Handelsstreit: Wirtschaftsverbände nennen Zolldeal einen "schmerzhaften Kompromiss"

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Merz und Klingbeil haben die Einigung im Zollstreit zwischen den USA und der EU begrüßt. Industrie- und Exportverbände äußern sich hingegen kritisch zu dem Abkommen.

27. Juli 2025, 22:33 Uhr Quelle: DIE ZEIT, dpa, Reuters, AFP,

 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump haben die Handelsverständigung nach einem Spitzentreffen in Schottland bekannt gemacht.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump haben die Handelsverständigung nach einem Spitzentreffen in Schottland bekannt gemacht. © Andrew Harnik/​AFP/​Getty Images

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich zufrieden über die Verständigung im Zollstreit zwischen der Europäischen Union und den USA gezeigt. "Mit der Einigung ist es gelungen, einen Handelskonflikt abzuwenden, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte", sagte Merz. Dies gelte besonders für die Automobilwirtschaft, bei der die gegenwärtigen Zölle von 27,5 Prozent auf 15 Prozent fast halbiert würden, sagte der CDU-Politiker. 

Merz betonte, es sei gut, dass eine unnötige Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen vermieden werde. "Die Einigkeit der Europäischen Union und die harte Arbeit der Verhandler haben sich ausgezahlt." Der Kanzler dankte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Handelskommissar Maroš Šefčovič. "In den nun anstehenden Verhandlungen über die Details der Einigung hat die Europäische Kommission meine volle Unterstützung." Es gelte weiter daran zu arbeiten, die Handelsbeziehungen mit den USA zu stärken, sagte Merz.

Auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat wohlwollend über die Verständigung im Zollstreit gesprochen. Es gäbe zugleich aber noch Klärungsbedarf bei den konkreten Folgen des Deals. Vizekanzler Klingbeil sagte, die Bundesregierung werde das Verhandlungsergebnis und dessen Auswirkungen jetzt auswerten. Es bleibe dabei, dass Zölle der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks schadeten. "Wir brauchen niedrige Zölle und offene Märkte", sagte Klingbeil. Zunächst sei es gut, dass eine Verhandlungslösung erzielt worden sei.

"Der Preis ist für beide Seiten hoch"

Der Handelsdeal sende ein fatales Signal, in dem die EU schmerzhafte Zölle in Kauf nehme, sagt hingegen Wolfgang Niedermark, Experte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). "Denn auch ein Zollsatz von 15 Prozent wird immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie haben." Ein weiterer Tiefschlag sei zudem, dass es keine Einigung für niedrigere Zölle auf Stahl- und Aluminiumexporte gebe, sagte der BDI-Vertreter.

"Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar", sagt der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup. Eine weitere Eskalation sei vermieden worden. "Trotzdem ist der Preis für beide Seiten hoch. Europas Exporte verlieren an Wettbewerbsfähigkeit." Die vereinbarten Zölle seien aus Sicht der Chemiebranche zu hoch.

Existenzielle Bedrohungen für deutsche Händler

"Der Zollaufschlag bedeutet für viele unserer Händler eine existenzielle Bedrohung", teilte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) mit. Auch wenn jetzt zunächst Sicherheit über die Handelsbedingungen herrsche, würden sich Lieferketten verändern und Preise erhöhen. Die Einigung mit den USA werde auch in Deutschland Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze kosten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump hatten die Verständigung nach einem Spitzentreffen in Schottland bekannt gemacht. Trumps Angaben zufolge soll der Zollsatz auf die meisten Importe in die USA bei 15 Prozent liegen.

Die EU-Kommission hatte sich intensiv für ein Handelsabkommen mit den USA eingesetzt, um die Handelsbeziehungen im Wert von jährlich 1,9 Milliarden US-Dollar zu sichern. Trump hatte Anfang April einen Zollkonflikt mit Handelspartnern in aller Welt entfacht. Er kündigte hohe Importaufschläge für die EU und zahlreiche Länder an, senkte diese dann aber auf zehn Prozent, um Verhandlungen zu führen. Der EU drohte er zuletzt mit Zöllen von 30 Prozent, die am 1. August in Kraft treten sollten. Für Stahl- und Aluminiumprodukte müssen Importeure Aufschläge von 50 Prozent zahlen.

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