Bulgarien kann aus Sicht der Europäischen Kommission die Gemeinschaftswährung Euro einführen. Das EU-Mitgliedsland erfülle die dafür notwendigen Kriterien, teilte die Brüsseler Behörde mit. Bulgarien will seine Landeswährung Lew zum 1. Januar 2026 mit dem Euro ersetzen.
Das Balkanland ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Union und wäre das 21. Land mit der Gemeinschaftswährung. Zuletzt war Anfang 2023 Kroatien in den Kreis der Eurostaaten aufgenommen worden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete den Euro als »ein greifbares Symbol der europäischen Stärke und Einheit«. Dank des Euro werde die bulgarische Wirtschaft stärker werden. Es dürfte mehr Handel mit den Partnern im Euroraum geben, dazu ausländische Direktinvestitionen sowie Zugang zu Finanzmitteln, hochwertigen Arbeitsplätzen und Realeinkommen.
Bulgarien gehört zu den ärmeren EU-Ländern und ist beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung auch 2024 EU-Schlusslicht – obwohl die Wachstumsraten höher waren als anderswo. Vorläufigen Angaben von Eurostat zufolge lag die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in Bulgarien im vergangenen Jahr 34 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.
Ein weiteres Land im gemeinsamen Währungsraum erleichtert Handel und Reisen. Wer Geschäfte macht oder investieren will, muss sich dann keine Sorgen mehr um Wechselkurse machen. Auch Touristen würden profitieren, weil sie sich nach einem Euro-Beitritt Bulgariens keine Landeswährung mehr besorgen müssen, was in der Regel mit Kosten verbunden ist.
Ursprünglich war die Euro-Einführung in Bulgarien für Anfang 2024 geplant. Doch wegen der damals hohen Inflationsrate von 9,5 Prozent wurde der Beitritt verschoben.
Alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks sind nach den EU-Verträgen verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Außer in Bulgarien steht die Einführung der Gemeinschaftswährung noch in Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn aus.
Für den Euro-Beitritt müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Dazu gehören Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und stabile Wechselkurse. Die Inflation zum Beispiel darf nicht aus dem Ruder laufen, damit der Wert des Geldes gewahrt und seine Kaufkraft erhalten bleibt.
Die Euro-Beitrittskandidaten müssen zudem nachweisen, dass sie ihre Staatsverschuldung im Griff haben. Und sie müssen dafür sorgen, dass der Wechselkurs ihrer Landeswährung stabil bleibt, damit etwa Unternehmen vorausschauend planen können.
Die Fortschritte der Euro-Beitrittskandidaten bei diesen sogenannten Konvergenzkriterien werden regelmäßig von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission überprüft. Ob ein Land bereit ist für den Euro, entscheidet letztlich der Rat der Europäischen Union. Vertreter aus allen EU-Ländern treffen diese Entscheidung auf Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments.
Um die wirtschaftliche Lage in dem Balkanland zu stabilisieren, halten die Euro-Währungshüter weitreichende Strukturreformen für erforderlich. Dazu gehöre die Verpflichtung Bulgariens, Korruption weiter einzudämmen, ein unabhängiges und effizientes Justizsystem zu gewährleisten und das Bildungssystem zu verbessern. Wichtig sei auch, dass das Land seine Infrastruktur modernisiere, um das Produktionspotenzial zu steigern.

Anti-Euro-Protest in Bulgariens Hauptstadt Sofia
Foto: Hristo Vladev / Anadolu / picture allianceIn Bulgarien wird die Debatte über die Einführung des Euro von heftigen Protesten begleitet. Erst am vergangenen Samstag demonstrierten Anhänger prorussischer und nationalistischer Parteien in der Hauptstadt Sofia und in anderen Städten. Sie fordern, dass die Landeswährung Lew erhalten bleibt, da sie befürchten, dass der Euro die Preise in die Höhe treiben wird.
Im Februar entzündeten Nationalisten vor dem Eingang der EU-Vertretung in Sofia ein Feuer. Zudem gossen sie rote Farbe auf die gläserne Fassade des Gebäudes, es flogen Molotowcocktails und Eier.
Die prorussische nationalistische Oppositionspartei Wasraschdane (Wiedergeburt) wirft den Behörden vor, Daten zu fälschen, um die Einführung des Euro zu ermöglichen. Mit der Einführung des Euro würde Bulgarien seine nationale Souveränität verlieren, beklagt die Partei.
Bulgariens Bevölkerung ist in der Euro-Frage gespalten. Laut einer Meinungsumfrage des bulgarischen Instituts Mjara vom 10. bis 13. Mai ist mehr als die Hälfte der Volljährigen (54,9 Prozent) gegen eine Einführung des Euro 2026.
Einer Umfrage des Instituts Gallup International Balkan in der zweiten Maihälfte zufolge sehen 33 Prozent »eher Nutzen« in einer Einführung des Euro. Dagegen befürchten 33 Prozent »eher Nachteile«. 23 Prozent erwarten weder Vor- noch Nachteile.