Im Paradies kann es ganz schön schirch werden

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Celtic am Kontinent oder im Paradies - ein himmelhoher Unterschied. Hier brachten die Bhoys schon Rod Stewart zum Weinen, Xavi zum Schnitzen oder Christoph Waltz ins Schwärmen. Der kicker hat bei Premiership-Tabellenführer Michael Steinwender und Peter Haring nachgefragt, wie das dort so ist.

"Willkommen im Paradies" ist durchaus zweideutig zu verstehen.

"Willkommen im Paradies" ist durchaus zweideutig zu verstehen. imago sportfotodienst

2:1 gegen Barça mit Leo Messi, Xavi, Iniesta und nur 25 Prozent Ballbesitz (2012). Edelfan Rod Stewart segelten nach Schlusspfiff die Freudentränen raus. Für Joker Tony Watt war es der Moment seiner Karriere, als er nach einem Ausschuss von Fraser Forster zum 2:0 einschob.

"Die Atmosphäre, die die Fans im Celtic Park geschaffen haben, war die beeindruckendste, die ich je erlebt habe", wurde Xavi von der Daily Record später einmal zitiert. Vielleicht sprang der Edeltechniker ja auch deswegen in Kung-Fu-Manier an jenem Ball von Forster vorbei, den Watt dann aufnahm und versenkte.

Ebenfalls Tatort Celtic Park und auf der Champions-League-Bühne: 1:0 gegen Manchester United (das glorreiche von Sir Alex Ferguson) mit Ronaldo, Giggs, Rooney (2006). Als Shunsuke Nakamura knapp vor Schluss aus 35 Metern Edwin van der Sar einen Freistoß reinzimmerte. Oder das 4:3 gegen Juventus mit Del Piero, Nedved, Trezeguet (2001) mit einem Doppelpack von Chris Sutton.

Das Paradies im Osten Glasgows im Stadtteil Parkhead (2019). imago images / Inpho Photography

Die Zeiten, als Scharen von Fans mit der Nummer 7 und "God" bedruckten Dressen ins hinter dem Friedhof Janefield Cemetary erscheinende "Paradise" aufstiegen, um Henrik Larsson (242 Tore in 315 Spielen für Celtic) zu huldigen, sind freilich vorbei. Wie auch die der "Lisbon Lions", jener verschworenen Einheit von Spielern ausschließlich aus Glasgow und Umgebung, die 1967 nach einem 2:1 gegen Inter Mailand in Lissabon den Henkelpokal stemmte.

Europa-League-Ligaphase, 3. Spieltag

Dennoch hat Sturm Graz nicht unbedingt das große Los gezogen, Celtic in der Ligaphase auswärts zu begegnen. Die Bhoys stellen im Paradise nämlich nach wie vor ein ganz anderes Kaliber dar als am Kontinent.

In der Ära Brendan Rodgers II (seit Sommer 2023) lautet die Europacup-Heimbilanz: 4 Siege, 3 Remis, 2 Niederlagen. Die Auswärts-Bilanz hingegen ist vernichtend: 0 Siege, 3 Remis, 6 Niederlagen. Kapitän Callum McGregor und Co. ließen da gleich 23 Gegentreffer zu. Mehr Tore in Europacup-Auswärtssspielen hat sich im Vergleichszeitraum nur Sparta Prag eingefangen (26).

"Historische" Auswärtsniederlagen kassierte Celtic zuvor beispielsweise auf Gibraltar gegen die Lincoln Red Imps (0:1) oder in der Slowakei gegen FC Artmedia Bratislava (0:5). Im Paradise erzwangen "Big Bad John" Hartson und Co. gegen Artmedia dann fast noch eine Verlängerung (4:0).

So etwas gibt es in Österreich nicht. Da kommen 60.000 und jeder Einzelne pusht sein Team die ganze Zeit.

ÖFB-Legionär Michael Steinwender

Trotz einer 0:3-Niederlage in der Premiership im März mit den Hearts schwärmt auch Michael Steinwender im Gespräch mit dem kicker über "die einzigartige Atmosphäre" im Celtic Park: "So etwas gibt es in Österreich nicht. Da kommen 60.000 und jeder Einzelne pusht sein Team die ganze Zeit."

Steinwender versucht Kampfmaschine Maeda vom Ball abzuhalten. IMAGO/Shutterstock

Im Ibrox Park der Rangers soll es teilweise noch lauter zugehen, wurde Steinwender berichtet: "Wenn es für die läuft. Aber dort haben wir 2:0 gewonnen. Da habe ich nur Buh-Rufe gehört."

Der Burgenländer drückt Sturm die Daumen: "Aber es wird schwer. Celtic hat viele gute Spieler und in der Zwischenrunde der Champions League zuletzt sogar fast die Bayern in die Knie gezwungen. Kimmich hat damals ja auch geschwärmt, was hier abgeht." Er selbst fordert mit Leader Hearts die Bhoys am Sonntag im Premiership-Gipfel: "Wir sind gut drauf, eine verschworene Einheit, haben manche Spiele in den Schlussminuten gewonnen."

Peter Haring kreuzte von 2018 bis 2024 mit den Hearts mehrmals im Celtic Park auf. "Es ist schon beeindruckend, wenn du ankommst beim Stadion mit seiner ganzen Geschichte. Die Celtic-Spieler treten daheim auch mit einem ganz anderen Selbstverständnis auf", weiß Haring, "es ist aber nicht so, dass man sich fürchten muss."

Salzburg und Rapid haben es vorgezeigt

Keinesfalls furchtlos traten RB Salzburg und der SK Rapid im bei Europa-League-Spielen oft nicht vollen Celtic Park auf. Die Salzburger gewannen dort unter Marco Rose (2:1) und Adi Hütter (3:1). Bei einem gemeinsamen Abendessen mit der Presse im Vorfeld der Partie zeigte sich der damalige Salzburg-Sportdirektor Ralf Rangnick insbesondere vom Enthusiasmus der Celtic-Fans beim Singen der Hymne "You'll Never Walk Alone" beeindruckt.

Rapid holte unter Peter Pacult ein Remis (1:1), wobei Nikica Jelavic, der später zu den Rangers wechselte, sich schon mal mit einem Treffer vorstellte. Im Jänner 2024 verschlug es Nicolas Kühn von Hütteldorf nach Parkhead, was Rapid inklusive Boni über fünf Millionen Euro einbrachte, nachdem die Bhoys Kühn letzten Sommer um 19 Millionen Euro an Como weiterverkauften.

In vertraute Gesichter werden im Celtic Park gleich drei Blackies blicken können: Maurice Malone lief Arne Engels schon im Juli und August 2023 in Augsburg über den Weg. Tochi Chukwuani und Benjamin Nygren kickten im Frühjahr 2022 gemeinsam für den FC Nordsjaelland. Dimitri Lavalee und Michel-Ange Balikwisha standen von 2016 bis 2018 beide bei Standard Lüttich unter Vertrag.

Niedergewaltzt

"Die Ligaspiele sind das eine, Europacupspiele das andere. Aber das Old Firm schlägt noch einmal alles", weiß Haring. Oscar-Preisträger Christoph Waltz war beim 3:0-Heimsieg gegen die Rangers im September 2024 dabei. "So etwas habe ich noch nie erlebt", hielt der Bayern-München-Fan auf CelticTV fest.

Eine Niederlage im Klassiker blieb Waltz im VIP-Bereich der Bhoys erspart. Die ist der größte Stimmungskiller beim 1887 vom irischen Ordensbruder Walfrid gegründeten Klub, dann heißt's schnell: Paradise Lost!

Thomas Schöpf

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