EM-Sieg gegen die Niederlande Gegen dieses Frankreich geht Deutschland als krasser Außenseiter ins Viertelfinale
Zur Pause lag Frankreich gegen die Niederlande zurück, dann dreht der Favorit auf – und trifft nun auf Deutschland. Bundestrainer Christian Wück saß auf der Tribüne und hat auch gesehen, wie man das Topteam knacken kann.
13.07.2025, 23.42 Uhr

Sandie Toletti (l.) feierte ihren Treffer mit Sakina Karchaoui
Foto:Sebastian Gollnow / Sebastian Christoph Gollnow / dpa
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Joyeux anniversaire: Besser hätte das Spiel für Frankreich fast nicht beginnen können. Die Französinnen überstanden eine erste niederländische Kleinoffensive und kamen dann selbst besser in die Partie. Und als die Niederlande dann im Aufbauspiel patzten, schaltete Frankreich blitzschnell um. Topstürmerin Marie-Antoinette Katoto hatte im Strafraum alle Zeit der Welt, sie passte auf Sandie Toletti, die mindestens ebenso unbehelligt war. Und Toletti ließ sich das Geschenk nicht entgehen und traf zum 1:0 (22. Minute). Auf den Tag 30 Jahre, nachdem sie im französischen Städtchen Bagnois-sur-Ceze unweit von Avignon zur Welt gekommen ist. Alles Gute!
Ergebnis: Frankreichs Fußballerinnen gewannen in Basel am Ende 5:2 (1:2) gegen die Niederlande. Das klingt klarer, als es war, zwischendurch kamen die Französinnen in arge Bedrängnis. Durch den Sieg sicherte sich Frankreich den ersten Platz der Gruppe D, was bedeutet: Die Französinnen treffen im Viertelfinale auf den Zweiten der Gruppe C: Deutschland. Auch England (6:1 im Parallelspiel gegen Wales) ist weiter. Die Niederländerinnen und Wales müssen die Heimreise antreten.
Partycrasher: Geburtstagskind Toletti brachte Frankreich früh in Führung, aber Zeit für ein Ständchen blieb danach kaum. Frankreich machte hinten schon von Beginn an keinen absolut sicheren Eindruck und kassierte nur vier Minuten nach der Führung den Ausgleich. Chasity Grant zog ab, Keeperin Pauline Peyraud-Magnin parierte, aber dann kam der Ball zu Victoria Pelova. Die Arsenal-Spielerin traf traumhaft ins rechte Eck und brachte die Niederländerinnen zurück.
Van Gaal ist nicht zufrieden: Ein Tor, das der niederländischen Fußballseele guttat. Denn es hatte sich einiges angestaut. Schon weit vor dem Turnier wurde Andries Jonker, bekannt unter anderem beim FC Bayern und VfL Wolfsburg, eröffnet: Du bekommst keinen neuen Vertrag. Jonker überlegte, ob er die EM überhaupt noch angehen sollte. Dann setzte es gegen England eine 0:4-Klatsche im zweiten Spiel, Starspielerin Daniëlle van de Donk motzte öffentlich, dass sie schon fit genug gewesen sei für einen Einsatz von Beginn an und nicht verstehen könne, warum Jonker sie draußen gelassen hatte. Und aus dem Ruhestand meldete sich Louis van Gaal, der Jonker einst zum FC Bayern mitnahm. »Kein guter Stil, die Verantwortlichen haben einen Fehler gemacht«, sagte er über die Entscheidung, seinen Freund als »lame duck« ins Turnier zu schicken. Und wer würde es wagen, van Gaal zu widersprechen?

Niederländischer Trainer Jonker: Kein schöner Abschied
Foto: Daniela Porcelli / Getty ImagesDer kurze Glaube ans Wunder: Die Niederländer jedenfalls waren nach dem Tor voll da, vergessen schien der leblose Auftritt gegen England. Sie brauchten einen hohen Sieg, um Weiterkommen zu können. Das wussten sie, und so spielten sie auch. Immer wieder hebelten sie Frankreich über die Außen aus, so auch dieses Mal. Van de Donk passte in die Mitte, Lineth Beerensteyn traf den Ball zwar nicht richtig, aber verwirrte die französische Abwehr. Besonders orientierungslos war Linksverteidigerin Selma Bacha, die klären wollte, sich selbst anschoss und ein wirklich unglückliches Eigentor fabrizierte (41.). Die Niederländerinnen mit ihren begeisterungsfähigen Fans (nach links, nach rechts … Sie wissen schon) glaubten wieder an das Wunder.
Sechs Minuten Machtdemonstration: Nur die Französinnen hatten so ganz offensichtlich gar keine Lust auf ein Wunder. Sie drängten nach der Pause auf den Gruppensieg, es schien so, als wollten sie im Viertelfinale lieber Deutschland als Gegner denn Schweden. Innerhalb von sechs Minuten fertigten die Französinnen ihre Gegnerinnen ab.
61. Minute: Katoto traf nach einem niederländischen Missverständnis im Mittelfeld zum 2:2.
64. Minute: Delphine Cascarino wackelte ihre Gegnerinnen aus und traf sehenswert aus 18 Metern. 3:2 für Frankreich.
67. Minute: Ein Schuss ging an den Pfosten, aber natürlich sprang der Ball zu Cascarino. Und weil den Französinnen zu der Zeit alles gelang, traf sie erneut. 4:2.
Danach waren alle Zweifel beseitigt.

Delphine Cascarino traf doppelt für die Französinnen
Foto: Leiting Gao / BSR Agency / IMAGOSchlusspunkt: Als alles gelaufen war, traf Sakina Karchaoui noch per Foulelfmeter zum 5:2 (90.+2.) und brachte Niederlande-Trainer Jonker ein spätes letztes Gegentor seiner Amtszeit bei.
Augen auf: Zeuge dieser Machtdemonstration wurde im Stadion auch Deutschlands Bundestrainer Christian Wück. Was also sah er einen Tag nach dem Debakel gegen Schweden, bei dem sein Team den Gruppensieg verpasste? In erster Linie eine französische Offensivwucht, die ihm die eine oder andere Schweißperle auf die Stirn treiben dürfte. Da kommt was zu auf seine wackelige Abwehr. Aber was Wück auch sah: Ein Team, das über die Außen verwundbar ist. Eine Mannschaft, die sich von langen Bällen übertölpeln ließ und trotz einer frühen Führung überraschend wackelig wirkte. Deutschland geht als Außenseiter in das Spiel. Aber ist nicht chancenlos. DFB-Sportdirektorin Nia Künzer, die das Spiel im Hotel schaute, sagte nach dem Spiel in der ARD: »Wir freuen uns.«
So geht’s weiter: Frankreich kann sich nun ein wenig ausruhen, das Spiel gegen Deutschland steigt erst am Samstag (21 Uhr/ Liveticker: SPIEGEL.de). Ohnehin macht jetzt die ganze EM eine kurze Pause, das erste Viertelfinale findet am Mittwoch statt, wenn Norwegen gegen Italien antritt. Am Donnerstag spielt dann Schweden gegen England, am Freitag Spanien gegen die Schweiz.