Gilbert Prilasnig war unter Jahrhunderttrainer Ivica Osim ein Führungsspieler der legendären Sturm-Erfolgstruppe. Zehn Jahre lang stand der heute 52-Jährige für die Schwarz-Weißen auf dem Platz, nach der Profikarriere 14 Jahre in leitender Funktion im Nachwuchs. Am Donnerstag gibt der studierte Linguist und UEFA-Pro-Lizenz-Trainer beim Gastspiel bei Celtic sein Debüt als TV-Experte für Canal+. Im aktuellen Sturm-Team sieht Prilasnig auch die DNA von damals.

Gilbert Prilasnig war von 1991 bis 2001 mit Sturm national und international erfolgreich. GEPA pictures
Im zentralen Mittelfeld und in der Innenverteidigung des SK Sturm Graz war Gilbert "Gilli" Prilasnig ein entscheidender Faktor für die herausragenden Erfolge Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre. Zweimal gewann der heute 52-Jährige mit den Blackies die Meisterschaft, dreimal den Cup. Die 2022 verstorbene Trainerlegende Ivica Osim bildete mit dem impulsiven, teils exzentrischen Vereinspräsidenten Hannes Kartnig eine völlig gegensätzliches und vielleicht gerade deshalb so erfolgreiches Gespann. Osim führte das Team mit zahlreichen Nationalspielern wie Ivica Vastic, Markus Schopp, Roman Mählich, Hannes Reinmayr oder Prilasnig dreimal in die Champions League.
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Wenn die Grazer Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) zum dritten Ligaphasen-Spiel in der Europa League bei Celtic Glasgow antreten, gibt Prilasnig seine Premiere als Studio-Experte bei Canal+. Für den gebürtigen Kärntner, der schon als Spieler in Interviews rhetorisch heraussttach, dennoch quasi vertrautes Terrain. Prilasnig schloss das Studium der Linguistik und ein anschließendes Master-Studium in klinischer Linguistik erfolgreich ab. Beruflich blieb Prilasnig auch nach Ende der aktiven Laufbahn 2010 im Fußball. Und dennoch wurde es um den 16-fachen ÖFB-Internationalen ruhig, weil er ausschließlich im Nachwuchsbereich arbeitete - das aber lange und erfolgreich.
Auf der Suche nach neuer Herausforderung
Während seiner 14-jährigen Ära als Sturm-Nachwuchsleiter betreute er die letzten drei Jahre als Cheftrainer die U-18-Akademiemannschaft und war als Co-Trainer bei diversen ÖFB-Auswahlen tätig. "Dann hat es sich bei Sturm für mich leider nicht so weiterentwickelt, wie ich mir das erhofft hatte", erzählt Prilasnig im Gespräch mit dem kicker über die Trennung von den Schwarz-Weißen im Vorjahr. "Zur Zeit arbeite ich mit einer Teilzeitanstellung in der Hartberg-Akademie und absolviere nebenbei ein logopädisches Praktikum in einer Neurologischen Klinik. Aber ein Fulltime-Job im Fußball ist mein klares Ziel." Einige Zeit war der für seine grandiose Spielübersicht bekannte Ex-Kicker heuer "Co" von Alexander Schriebl im Frauen-Nationalteam. "Aber auch das war eigentlich ein Nebenjob ohne Anstellung - parallel zur Akademie."
In Österreichs mittlerweile zahlreichen Akademien sieht Prilasnig auch einen der Hauptgründe für die Erfolge des Männer-Nationalteams unter Ralf Rangnick: "Die gute Arbeit mit dem Nachwuchs trug Früchte. Österreichs Nationalmannschaft ist heute wesentlich stabiler und konkurrenzfähiger als noch vor 20 oder 25 Jahren. Ein Problem sehe ich nur darin, dass die besten Talente schon mit 16 ins Ausland abwandern. Nur wenige schaffen es, sich durchzusetzen - viele nicht. Die kommen zurück oder hören auf. Man sollte versuchen, Talente länger zu halten und zunächst in österreichische Profiteams zu integrieren - um zu verhindern, dass so viele verloren gehen."
Was Sturm besser macht als Salzburg
Dieses Problem hatte die goldene Sturm-Generation unter Osim nicht. "Viele wichtige Spieler sind sehr lange beim Verein geblieben, weil der Transfermarkt und dieser Geschäftszweig der Spielervermittler damals bei weitem noch nicht diese Dimension hatte, die man heute kennt", so Prilasnig. "Die großen Ligen haben sich sportlich und finanziell so enorm entwickelt, dass es heute das erste Ziel für jeden jungen Spieler ist, möglichst schnell ins Ausland zu kommen und dort viel Geld zu verdienen. Früher gab es weniger Spielerberater und nicht annähernd so ein großes internationales Netzwerk. Dazu kommt, dass der Stellenwert des österreichischen Fußballs heute viel höher ist."
Für Prilasnig ist ein gewisser Kern an vereinstreuen Führungsspielern auch der wesentliche Baustein im Erfolgssystem der aktuellen Sturm-Ära: "Einige herausragende Spieler wie Stankovic, Kiteishvili oder Horvat sind schon vier, fünf Jahre dabei und bilden das Herz der Mannschaft. Das ist für einen in den letzten Jahren so erfolgreichen Verein schon außergewöhnlich, zumal Sturm ja auch in der Champions League war. In Salzburg war das nicht der Fall und dürfte das auch kein Ziel sein, dass Leistungsträger möglichst lange bleiben. Ich halte das aber für sehr wichtig - für das Funktionieren einer Mannschaft und für das Integrieren neuer junger Spieler. Und man sieht ja auch schon in dieser Saison, dass Sturm offenbar wieder die entscheidenden Punkte macht."

Gemeinsam mit dem späteren Teamchef Franco Foda (l.) war Gilbert Prilasnig (r.) im Herbst 2000 bei Sturms CL-Debakel bei den Glasgow Rangers dabei. GEPA pictures
Gemischte Erinnerungen an Debakel bei Rangers
Das Spiel in Glasgow gegen Celtic ist für Prilasnig "richtungsweisend", auch mit Blickrichtung K.o.-Phase. Entscheidend werde sein, wie Sturm mit der Atmosphäre im ausverkauften Celtic Park zurecht kommt. Seine persönlichen Erinnerungen an Glasgow mit Sturm? "Bei den Rangers sind wir damals mit 0:5 untergegangen. Diese unglaubliche Stimmung war für uns damals überwältigend, das war eine richtige Schlappe - ein Spiel zum Vergessen, und doch eine schöne Erinnerung. So eine Atmosphäre muss man einmal erlebt haben, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Und bei Sturm gibt es einige Spieler, die das schon anderswo erlebt haben - die haben das Know-how."
Die Sturm-Mannschaft von damals trifft sich regelmäßig zur Weihnachtszeit. "Zumindest alle, die verfügbar sind", erzählt Prilasnig. "Es gibt auch eine Whatsapp-Gruppe und alle, die im Raum Graz wohnen, trifft man natürlich hin und wieder. Ranko Popovic habe ich zum Beispiel viele Jahre nicht gesehen, bis ich letztes Jahr mit dem Homeless Team, bei dem ich mich schon sehr lange engagiere, beim World Cup in Seoul war - und Ranko dann in Japan besuchte. Jetzt lebt er in Spanien, aber wenn er in Graz ist, sehen wir uns. Eigentlich ist es sehr schön, dass damals Freundschaften entstanden sind, die bis heute halten - auch zu Roman Mählich, meinem jahrelangen Zimmerkollegen von damals."
Harald Hofstetter

vor 1 Tag
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