Indopazifik-Staaten beim Nato-Gipfel: Genervt von Donald Trump

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Der Plan des japanischen Premiers Shigeru Ishiba für den Dienstag wirkte zunächst wie ein Versprechen, an dem nicht zu rütteln war. Von Tokio würde Ishiba nach Amsterdam reisen und weiterfahren zum Nato-Gipfel in Den Haag und noch am selben Tag „bilaterale Treffen“ abhalten – so meldete es das Außenministerium in Tokio am Freitag. Ishibas Mission als höchster Vertreter des Nato-Partners Japan: „Mit den Nato-Verbündeten und anderen bekräftigen, dass die Sicherheit im euro-atlantischen Raum und im indopazifischen Raum untrennbar miteinander verbunden sind.“ Denn die Zusammenarbeit zwischen gleichgesinnten Ländern sei „wichtiger denn je“.

Aber dann sagte Ishiba am Montag Reportern, er überlege, doch nicht am Nato-Gipfel teilzunehmen. Er werde die Entscheidung davon abhängig machen, welche Regierungschefs der anderen drei Indo-Pazifik-Partner des nordatlantischen Verteidigungspakts kommen. Neuseelands Premier Christopher Luxon würde da sein, das war klar. Aber Australiens Premier Anthony Albanese und Südkoreas Präsident Lee Jae-myung hatten abgesagt. Also verzichtete auch Shigeru Ishiba auf die weite Reise in die Niederlande.

Joe Biden hatte die Partnerschaft gestärkt angesichts des geopolitischen Kräftemessens

Ist die Verbindung zwischen den Demokratien im Westen und im Indopazifik also doch nicht so wichtig? Hat US-Präsident Donald Trump mit seinem Amerika-First-Kurs die Loyalität der sogenannten IP4-Staaten zur Nato geschwächt?

Das sind die Fragen, die sich stellen nach den prominenten Absagen. Denn der Kontrast zu den vergangenen drei Jahren ist auffällig. Seit 2022 waren die höchsten Staatsleute aus Japan, Australien, Südkorea und Neuseeland stets beim Nato-Gipfel. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte das Bewusstsein für die Gefahren im geopolitischen Kräftemessen geschärft. Vor allem wegen Chinas Machtavancen und der aufrüstenden Parteidiktatur Nordkorea fühlten sich die Demokratien im Indopazifik gewarnt. Ishiba-Vorgänger Fumio Kishida, von 2021 bis 2024 Japans Premier, wiederholte gerne: „Die Ukraine von heute kann das Ostasien von morgen sein.“ Und Trumps Vorgänger Joe Biden stärkte die Partnerschaft mit den IP4-Staaten. Unter Biden schlossen die USA mit Australien und Großbritannien das Militärbündnis AUKUS und einen Sicherheitspakt mit Japan und Südkorea.

Australiens Regierungschef Anthony Albanese (re.) reiste zum G-7-Gipfel nach Kanada – aber auch dort wurde es dann nichts mit dem Treffen mit Donald Trump.
Australiens Regierungschef Anthony Albanese (re.) reiste zum G-7-Gipfel nach Kanada – aber auch dort wurde es dann nichts mit dem Treffen mit Donald Trump. (Foto: Gerald Herbert/AP/dpa)

Und nun? Die US-Regierung unter Trump interessiert multilaterale Zusammenarbeit weniger. Ständig fordert sie höhere Sicherheitsbudgets von den Partnern. Trumps Zollpolitik bringt vor allem die Exportländer Japan und Südkorea in Schwierigkeiten. Zugleich ist der US-Präsident schwer zu greifen. Australiens Albanese hatte noch kein offizielles Treffen mit Trump seit dessen Amtsantritt im Januar. Beim G-7-Gipfel in Kananaskis, Kanada, vergangene Woche wollte Albanese mit Trump endlich über AUKUS reden – aber Trump reiste vorzeitig ab. Auch Lee Jae-myung, Südkoreas neu gewählter Präsident, konnte Trump nur hinterherschauen. Ishiba hatte zwar ein Gespräch mit Trump – aber es kam wieder nur heraus, dass es noch keine Lösung gibt im Zoll-Konflikt.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters wollte Trump die IP4-Führer in Den Haag treffen. Aber das scheinen Ishiba, Lee und Albanese anders gehört zu haben. Oder sie erwarten von Trump nicht mehr als neue Forderungen, ihr Verteidigungsbudget aufzubessern. Also lassen sie sich von Ministern oder hochrangigen Beamten vertreten. Es wirkt wie eine Demonstration.

Seoul begründete Lee Jae-myungs Fehlen mit „verschiedenen innenpolitischen Problemen“ und „Unsicherheiten, die die Lage im Nahen Osten verursacht hat“. Auch Albanese verwies auf heimische Angelegenheiten. Japans Regierung erklärte Ishibas Absenz mit „verschiedenen Umständen“. Zu den Umständen gehören möglicherweise auch die jüngsten Angriffe der USA auf iranische Atomanlagen. Japan will ein gutes Verhältnis zu Iran, weil es abhängig vom Öl aus dem Nahen Osten ist. Trumps Ankündigung vom Waffenstillstand zwischen Iran und Israel nahm Tokio am Dienstag erfreut, aber mit leisem Misstrauen auf. „Wir werden die weiteren Entwicklungen mit großem Interesse verfolgen“, sagte Chefkabinettssekretär Yoshimasa Hayashi.

:Nur ein militärisch starkes Europa wird diplomatisch ernst genommen

Dass Shigeru Ishiba, Anthony Albanese und Lee Jae-myung in Den Haag fehlen, bedeutet nicht, dass ihre Länder nicht mehr auf der Seite der Nato stehen. Aber Christopher Johnstone von der amerikanischen Unternehmensberatung Asia Group, ein früherer Biden-Mitarbeiter, sieht darin durchaus einen symbolischen Bruch. Bei Reuters vermutet er, „dass alle drei Staatschefs wenig Sinn in einem Treffen sehen, bei dem die USA ihren Verbündeten noch mehr Druck machen werden, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen“. Grober formuliert: Sie sind genervt von Donald Trump.

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