Maximilian Popp, DER SPIEGEL: »Die Ayatollahs wissen, dass es jetzt ums eigene Überleben geht. Und bislang war es so, dass das Regime dem alles untergeordnet hat. Also ich würde es auch nicht ausschließen, dass sie sagen, jetzt sprechen wir nochmal und vielleicht verzichten wir auf Urananreicherung. Das ist nur eben aber auch sehr, sehr gefährlich für die Machthaber in Iran, weil sie als extrem schwach dann dastehen. Weil in gewisser Weise das Atomprogramm auch die Rückversicherung sein sollte, um nicht angegriffen zu werden. Die Idee war ja auch ein Stück weit am Ende, so wie Nordkorea eine Bombe zu haben, um sich dann unangreifbar zu machen, weil sich niemand mehr traut, gegen das Regime vorzugehen. Das müssten sie alles aufgeben. Es wäre eine weitere Demütigung. Möglich ist, dass sie diesen Weg gehen. Ich glaube, was unmittelbar passieren wird, ist, dass sie die Repressionen nach innen verschärfen und dass die, die jetzt am meisten leiden, die Menschen in Iran sind, die leiden schon unter dem Bombardement. Aber sie werden auch hier, wie schon in der Vergangenheit, womöglich noch mehr unter dem eigenen Regime leiden. Denn eben um Aufruhr zu verhindern, um öffentlichen Unmut einzugrenzen, werden sie die Repressionen noch stärker anziehen. Und das ist für die Demokratiebewegung in Iran einfach eine Katastrophe, was da gerade passiert.«
Regina Steffens, DER SPIEGEL: »Wie genau meinst du das? Wie können wir uns das vorstellen, wenn diese Repressionen noch verstärkt würden?«
Maximilian Popp, DER SPIEGEL: »Das iranische Regime ist ein Regime, das mehr oder weniger seit Jahren oder Jahrzehnten Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, vor allem gegen Frauen, die Frauen systematisch unterdrückt. Oppositionelle Regimegegner werden weggesperrt, werden gefoltert, werden getötet und meine Befürchtung ist – der Schriftsteller Navid Kermani hat es in einem sehr starken, sehr eindrucksvollen Essay für die Süddeutsche Zeitung gerade ähnlich formuliert – meine Befürchtung ist, dass sich das jetzt noch verstärkt fortsetzt. Also dass noch mehr Oppositionelle in Gefängnissen landen. Dass Regime-Kritiker, die schon einsitzen, hingerichtet werden. Das ist ein Vorgehen, das man von diesem Regime kennt. Und jetzt kämpft es ums Überleben. Und ich glaube, es wird deshalb all diese Druckmittel nur noch stärker und noch grausamer anwenden.«