzliche Bodentruppen einzusetzen: Auch Soldaten der 91. Division seien nun in Südlibanon gegen die mit der Hamas verbündete Hisbollah aktiv. Zudem flog Israels Luftwaffe wieder Angriffe, unter anderem auf die Hauptstadt Beirut. Nach libanesischen Angaben kamen zehn Feuerwehrleute im Ort Bint Dschbeil ums Leben.

Hisbollah und Hamas feuern weiter Raketen ab

In Israel wurden die Gedenkveranstaltungen wiederholt von Luftalarm unterbrochen. Vor allem im Norden, aber auch in der Mitte des Landes heulten Sirenen. Die Hisbollah-Miliz schoss nach israelischen Angaben 140 Raketen ab, darunter auch auf die Großstadt Haifa in Nordisrael. Die Hamas, die seit 2007 den Gazastreifen kontrolliert, attackierte die Wirtschaftsmetropole Tel Aviv mit einer Salve von Raketen, wodurch einige Menschen leicht verletzt wurden. Israels Streitkräfte teilten mit, Ziele im Gazastreifen angegriffen zu haben, um „unmittelbar bevorstehendes“ Raketenfeuer zu verhindern. Im zurückliegenden Jahr sind im Gazastreifen durch Israels Krieg gegen die Hamas knapp 42 000 Menschen ums Leben gekommen.

Unterdessen sprach die Hisbollah, die von Irans Regime ausgerüstet und finanziert wird, Israel erneut das Existenzrecht ab. Den genau ein Jahr zurückliegenden Überfall der Hamas nannte die Miliz „heroisch“. Aus Solidarität mit der Hamas hatte die Hisbollah am 8. Oktober 2023 begonnen, den Norden Israels nahezu täglich mit Drohnen und Raketen zu bombardieren, weshalb 60 000 Israelis ihre Häuser verlassen mussten.

Israels Regierung begründet die Militäroperationen in Libanon mit dem Ziel, diesen Menschen die Rückkehr zu ermöglichen. In Libanon sind nun etwa eine Million Menschen auf der Flucht; zudem hat Israel einen Angriff als Vergeltung für das iranische Bombardement von Anfang Oktober angekündigt. Denkbar sind Luftschläge gegen die iranische Ölindustrie sowie das Atomwaffenprogramm des Landes. Dies könnte zu einer weiteren Eskalation führen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters haben die Familienangehörigen der Mitarbeiter der britischen Botschaft in Israel das Land verlassen.

Bundeskanzler Scholz fordert Waffenruhe und Freilassung der Geiseln

In zahlreichen Ländern waren für den Jahrestag Demonstrationen sowohl zur Unterstützung Israels als auch der Palästinenser angemeldet worden; in Deutschland etwa in Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) wollte am späten Nachmittag in Berlin einen interreligiösen Gottesdienst besuchen und eine kurze Rede halten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte am Abend an einer Gedenkzeremonie der jüdischen Gemeinde Hamburg teilnehmen. Zuvor forderte er bei der Eröffnung der Nachhaltigkeitskonferenz die Hisbollah und Iran auf, ihre Angriffe auf Israel sofort einzustellen. Den „lieben Freunden in Israel“ versicherte er, an „eurer Seite zu stehen“. Zugleich beklagte Scholz das Leiden der Palästinenser im Gazastreifen, die täglich Gewalt und Hunger erfahren würden, und forderte einen Waffenstillstand und die Befreiung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas. Ähnlich äußerten sich der britische Premier Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Sie verlangten auch ein Ende der Kämpfe in Libanon und eine bessere Versorgung der Zivilbevölkerung.

Allerdings ist der Einfluss der Europäer gering. Beobachter sind sich einig, dass weder Israels Premier Benjamin Netanjahu noch Hamas-Chef Jahia Sinwar, der sich in Tunneln unter dem Gazastreifen versteckt hält, Interesse an einer Waffenruhe sowie einem Geisel-Deal haben, bis US-Präsident Joe Biden Anfang 2025 das Weiße Haus verlässt. In einer Erklärung betonte Biden, dass die USA Israel nicht alleinlassen würden, und erinnerte daran, dass der 7. Oktober 2023 der tödlichste Tag für Juden seit dem Holocaust gewesen sei. Seine Regierung werde nicht ruhen, bis alle Geiseln, zu denen noch vier US-Bürger gehören, zurückgekehrt seien.

Das gleiche Ziel nannte Vizepräsidentin Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, in einem Interview mit dem TV-Sender CBS. Sie wollte am Montag zum Gedenken an die Opfer der Hamas in Washington einen Granatapfelbaum pflanzen. Ihr republikanischer Herausforderer Donald Trump plant in Miami nach Angaben der Agentur Bloomberg eine Gedenkveranstaltung mit Vertretern der jüdischen Gemeinde.

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