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Liebe Leserinnen und Leser, Friedrich Merz ist in Washington angekommen und trifft dort erstmals als Kanzler auf US-Präsident Donald Trump. Es dürfte eine brisante und potenziell konfliktträchtige Begegnung werden. Bei dem Treffen soll es um folgende Themen gehen: US-Zölle, Handelsstreit, Russlands Krieg in der Ukraine. Über alle Entwicklungen informieren wir Sie in diesem Liveblog.
Sebastian Stoll
Newsressort
Spricht Trump Merz auf angeblich mangelnde Meinungsfreiheit an?
Bisher haben in der US-Regierung JD Vance und Marco Rubio das Thema angesprochen – nun könnte es der Präsident selbst auch tun: Die »New York Times« berichtet, Donald Trump könnte gegenüber Friedrich Merz das Thema der angeblich eingeschränkten Meinungsfreiheit in Deutschland anschneiden. Die Zeitung schreibt unter Berufung auf einen Mitarbeiter im Weißen Haus, Trump werde das Thema »wahrscheinlich« zur Sprache bringen und dem Kanzler gegenüber die Ansicht äußern, dass Deutschlands Einsatz hierfür nachgelassen habe.
Dem Bericht zufolge wird der Präsident wahrscheinlich auch über Militärausgaben sprechen wollen, die Notwendigkeit von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sowie über die von ihm so wahrgenommenen Handelsschranken der EU gegenüber den Vereinigten Staaten.
Wie gut kennen sich Merz und Trump schon?
Sie sind sich erst ein Mal vor vielen Jahren flüchtig in New York begegnet. Seit dem Amtsantritt von Merz vor vier Wochen haben sie mehrfach telefoniert – zu zweit und in größerer Runde zum Ukrainekrieg. Merz hat inzwischen die Handy-Nummer des US-Präsidenten, tauscht sich mit ihm regelmäßig per SMS aus.
Über das erste Telefonat zu zweit sprach Merz vor wenigen Tagen beim WDR Europaforum überraschend offen. »Wenn man mit ihm allein spricht, das ist halt Small Talk«, erzählte er da. »Und wichtig ist immer, dass man nicht so lange redet, sondern dass man kurz redet und ihn auch reden lässt.«
Merz hatte Trump in dem Gespräch zum ersten amerikanischen Papst gratuliert. Zudem sprachen die beiden über die US-Metropole Chicago, für die beide ein Faible haben. Merz kennt die USA gut und hat auch für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet: die Investmentgesellschaft BlackRock.
Was die beiden in jedem Fall verbindet: Sie spielen Golf.
Sebastian Stoll
Newsressort
Zeitplan kurzfristig geändert – das ist er
Verwirrung gab es in den vergangenen Stunden um den Zeitplan: Eigentlich war geplant, dass Merz und Trump am späten Vormittag Washingtoner Zeit zunächst hinter verschlossenen Türen miteinander sprechen. Die Delegationen sollten gemeinsam Mittagessen. Erst danach sollten sich beide im berühmten Oval Office der Öffentlichkeit präsentieren und dort sprechen. Allerdings haben Trumps Mitarbeiter den Ablauf offenbar kurzfristig umgeworfen. Der Termin im Oval Office ist nun schon vor dem Mittagessen – bei dem eigentlich Streitthemen unter vier Augen geklärt werden sollten. Das könnte nun vor laufenden Kameras passieren. Folgendermaßen sieht der Plan nach der Umstellung aus:
- 11.30 Uhr Ortszeit (17.30 Uhr deutscher Zeit): Präsident Trump begrüßt Bundeskanzler Merz vor der Presse.
- 11.45 Uhr (17.45 Uhr): Präsident Trump trifft Bundeskanzler Merz im Oval Office, dort sind ausgewählte Medienvertreter dabei.
- 12.15 Uhr (18.15 Uhr): Präsident Trump nimmt an einem bilateralen Mittagessen mit Bundeskanzler Merz teil.
Wie lange dauert der Termin im Oval Office?
Das ist vollkommen offen. Bei dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dauerte das Treffen im Oval Office 50 Minuten, bei Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni dauerte der öffentliche Teil inklusive Pressekonferenz 25 Minuten und beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron 28 Minuten, in die trotzdem 27 Fragen passten. 23 gingen an Trump, nur vier an Macron. Der französische Präsident antwortete auf Englisch und Französisch – und das deutlich länger als Trump.
