EM 2025: Alexia Putellas will Spanien zum Titel führen

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 »Werde ich dieses Niveau je wieder erreichen?«

Alexia Putellas (M.): »Werde ich dieses Niveau je wieder erreichen?«

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Charlotte Wilson / Getty Images

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Es ist drei Jahre her, da sprach Alexia Putellas vom Karriereende.

Zu hören ist das in einer Dokumentation (»Alexia Putellas: Ikone des Fußballs«) über die spanische Ausnahmefußballerin. Die Gedanken kamen ihr im Sommer 2022. Damals wollte sie mit dem spanischen Nationalteam Europameister werden, Putellas war die Anführerin der Elf, ihre beste Spielerin, ihr Star. Doch einen Tag vor EM-Beginn riss im Training ihr Kreuzband.

Sie sei nach der Verletzung verschiedene Szenarien durchgegangen, darunter das Karriereende und der Beginn einer Laufbahn als Trainerin, sagt Putellas in dem Film. Hinter jenen fatalistischen Gedanken standen nicht nur die Enttäuschung über die verpasste Europameisterschaft, sondern auch ein Zweifel. »Werde ich dieses Niveau je wieder erreichen?«, fragt Putellas. Das würde Jahre dauern, wenn es überhaupt möglich sei.

»Ich fühle Dankbarkeit«, sagt Putellas in dem Film: »Ich konnte diesen Traum leben und genießen. Ich war jeden einzelnen Tag glücklich.« Es klang nach Abschied.

Putellas neben Clàudia Pina (l.) im Viertelfinale gegen die Schweiz

Putellas neben Clàudia Pina (l.) im Viertelfinale gegen die Schweiz

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Sie entschied sich fürs Weiterspielen. Nun könnte Putellas, 31, einen der größten Erfolge ihrer Karriere feiern. Am Abend trifft sie mit Spanien im Finale der Europameisterschaft auf England (18 Uhr; TV: ZDF; Liveticker SPIEGEL.de).

Putellas ist zwar bereits Weltmeisterin, doch womöglich würde ihr dieser EM-Titel noch mehr bedeuten als der spanische Triumph 2023. Denn damals, als die Spanierinnen im Endspiel England 1:0 schlugen, war Putellas keine Schlüsselspielerin, sondern bloß Ergänzung.

Denn sie lag nicht falsch, Putellas’ Zweifel waren berechtigt. Gut zehn Monate fiel sie wegen ihres Kreuzbandrisses aus, und als sie sich zurückgekämpft hatte, musste sie feststellen, dass sie nicht mehr die alte Putellas war.

 Putellas, Jenni Hermoso und Irene Paredes

Spanische Weltmeisterinnen: Putellas, Jenni Hermoso und Irene Paredes

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Die alte Putellas: Das war eine der besten Fußballerinnen des Planeten. Zweimal wurde sie mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet. In Spanien nannte man sie »La Reina«, die »Königin«. In ihrer Heimatstadt Barcelona erhielt sie das Sankt-Georg-Kreuz für besondere Verdienste um Katalonien. Das hatten zuvor nur zwei Fußballprofis bekommen: Johan Cruyff und Lionel Messi. In Barcelona wurden Zuschauer-Weltrekorde aufgestellt, und Putellas war nicht bloß mittendrin, sie galt als ein Grund dafür, dass solche Kulissen möglich wurden. Eine gegnerische Trainerin sagte einmal über Putellas: »Sie ist der Schlüssel im Spiel, weil sie es auf Tausende verschiedene Weisen öffnen kann.«

Auch nach dem Comeback infolge des Kreuzbandrisses feiert Putellas große Erfolge. Weltmeisterin 2023, Champions-League-Siegerin 2023 und 2024. Doch im WM-Endspiel wird sie erst in der 90. Minute eingewechselt. In der Königinnenklasse gegen Wolfsburg 2023 läuft es genauso, Einwechslung in der 90. Minute. Auch 2024, beim Endspielsieg über Olympique Lyon, sitzt sie auf der Bank. Eingewechselt wurde sie in der Nachspielzeit.

 Wieder auf Augenhöhe mit den Besten

Putellas im Mai 2021: Wieder auf Augenhöhe mit den Besten

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David Ramirez / imago images/ZUMA Wire

Putellas war dabei, gegen Lyon schoss sie sogar noch das 2:0. Doch sie blieb eine Randfigur. Was für die meisten Fußballprofis der Karrierehöhepunkt wäre, Einsatz bei einem Finalsieg, muss sich für jemanden mit Putellas’ Fähigkeiten und Werdegang unbefriedigend angefühlt haben. Plötzlich musste die Größte zuschauen. Sie sah auch, wie der Fußball um sie herum wuchs, und ein bisschen auch über sie hinaus. Ehemalige Teamkolleginnen waren nun die Stars der Branche.

Aitana Bonmatí, Mitspielerin in Barcelona und Spanien, wie Putellas offensive Mittelfeldspielerin, gewann zweimal den Ballon d’Or, bei der nächsten Wahl gilt sie erneut als Favorit. Im EM-Halbfinale gegen Deutschland (1:0) erzielte sie das Siegtor, hinterher wurde sie als Spielerin des Spiels ausgezeichnet. Putellas spielte unauffällig.

Aber das war nur das Halbfinale. Denn bei dieser EM ist Putellas aus sportlicher Sicht nun wieder auf Augenhöhe.

Drei Tore erzielte sie in bislang fünf Partien, dazu gab sie vier Vorlagen. Addiert sind das sieben Scorerpunkte, das gelang sonst niemandem bei der Europameisterschaft. Auf Platz zwei folgen zwei Spielerinnen mit je fünf Scorern.

Putellas spielt im linken offensiven Mittelfeld der Spanierinnen, an der Seite von Bonmatí, die rechts aufläuft. Ihr fehlt Bonmatís Geschwindigkeit, das Quirlige, doch dafür bringt Putellas eine Robustheit ins spanische Spiel, die gerade gegen die athletischen Engländerinnen wichtig werden wird. Was beide eint, ist, dass sie fast immer die richtige Entscheidung treffen, wenn sie am Ball sind. Typische Barcelona-Schule. Technisch brillant, schnell im Kopf und ein Spielverständnis, das das vieler anderer Profis übersteigt.

»Hart dafür gearbeitet, wieder hier zu sein«

»Ich habe lange auf diesen Moment gewartet, ich bin richtig aufgeregt. Ich habe hart dafür gearbeitet, wieder hier zu sein«, sagte Putellas vor dem Start dieser EM.

In jener Dokumentation von 2023 sagt Putellas über ihre Momente des Zweifels schwere Sätze. Mit einem neuen Knie würde »diese Alexia verschwinden«, sagt sie, und: »Ich wollte diese Alexia nicht gehen lassen.« Tränen fließen. Sie wisse ja nicht, ob die neue Alexia besser oder schlechter sein würde. Nur dass sie eine andere würde, sei klar gewesen.

Ob Spanien England schlägt und Europameister wird, ist offen. Aber eine Frage auf ihre Antwort hat Alexia Putellas inzwischen gefunden.

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