Merz hat sich entschieden, ohne Dolmetscher ins Weiße Haus zu gehen – eine vertrauensbildende Maßnahme. Vor dem Besuch hatte Trump Merz’ Englischkenntnisse gelobt.
Bernhard Zand
US-Korrespondent, New York
Taugt der Besuch als Ablenkung für Trumps Probleme?
Empfänge ausländischer Staats- und Regierungschefs sind für US-Präsident Donald Trump immer auch Anlässe, die Nachrichtenlage in den USA in seinem Sinn zu steuern – mit anderen Worten: unangenehme innenpolitische Themen an den Rand der Aufmerksamkeit zu drängen. Das für Trump unerfreulichste dieser Themen ist zurzeit der öffentliche Bruch, den sein früherer Haushaltskürzer Elon Musk mit der Finanzpolitik des Präsidenten vollzogen hat.
Dabei geht es um Trumps milliardenschweres »großes schönes« Haushaltsgesetz, das einerseits drastische Kürzungen im Sozial- und Gesundheitswesen und andererseits eine massive Aufnahme neuer Schulden vorsieht. Musk hat dieses Gesetz am Dienstag eine »widerliche Abscheulichkeit« genannt und feuert seither auf seiner Plattform X gegen Abgeordnete und Senatoren, die sich für das Gesetz einsetzen.
Bislang hat Trump entgegen seiner Gewohnheit darauf nicht öffentlich reagiert, und jede Schlagzeile, die von dieser Debatte ablenkt, dürfte für ihn eine gute Schlagzeile sein. Merz’ Besuch kommt Trump in dieser Hinsicht sicher gelegen.
Sebastian Stoll
Newsressort
Falls Trump über deutsche Innenpolitik spricht, will Merz »sehr klar« seine Meinung sagen
Für den Fall, dass deutsche Innenpolitik Thema im Oval Office wird, hat Friedrich Merz bereits eine deutliche Reaktion angekündigt. Man könne gern über das Thema sprechen, sagte der CDU-Chef vor Journalisten und im Beisein von SPIEGEL-Redakteurin Marina Kormbaki. »Ich werde allerdings auch sehr klar meine Meinung sagen, wenn es notwendig ist.« Von deutscher Seite werde auch Zurückhaltung geübt, wenn es um die Bewertung innenpolitischer Vorgänge in den USA gehe, fügte Merz hinzu.
Der Bundeskanzler kündigte zudem an, mit dem US-Präsidenten über den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu sprechen, über Handelspolitik sowie über das Thema der deutschen Militärausgaben. Er freue sich auf das Gespräch, erwarte aber keine Durchbrüche, sagte Merz weiter.
Wie Merz sich auf das Treffen vorbereitet hat
»Merz hat sich schon seit seinem Amtsantritt bemüht, ein gutes Verhältnis zu Trump aufzubauen«, schreiben SPIEGEL-Redakteure Maria Fiedler und Paul-Anton Krüger aus dem Hauptstadtbüro. »Die beiden sind mittlerweile von »Mr. President« und »Chancellor« zu »Donald« und »Friedrich« übergegangen.«
Merz sagte, man dürfe sich im Umgang mit Trump nicht kleiner machen, »als wir sind«, sagte er beim Europaforum des WDR.
Wie der Kanzler sich auf das Treffen vorbereitet hat, lesen Sie hier.
Für Kanzler Merz ist es die heikelste Reise seit Beginn seiner noch jungen Amtszeit. Trump hat in den vergangenen Monaten bereits zwei Staatschefs bei ihren Besuchen im Weißen Haus öffentlich vorgeführt. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa. Meine Kollegin Larena Klöckner hat Verhandlungsexperten Matthias Schranner gefragt: »Ist Merz der Nächste?«
Schranner: »Im Oval Office geht es um Machtdemonstration. Trump ist ein Spieler. Wer sich von ihm provozieren lässt, verliert die Kontrolle über das Gespräch – und damit das Spiel.«
Er rät Merz, die Gemeinsamkeiten der USA und Deutschland zu betonen. Und: »Je aggressiver die Angriffe, desto höflicher muss man werden.«
Welche weiteren Tipps der Verhandlungsexperte für Merz hat, lesen Sie hier.
SPIEGEL-Redakteurin Marina Kormbaki ist bei Friedrich Merz' Antrittsbesuch im Weißen Haus dabei. Sie schreibt: »Nach allem, was aus dem Kanzleramt zu hören ist, hat Merz nicht vor, sich vor Trump in den Staub zu werfen.« Was Merz bei Trump erreichen will, lesen Sie hier.